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Seitenwechsel 2.0Die Macht der Schmächtigen

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Herbert Neumann schreibt für den Kölner Stadt-Anzeiger.

Köln – Pep Guardiola war als Jugendlicher einer dieser schmächtigen Spieler, die man gerne übersieht. Er spielte im zentralen Mittelfeld, hatte die Gabe, ein Spiel gut lesen zu können, und verehrte Michel Platini. Ihm war früh bewusst, dass er bei den Großen nur eine Chance hatte, wenn er technisch besser, präziser im Passspiel, taktisch klüger sein würde als sie und schon vor der Annahme wusste, wo der Ball hinmuss. Er wurde zum Denker des damaligen Barça-Spiels, ein Meister der Spieleröffnung.

Seine Begegnung mit dem Trainer Johan Cruyff verhalf ihm dazu, seine Bewusstseinsebene nochmals zu erweitern. Noch heute schwärmt er: "Cruyff hat mich gelehrt, Fußball erst richtig zu verstehen." Ohne Cruyff gäbe es diesen Guardiola nicht. Und wenn man genau hinschaut, erkennt man in dem heutigen atemberaubenden, offensiven Kurzpassspiel (tiqui-taca) eine weiterentwickelte, modernere Form des dominanten, holländischen Fußball-Total früherer Jahre: etwas weniger starres Positionshalten, dafür noch schneller, freier, intensiver und fesselnder. Ein Fußball, der schön und ästhetisch zugleich ist und der in seinem Anspruch auf Erfolg von dem Bedürfnis geprägt ist, beim Zuschauer freudvolle Gefühle zu erzeugen. Für diese Ideale steht Guardiola.

Der Wechsel zum FC Bayern ist ein nachvollziehbarer Schritt in Guardiolas Entwicklung als Fußball-Lehrer und Mensch. Er tritt aus seinem vertrauten, katalanischen Umfeld heraus und begibt sich in eine neue und - sprachlich und kulturell - fremde Umgebung, in der möglicherweise die Handlungs- und Denkweisen nicht immer im Einklang mit seinen sind. Und darin liegt die größte Herausforderung - und ein enormes Lernpotenzial für beide Seiten.

Die Sicherheit, dass es funktioniert, gibt es nicht. Aber die Ausgangsbedingungen sind gut. Dass Heynckes gehen muss, ist logisch. Er hat seine Aufgabe erfüllt und nachhaltig dabei mitgeholfen, den Klub nach van Gaal wieder in ein ruhiges Fahrwasser zu führen. Er hat diese Rolle vorbildlich ausgeführt. Jetzt, mit 68 Jahren, hat er noch mal die außergewöhnliche Chance, seine Karriere glanzvoll ausklingen zu lassen.

Sein letzter relevanter Titel in Deutschland liegt 23 Jahre zurück (Meister mit Bayern 1990), im Ausland 15 Jahre (CL-Sieger mit Real 1998). Es ist ihm zu gönnen, wenn er zumindest mit einer Trophäe nach Hause ginge.