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Hjulmand-Effekt wirktNeues Gemeinschaftsgefühl bei Bayer 04

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Leverkusens Trainer Kasper Hjulmand (v.li.), Co-Trainer Marcel Daum, Sportgeschäftsführer Simon Rolfes und Malik Tillman feiern.

Leverkusens Trainer Kasper Hjulmand (v.li.), Co-Trainer Marcel Daum, Sportgeschäftsführer Simon Rolfes und Malik Tillman feiern.

Das emotionale 3:1 gegen Eintracht Frankfurt kann für Bayer 04 Leverkusen enorme Schubwirkung haben.

Simon Rolfes gilt nicht als Charakter, der seine Emotionen im Wochenrhythmus überdeutlich zur Schau stellt. Deshalb war seine Reaktion auf den entscheidenden Treffer beim 3:1 gegen Eintracht Frankfurt ein gutes Indiz für die Lage bei Bayer 04 Leverkusen. Der Sportgeschäftsführer sprang vor der Bank auf und ab, reckte immer wieder die Fäuste Richtung Abendhimmel und stieß Jubelschrei nach Jubelschrei aus.

Dieser Sieg mit am Ende zwei Mann weniger auf dem Platz war ganz offensichtlich eine große Befreiung für alle Beteiligten bei Bayer 04. Und für Rolfes im Besonderen. Nach zwei Ligaspielen ohne Sieg und der schnellen Entlassung von Trainer Erik ten Hag waren große Zweifel an einem erfolgreichen Saisonverlauf der Leverkusener aufgekommen. Mit dem neuen Coach Kasper Hjulmand gelang nicht nur der erste Sieg, sondern es entstand auch direkt ein Gemeinschaftsgefühl, das in naher Zukunft ausgebaut werden soll.

„Nach dem sehr schwierigen Saisonstart haben sich die Spieler wirklich gesteigert. Sie haben aufeinander geachtet. Sie haben sich umeinander gekümmert“, betonte Hjulmand. „Wir haben sehr starke Energie und Charakter gezeigt.“ Es war eine Partie, in der Leverkusen mit zunehmender Spieldauer mit immer größeren Widerständen konfrontiert wurde. Unterkriegen ließ sich die Werkself davon aber nicht.

Robert Andrich entschuldigt sich

In der ersten Hälfte war Bayer 04 durch einen Freistoßtreffer von Alejandro Grimaldo (10.) und einen verwandelten Foulelfmeter (Robin Koch an Nathan Tella) von Patrik Schick mit 2:0 (45.+4) in Führung gegangen. Nach der Pause schwächte sich Leverkusen selbst. Kapitän Robert Andrich, der im ersten Durchgang bereits Gelb nach einer wenig intelligenten Situation gesehen hatte, holte sich Gelb-Rot ab. „Dummer Platzverweis von mir, aber die Moral stimmt“, kommentierte Andrich treffend. Leverkusen biss sich in diese Partie. Loic Badé, der seiner Rolle als Abwehrchef direkt in seiner ersten Partie von Beginn an gerecht wurde, hielt den Laden zusammen und hatte zudem noch Zeit, die Frankfurter durch kleine Provokationen aus dem Konzept zu bringen. Selbst als in der Nachspielzeit auch noch der eingewechselte Equi Fernandez die Gelb-Rote-Karte sah, blieb Bayer abgezockt – bis zur emotionalen Explosion bei Grimaldos zweitem Freistoßtor zum entscheidenden 3:1 (90.+8).

„Wir waren im tiefen Block sehr kompakt. Wir haben nichts zugelassen. Aber vor allem in der ersten Halbzeit haben wir auch immer wieder Chancen durch hohes Pressing kreiert. Das Pressing war sehr stark“, analysierte Hjulmand, der seinem Team nach dem schwachen Saisonstart eine etwas defensivere Ausrichtung mit schnellerem Vertikalspiel verordnet hatte. Auf Kosten langer Ballbesitzphasen – ein untypischer Ansatz für Bayer 04.

Seine Spieler zollten dem 53 Jahre alten Dänen Respekt für den Umgang mit ihnen in den nur rund 48 Stunden vor dem Spiel. Hjulmand habe „ein paar Prioritäten gesetzt, was für ihn sehr wichtig ist als Grundlage. Die haben wir, wenn ich die Liste mal kurz durchgehe, eigentlich sehr gut umgesetzt“, sagte Torhüter Mark Flekken – und deutete zumindest an, wie diese Liste aussah: „Jeden Sprint, den man rückwärts machen soll, auch machen, als Mannschaft auftreten, Vollgas geben, die Basics halt – aber die haben in den ersten beiden Spielen gefehlt. Und das merkt man dann auch in der Energie auf dem Platz. Und heute war deutlich ein Unterschied zu spüren. Das ist die Mentalität, die wir als Grundlage hier an den Tag legen sollen.“

Mit dem Lob an den neuen Coach ging natürlich auch Kritik an den Vorgänger einher. Hjulmand betonte, dass er auf diesen Basics in den kommenden Wochen und Monaten wieder eine Art Fußball aufbauen wolle, die mehr zu Bayer 04 passen werde. „Ich glaube“, sagte Hjulmand, „alles beginnt mit dem Klub und seiner Identität. Mit seiner Geschichte. Mit der Identität, sowohl der Spielweise als auch mit den Emotionen und was für ein Klub es ist. Dann findet man Spieler und Trainer, die hoffentlich zu dieser Philosophie und zu dieser Identität passen.“

Auf diesen Weg will der Trainer auch unbedingt die Fans mitnehmen, die er ausdrücklich lobte. Bevor er wieder den Rückenwind der eigenen Anhänger am Sonntag beim zweiten Ligaspiel in Serie in der Bay-Arena gegen Borussia Mönchengladbach (17.30 Uhr, Dazn) spüren wird, geht es für Hjulmand aber zunächst zu einem emotionalen Auswärtsspiel: Am Donnerstag steht die erste Partie der Ligaphase in der Champions League an – in der Heimat des Trainers beim FC Kopenhagen (18.45 Uhr, Dazn).