Bayer-04-Stürmer im InterviewPatrik Schick: „Die Mentalität des Klubs hat sich geändert“

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Patrik Schick bejubelt eines seiner drei Tore gegen Bochum im Dezember.

Patrik Schick bejubelt eines seiner drei Tore gegen Bochum im Dezember.

Leverkusens Stürmer Patrik Schick spricht über seine lange Leidenszeit, Trainer Xabi Alonso und Titelchancen im Sommer 2024.

Herr Schick, es gibt ein Video, in dem Ihr Mitspieler Adam Hlozek sagt, Sie würden nur sauer, wenn sie auf der Playstation gegen ihn verlieren… Stimmt das, oder machen Sie auch andere Dinge wütend?

Patrik Schick Dass Adam mich an der Konsole besiegt, passiert nun wirklich nicht häufig. (schmunzelt) Aber natürlich gibt es viele Sachen im Fußball, die mich sauer machen, zum Beispiel, wenn ich keine Tore erziele. Außerhalb des Fußballs gibt es jedoch kaum etwas, da bin ich ein sehr ruhiger, ausgeglichener Typ.

Sie waren lange Zeit verletzt, fielen mit hartnäckigen Adduktorenproblemen mehr als ein Jahr aus. Jetzt haben Sie das erste Mal seit langer Zeit dreimal 90 Minuten am Stück spielen können, jedoch keinen Treffer erzielt. Was überwiegt: Die Freude über die Spielzeit, oder der Ärger über die torlosen Minuten?

Wenn ich mich schon wieder an den vollen Spielbetrieb gewöhnt hätte, wäre ich wohl deutlich wütender. Da ich aber nach langer Zeit endlich wieder spielen kann, überwiegt das Positive. Das letzte Jahr war sehr problematisch für mich, mental und physisch. Ich bin einfach froh, dass ich wieder gesund und fit bin und spielen kann. Da bin ich sehr demütig. Nach 14 Monaten Pause überwiegt also die Freude über die drei Spiele in voller Länge.

Aber man merkt, 270 Minuten ohne Treffer stören Sie dennoch gewaltig.

Natürlich. Ich bin Angreifer, wir wollen immer Tore erzielen. Und das ist mir nicht gelungen. Zudem haben wir zwei Punkte beim 0:0 gegen Gladbach liegen gelassen. Auch das ärgert mich.

Borussia Mönchengladbach stand bei dem torlosen Remis ultra-defensiv und hat sich kaum am Spiel selbst beteiligt. Macht Sie das sauer und wie gehen Sie mit solchen Gegnern in Zukunft um?

In der Hinrunde spielten alle die Teams das erste Mal gegen uns, gegen unser neues Spielsystem. Nun wissen die meisten, wie wir agieren und sind besser darauf vorbereitet. Nicht nur ich, alle Mitspieler haben erwartet, dass dieser Teil der Saison anstrengend würde. Dennoch: Wenn Teams nur defensiv spielen und kaum Offensive zeigen, ist es nicht attraktiv und macht auch weniger Spaß. Wir hatten dennoch die Chancen, das Spiel für uns zu entscheiden. Aber es sollte einfach nicht sein.

Ihr Comeback zog sich lange hin. Was haben Sie in dieser Zeit gelernt?

Es war nicht einfach. Die Zeit, als wir im Trainingslager waren und ich die Operation hinter mir hatte, war ich komplett auf die Regeneration fokussiert und hatte wieder richtig Motivation. Doch die Monate davor, in denen ich nicht wusste, warum ich überhaupt Schmerzen hatte und nicht Fußball spielen konnte, waren der bisher schwerste Teil in meiner Karriere. Es waren acht Monate, in denen ich keinen Fortschritt, keine Verbesserung sah. Einfach gar nichts. Ich trainierte viel, um die Schmerzen in den Griff zu bekommen, aber es brachte nichts. Es war zäh, ich verlor dadurch allmählich den Antrieb. Ich hatte kein Ziel vor Augen, es herrschte Stillstand.

