„Das macht mir so richtig Spaß“Rolfes erklärt, warum er stolz auf sein Bayer-04-Team ist

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Simon Rolfes und Xabi Alonso (l.)

Simon Rolfes und Xabi Alonso (l.)

Der große Vorsprung auf die Bayern wirkt befreiend auf das Bayer-Team, das nur an seine eigenen Aufgaben denken will.

Darüber sprechen will in Leverkusen freilich niemand, aber der erste Meistertitel in der Klubgeschichte von Bayer 04 Leverkusen liegt bereit, er muss eigentlich nur noch eingesammelt werden. Acht Punkte Vorsprung hat die Werkself nach 22 Spieltagen auf einen taumelnden FC Bayern. Das heißt: Die Mannschaft, die in dieser Saison wettbewerbsübergreifend in 32 Spielen noch nie als Verlierer vom Platz gegangen ist, müsste mindestens noch zwei der restlichen zwölf Bundesligapartien verlieren, während der immer weniger Schrecken verbreitende FC Bayern alles gewinnt. Unmöglich? Sicher nicht. Schon mal dagewesen? Nein.

Noch nie in der Geschichte der Fußball-Bundesliga hat eine Mannschaft solch einen großen Vorsprung in den letzten zwölf Partien noch verspielt. Nach Einführung der Drei-Punkte-Regel zur Saison 1995/1996 waren es die Schalker, die bisher die aussichtsreichste Position noch hergeschenkt haben. In der Saison 2006/2007 hatten die Gelsenkirchener nach 22 Spielen fünf Punkte Abstand auf den VfB Stuttgart, der am Ende Meister wurde. Borussia Dortmund führte die Tabelle in der Rückrunde der Saison 2018/2019 mit sieben Punkten Vorsprung auf den FC Bayern an und holte dennoch nicht die Schale – das war aber nach dem 20. Spieltag.

Rechnet man die Spielzeiten mit Zwei-Punkte-Regel auf die Drei-Punkte-Regel um, hält der FC Bayern den Rekord für die bisher größte Aufholjagd nach dem 22. Spieltag. Dafür muss man aber weit zurückzuschauen. Wieder waren es die Schalker, die zum Schluss in die Röhre guckten und in der Saison 1971/1972 einen umgerechneten Sieben-Punkte-Abstand nicht ins Ziel brachten. Dass die Bayern in dieser Saison ihren Aufholjagd-Rekord brechen werden, scheint kaum vorstellbar. Die Münchner wirken zu labil, Bayer 04 wirkt hingegen sehr stabil.

In Leverkusen will man von Eventualitäten im Mai aber weiterhin rein gar nichts wissen. Man ist viel zu sehr damit beschäftigt, das zu stärken, was diese Mannschaft in dieser Saison ausmacht. Die 2:3-Niederlage der Bayern in Bochum am Sonntagabend wurde somit nur zur Kenntnis genommen, mehr nicht. „Es bleibt dabei: Wir konzentrieren uns auf unsere Spiele, auf unseren Weg“, sagte Sportgeschäftsführer Simon Rolfes am Montag. „Das was zählt, war der Samstag. Wir achten nicht auf andere Spiele. Heidenheim war entscheidend und jetzt ist Mainz am Freitag entscheidend.“

Diese Sprachregelung ist zur Haltung bei der Werkself geworden. Das, was viele – wahrscheinlich alle – Klubs wollen, hat Leverkusen geschafft: Auf sich schauen, alles andere ausblenden. Nur auf das fokussieren, was man beeinflussen kann. „Die Erwartungshaltung ist, jeden Tag hervorragend zu trainieren, um top vorbereitet zu sein, um das Spiel zu gewinnen. Das ist die einzige Erwartungshaltung, die es zu Saisonbeginn gab, die es jetzt gibt und die es bis zum letzten Spiel geben wird“, betont Rolfes. „Dann werden wir sehen, was am Ende dabei herumkommt. Das ist unser Weg. Damit sind wir erfolgreich.“

Die Leverkusener Verantwortlichen wissen, dass sich das Narrativ rund um den Klub verändern wird. Der Druck wird größer werden. Bei solch einem Vorsprung kann man den Meistertitel nicht mehr nur gewinnen, nein, man kann ihn auch verlieren. Dass dieser Druck die Mannschaft irgendwann belasten könnte, glaubt Rolfes aber nicht. Der 41-Jährige ist sich sicher, dass das Team verstanden hat, mit welcher Grundhaltung der Rest der Saison anzugehen ist: „Wir spielen nicht, um nicht zu verlieren, wir spielen, um zu gewinnen. Das ist unser Antrieb. Das ist unser Fokus. Die Motivation ist, Spiele zu gewinnen.“ Xabi Alonso hat dieselbe Grundeinstellung: „Den Hunger zu haben, zu gewinnen und ihn zu erhalten, das ist das Wichtigste. Bis jetzt haben wir das gut gemacht. Das ist eine große Entwicklung in unserem Kader. Nicht nur Fußball, auch die Mentalität unserer Mannschaft.“

Beim 2:1 am Samstag in Heidenheim war das wieder einmal zu bestaunen. Bayer 04 wählte einen anderen Weg, um zum Erfolg zu kommen, spielte zu Beginn vermehrt lange Bälle und nahm den Kampf beim Aufsteiger an. „Wir haben eine Flexibilität in unserem Spiel“, erklärt Rolfes. „Was mir aber so richtig Spaß macht, ist, dass wir im Hier und Jetzt leben. Das hat man am Samstag gesehen. Die Jungs haben es danach gut gesagt: Da mussten auch mal die Arbeitshosen angezogen werden. Wir tun das, was notwendig ist, um das Spiel zu gewinnen. Die Jungs sind bereit, auf unterschiedlichstem Wege zum Erfolg zu kommen. Das macht mir Freude.“

Beim Blick auf das Restprogramm der beiden Titelaspiranten wird deutlich, dass die kommenden Wochen bis Ende März schon zu einer echten Vorentscheidung führen könnten. Beide Klubs haben drei Heim- und zwei Auswärtsspiele. Die Bayern müssen dabei allerdings mit Leipzig und Dortmund gegen zwei Top-Fünf-Klubs antreten, zudem müssen beide Vereine noch zum Europa-League-Teilnehmer SC Freiburg reisen.

Momentan scheint es also möglich, dass die Meisterschaft mal wieder nicht bis zum letzten Spieltag spannend bleibt. Neu ist dabei aber, dass dann nicht der FC Bayern davonziehen würde, sondern Bayer 04 Leverkusen, das sich in Fußballdeutschland in dieser Spielzeit einige Freunde gemacht hat. Rolfes: „Wir spüren schon die Sympathie für uns und die Art, wie wir spielen. Deshalb ist es ja so wichtig, weiterzumachen mit dem, was wir bis hierhin gemacht haben. Mit der Art Fußball zu spielen und mit dem, wie wir auf dem Platz insgesamt auftreten. Wir geben jedes Spiel wirklich alles, um es zu gewinnen. Ich glaube, das spürt man und viele Menschen mögen das.“

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