Wolfgang HolzhäuserDer Erfinder der 50+1-Regel nimmt die Werksklubs in Schutz

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Wolfgang Holzhäuser

Leverkusen – Seit seinem Ausscheiden als Geschäftsführer von Bayer 04 Leverkusen im Sommer 2013 ist Wolfgang Holzhäuser Privatmann. Zwei Jahrzehnte lang war er als Top-Manager des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) Wegbereiter des modernen Profi-Fußballs und Geburtshelfer der Deutschen Fußball-Liga (DFL). Beim Werksklub hat er danach 23 Jahre als kaufmännischer Geschäftsführer und Klubchef gearbeitet. Vor allem aber ist Wolfgang Holzhäuser der Vater der 50+1-Regel in ihrer seit 1999 gültigen Form. Sie verhindert, dass, anders als in fast allen bedeutenden Fußball-Nationen Europas, Fremdinvestoren die Mehrheit in einem Klub übernehmen und das Sagen haben können.

Allerdings hat Holzhäuser auch jene Ausnahmeregelung mitbegründet, die am 31. Mai vom Bundeskartellamt in einem 13-seitigen Schreiben infrage gestellt wurde. Sie sichert Werksklubs wie Bayer 04 Leverkusen und dem VfL Wolfsburg ebenso das Existenzrecht zu wie einem Mäzenaten-Verein wie der TSG Hoffenheim. Entscheidend, so die Ausnahmebedingung, sei das Engagement eines einzelnen Förderers über einen Zeitraum von mindestens 20 Jahren hinweg.

Falls diese Ausnahme nicht präzisiert oder angepasst werde, so das Kartellamt in seiner Bewertung, könne es sein, dass die 50+1-Regel unzulässig sei, weil sie den freien Wettbewerb behindere. Das wiederum wollen Traditionsklubs wie der 1. FC Köln, der sich zu Beginn der Woche noch einmal uneingeschränkt zu 50+1 bekannte, unbedingt verhindern.

In einer gemeinsamen Reaktion hatten die drei betroffenen Klubs – Bayer 04 Leverkusen, VfL Wolfsburg, TSG Hoffenheim – gegenüber der DFL ihr Existenzrecht bekräftigt und vor harten Einschnitten gewarnt. Die Drohung, ihre Interessen im Falle einer Lizenzverweigerung beim europäischen Gerichtshof durchzusetzen, der dem freien Wettbewerb bei Klage mit sehr großer Wahrscheinlichkeit das Vorrecht vor einer Schutzklausel wie 50+1 einräumen würde, wurde nicht explizit ausgesprochen. Das muss sie auch nicht, weil diese Tatsache wie ein Damoklesschwert über dem ganzen Konstrukt und damit dem deutschen Fußball schwebt. An diesem Mittwoch treffen sich die DFL-Klubs zu einer internen Besprechung. Die Sachlage ist so brisant, dass sich alle Vereine inhaltlich schweigen auferlegt haben und danach nur schriftlich eine gemeinsame Erklärung abgeben wollen.

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Wolfgang Holzhäuser ist der Meinung, dass die Thematik derzeit in Deutschland nicht richtig behandelt wird. Er nimmt die Werksklubs im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ ausdrücklich gegen den Vorwurf der krassen Vorzugsbehandlung in Schutz und fordert größere Anstrengungen bei der Ausgestaltung der 50+1-Regel, um Schaden für alle Seiten abzuwenden. „Ich weiß noch, wie wir seinerzeit um diese Regel gerungen haben. Damals hieß es in der Runde der Beteiligten, wir müssten verhindern, dass ein Investor einfach ein- und dann wieder aussteigen kann. Die Rede war, so formulierte es jemand, vom ,thailändischen Geflügelgroßhändler„, der in einem Jahr einen Klub übernimmt und kurze Zeit später wieder verkauft. So etwas wollten wir grundsätzlich verhindern. Da habe ich gesagt: Dann lasst uns 50 + 1 mit den Ausnahmen für Sponsoren mit großer Tradition festschreiben.“

Holzhäuser bezeichnet die Stellungnahme des Kartellamtes als „sehr oberflächlich und einseitig“. Es mangele ihr „an Qualität und Objektivität“. Dass sich Andreas Mundt, Vorsitzender der Behörde, in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ privat als „Fan des 1. FC Köln“ zu erkennen gegeben hat, habe der Sache nicht gedient.