Wie erging es Ihnen dann nach der Operation?

Nach der Operation sah ich endlich Verbesserungen und war wieder richtig motiviert, anzugreifen. Im Nachhinein wäre es wohl besser gewesen, direkt zu operieren. Aber das ist Vergangenheit, mein Blick richtet sich jetzt nach vorn.

Wie hat Ihre Familie auf die schwere Zeit reagiert?

Natürlich hat mich meine Familie dabei unterstützt, aber eigentlich bringe ich den Fußball nicht gerne mit nach Hause. Ich versuchte, halbwegs positiv zu bleiben und wollte mein Privatleben nicht mit meiner Bürde belasten. Ich wollte niemand anderen damit belasten und setzte mich allein damit auseinander. Generell rede ich zu Hause nicht viel über Fußball. Auch, weil es mit meiner Frau sowieso keinen Sinn machen würde (schmunzelt).

Wie schwer war es mental, sich allein damit auseinanderzusetzen?

Ich habe aus dieser Zeit viel mitgenommen. Ich höre mehr auf meinen Körper - wann ich mit dem Training aufhören sollte oder wann ich doch ein paar Prozent mehr geben kann. Ich war auch vorher absolut professionell, aber nun investiere ich noch viel mehr in den Fußball, da ich aufgrund der Verletzung erst merkte, wie sehr ich es eigentlich vermisse, auf dem Platz zu stehen. Deshalb mache ich jetzt wirklich alles, was in meiner Macht steht, um von einer erneuten Verletzung verschont zu bleiben.

Welche Auswirkungen hatte die Verletzung auf Ihre Trainingsweise?

Wegen der Erfahrungen mit der Verletzung widme ich mich jetzt noch viel mehr der Regeneration, aber auch den kleinen Veränderungen im Alltag, durch die ich mich am nächsten Tag besser fühlen kann: Meditation, Dehnen und Krafttraining. Die Erholung ist immens wichtig, damit es einen im Spiel oder im Training einfach besser geht. Ich habe schon vor der Verletzung viel gemacht, aber man kann immer mehr machen.

Haben Sie Angst davor, sich erneut zu verletzen?

Nein, ich habe keine Angst. Aber ich will da nie mehr durchgehen. Also tue ich alles dafür, um eine Verletzung zu vermeiden. Und es ist schon immer so gewesen: So wie du trainierst, spielst du auch. Also tue ich alles dafür, um mich auf dem Platz in jeder Sekunde wohlzufühlen. Ich bin jetzt noch professioneller, das ist für mich die logische Konsequenz.

Wie fühlen Sie sich derzeit auf dem Platz?

Wer sagt, dass er sich nach 14 Monaten Pause besser fühlt, lügt. Man fühlt sich natürlich schlechter, als wenn man körperlich in Topform ist. Aber ich bin mental stärker geworden und bin dankbarer, dieses Spiel spielen zu dürfen. Der Rest wird auch wieder kommen, aber es braucht noch ein bisschen Zeit.

Hatten Sie Gedanken an ihr Karriereende?

Es gab ja Gerüchte, dass es das Ende meiner Karriere wäre. Das habe ich schon mitbekommen. Diese Spekulationen hatten natürlich ein bisschen Wildwest-Charakter, dagegen kann man leider nicht viel tun. Aber ich habe es nie an mich herangelassen. Mir war immer klar: Die Verletzung ist schlimm, aber nicht schlimm genug für ein Karriereende. Es war keine schwere Knieverletzung, sondern eine Muskelverletzung. Die Gerüchte haben es nie geschafft, mich zu verunsichern.

Wenn Leute sagen: Patrik wird nicht mehr der „alte Patrik“ von vor der Verletzung. Was macht das mit Ihnen?

Das motiviert mich. schon. Um ehrlich zu sein: Ich mag es sogar. Manche Leute sagen jetzt: Patrik hat drei Spiele nicht getroffen, er braucht mehr Zeit, bla bla bla. Ich mag das! Mir gefällt Erwartungshaltung, dass ich jedes Spiel treffen muss. Das empfinde ich nicht als Kritik, sondern als echte Motivation für mich. Niemand soll seine Erwartungen an mich herunterschrauben. Aber stellen Sie sich vor, Sie als Journalist würden 14 Monate keine Interviews führen. Wenn Sie danach zurückkommen, würde es sich zunächst sicher auch etwas anders anfühlen. Ich habe jetzt vier Spiele von Beginn an gemacht. Vielleicht brauche ich wirklich noch ein kleines bisschen Zeit. Aber ich fühle mich gut.

Es ist ihre vierte Saison bei Bayer 04. Was hat sich geändert in dieser Zeit?

Als ich im Sommer 2022 meinen neuen Vertrag bis 2027 unterschrieben habe, hatte ich Gespräche mit Simon (Rolfes, Sportgeschäftsführer, Anm. d. Red) und Fernando (Carro, Vorsitzender der Geschäftsführung, Anm. d. Red.) über die Pläne für Bayer 04. Jetzt sieht man die Ergebnisse dieser Arbeit. Wir haben Spieler verpflichtet mit hoher Qualität, die direkten Einfluss auf das Team haben. Jetzt kämpfen wir um Titel. Wir wollen uns nicht mehr nur für die Champions League qualifizieren, nein, wir wollen ein paar Trophäen gewinnen. Das war mir auch wichtig. Die Mentalität des Klubs hat sich geändert. Jeder fühlt hier, dass wir die Chance haben, etwas zu erreichen und jeder gibt dafür 100 Prozent. Dieser Glaube und dieser Plan sind das Wichtigste. Ich habe diesen Umschwung auch direkt gemerkt, als ich nach der Verletzung wieder ins Training eingestiegen bin.

Welchen Einfluss hat neben Simon Rolfes und Fernando Carro auch Xabi Alonso?

Unter Gerardo (Seoane, Ex-Trainer, Anm. d. Red.) hatten wir ein wirklich junges Team. Und, auch wenn es etwas verrückt klingen mag: Der schlechte Start in die vergangene Saison hat uns viel gegeben. Wir wissen jetzt, wie wir diese Situation umgehen können. Wir wissen, wie wir arbeiten müssen, um das zu vermeiden. Das hat uns viel Erfahrung gebracht. Und dann kam Xabi mit seinem neuen Spielstil. Wir spielen komplett anders. Wenn jemand kommt, der im Fußball alles gewonnen hat, wärst du ziemlich dumm, ihm nicht zuzuhören. Also versuchen wir, ihm komplett zu folgen – allen seinen Taktiken, allen Anweisungen. Es gibt keinen besseren Trainer als einen, der so ein guter Spieler war und der von den besten Trainern der Welt trainiert wurde. Er konnte von allen etwas lernen und das jetzt in seinen eigenen Stil als Trainer packen. Wir glauben an das, an das er glaubt. Das läuft derzeit sehr gut, wir wollen, dass das so bleibt.

Es ist mehr als 30 Jahre her, dass der Klub etwas gewonnen hat. Wie groß sind die Chancen, dass die Durststrecke diesen Sommer enden wird?

Die Chancen sind richtig groß, etwas zu gewinnen. Aber nicht wegen der Position, in der wir uns aktuell befinden, sondern wegen des Stils, mit dem wir spielen. Wir haben Vertrauen in uns selbst, wir spielen guten, attraktiven Fußball, kreieren viele Torchancen. Ich kann aber nicht sagen, in welchem Wettbewerb die Chance am größten ist, eine Trophäe nach Leverkusen zu holen.

Ihr Vertrag endet 2027. Haben Sie noch einen sportlichen Traum, den Sie sich erfüllen wollen?

Man kann im Fußball nicht träumen, man weiß nie, was kommt. Ich denke darüber nicht nach. Kein Traum, aber ein echtes Ziel ist es, mit Leverkusen einen Titel zu gewinnen. Das wäre wirklich schön.

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