Holzhäuser fordert konstruktive Lösungen für mehr Gleichbehandlung anstelle aus seiner Sicht populistischer und oftmals von Partikularinteressen geprägter Argumentationen. „Es gibt in der Frage nicht nur Schwarz oder Weiß, richtig oder falsch“, sagt der 71-Jährige, „die DFL sollte vielmehr Rahmenbedingungen vorgeben, die es allen Vereinen leichter ermöglichen, Investoren an Bord zu holen. Ob das ein Verein dann will, kann immer seine Mitgliederversammlung entscheiden. Und das ist gut so“ Die DFL könnte für potenzielle Investoren Bedingungen für Nachhaltigkeit stellen. Holzhäusers Vorschläge: Kapitalbindung auf mindestens fünf Jahre. Bonitätsprüfung durch einen neutralen Wirtschaftsprüfer. Vorkaufsrecht von Anteilen für den eingetragenen Verein zu einem vorher festgelegten Preis. Begrenzung der Anteile auf beispielsweise 24 Prozent pro Investor. Unveränderlichkeit von Vereinsfarben und -Namen. „Damit würden die Hürden für alle niedriger, ohne dass 50+1 verletzt würde“, erklärt Holzhäuser, ein solches Modell würde „50+1“ nicht nur erhalten, sondern sogar noch stärken, weil jegliche Art und Höhe einer Beteiligung von Investoren durch die DFL kontrolliert würde. Es würden nicht nur wie derzeit 49% unkontrolliert zugelassen und alles darüber für die Mehrheit der Klubs ausgeschlossen.

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Das Bayer-Werk in Leverkusen

Der diplomierte Betriebswirt stört sich – natürlich auch durch seine jahrzehntelange Arbeit bei Bayer 04 – an dem Image der „bösen“ Werksklubs. Er verweist auf die Regelungen zwischen Eigentümern wie Bayer und ihren Fußballgesellschaften. Grundsätzlich müsste die Nutzung aller Werks-Ressourcen intern abgerechnet und bezahlt werden. Des Weiteren müssten alle Gewinne an den Konzern abgeführt werden. „Ein Werksklub selbst kann über die Jahre keine Reichtümer anhäufen.“ Der Transfer von Kai Havertz zum FC Chelsea im Sommer 2020, so Holzhäuser, sei hier ein gutes Beispiel. Mittlerweile hat der Verkauf des Nationalspielers an den FC Chelsea den Leverkusenern fast 100 Millionen Euro eingebracht. Das Geld lande aber nicht auf dem Schreibtisch des Klubchefs Fernando Carro, sondern wieder beim Konzern, der über den Gesellschafterausschuss immer neu über größere Ausgaben entscheide. Im Gegenzug erhält der Werksklub seine seit Jahrzehnten gleichbleibende jährliche Zuwendung von rund 25 Millionen Euro und würde im Fall der Misswirtschaft immer von seinem Eigentümer aufgefangen.

Hier liegt der große Unterschied zu einem Klub wie dem 1. FC Köln, der sich stets mit Szenarien von Pleite und Insolvenz auseinandersetzen muss und diesen Nachteil des eigenen Risikos natürlich als ungerecht empfindet. Holzhäuser ist als jahrelanger Vertreter der anderen Seite der Meinung, die Werksklubs könnten offensiver mit der Tatsache umgehen, dass sie die öffentliche Hand und damit den Steuerzahler kein Geld kosten, ihre Stadien mit umgebender Infrastruktur größtenteils selbst finanziert haben und bewirtschaften und in der Corona-Krise keine Kurzarbeit beantragt haben, während klassischer Vereine auch durch Misswirtschaft nur durch Landesbürgschaften, Senkung von Stadionmieten und zuletzt eben Kurzarbeitsgeld überleben konnten. „Die Werksklubs kosten den Steuerzahler kein Geld“, erklärt er, „das sollte man ruhig sagen dürfen.“

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