TV-Sorgen, Geraune über VfL-BonusWas das frühe WM-Aus für die Frauen-Bundesliga bedeutet

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Die deutschen Nationalspielerinnen Nicole Anyomi und Sara Däbritz nach dem WM-Aus gegen Südkorea neben Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg.

Die deutschen Nationalspielerinnen Nicole Anyomi und Sara Däbritz nach dem WM-Aus gegen Südkorea neben Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg.

Das WM-Aus der deutschen Fußballerinnen strahlt auch auf die Bundesliga ab. Ob die erhöhte TV-Präsenz nun auch wirklich zu guten Einschaltquoten führt, scheint fraglich. Zudem wird in der Liga argwöhnisch beäugt, dass die Spielerinnen vom VfL Wolfsburg beim DFB einen Bonus genießen könnten.

Die Schockwellen aus Brisbane sind in Windeseile auch auf die andere Seite der Erde geschwappt. Vertreter aus der Frauen-Bundesliga reagierten fassungslos auf das deutsche WM-Aus. „Ich kann es nicht glauben“, konstatierte Birgit Bauer. Auch die ewige Abteilungsleiterin vom SC Freiburg kann vorerst nur erahnen, was die DFB-Frauen für den Liga-Betrieb angerichtet haben. In der neuen Saison soll ein neuer Fernsehvertrag für ganz viel mehr Sichtbarkeit sorgen. Gespielt wird an sechs unterschiedlichen Terminen – und am Montagabend. Haben die Leute da jetzt wirklich Lust drauf?

DFB-Präsident Bernd Neuendorf hatte noch am Donnerstagabend im ZDF versichert, dass das Interesse nicht abflauen werde. „Da sind wir auf einem guten Weg. Das ist ein Dämpfer, den wir jetzt bekommen. Aber generell lässt sich diese Entwicklung nicht mehr aufhalten.“ In der neuen Saison übertragen die Öffentlich-Rechtlichen neben den Länderspielen auch einige Highlight-Spiele aus der Bundesliga, ansonsten läuft alles live bei DAZN und Magenta sowie Sport1. Fünf Sender wollten vom EM-Boom profitieren – da kommt die WM-Blamage zur Unzeit.

DFB-Frauen sind zu eng an VfL Wolfsburg gebunden

Nicht jeder aus der Liga hat das Unheil kommen sehen, aber hinter vorgehaltener Hand gibt es einige Stimmen, die vor allem eines seit Längerem kritisch sehen: die (zu) enge Verbindung zwischen dem Nationalteam und dem VfL Wolfsburg. Deren Direktor Frauenfußball, Ralf Kellermann, stattete gemeinsam mit TV-Moderator Elton dem Team vor dem Südkorea-Spiel einen Besuch ab, was nicht weiter verwerflich ist, weil der profunde Kenner Kellermann bei jeder WM auf Rundreise ist.

Er war lange Cheftrainer von Britta Carlson, die 2019 aus ihrer Assistentenrolle an die Seite von Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg wechselte. Über die Bevorzugung von VfL-Spielerinnen durch Carlsons Einfluss wird stets nur geraunt. Bei dieser WM war es offenkundig, dass formschwache Wolfsburgerinnen einen Bonus besaßen. In der Startelf gegen Südkorea standen nur zwei Spielerinnen vom Meister FC Bayern, aber acht (!) Akteure vom Pokalsieger Wolfsburg – die im Sommer von der TSG Hoffenheim gewechselte Chantal Hagel mitgerechnet.

Talentierte Frankfurt-Spielerinnen wurden kaum eingesetzt

Vermutlich wird die 25-Jährige niemals beim Werksverein als Linksverteidigerin auflaufen, denn dafür wurde sie nicht geholt. Noch befremdlicher wirkte das Festhalten an der neben der Spur laufenden Jule Brand. Carlson hatte die 20-Jährige vor dem dritten Gruppenspiel demonstrativ geschützt, aber von Wolfsburgs Cheftrainer Tommy Stroot war sie im Champions-League-Finale gar nicht eingesetzt worden, weil es ihr an Durchsetzungsvermögen auf Topniveau fehlt. Gegen Kolumbien und Südkorea hätte die Flügelspielerin fast schon aus Selbstschutz zur Pause erlöst werden müssen.

Martina Voss-Tecklenburg, Bundestrainerin der deutschen Frauen-Fußballnationalmannschaft.

Martina Voss-Tecklenburg, Bundestrainerin der deutschen Frauen-Fußballnationalmannschaft.

Aufgelöst sagte Brand im ZDF-Interview zur Frage, was die Bundestrainerin nach dem Aus gesagt habe: „Ich weiß es gar nicht!“ Voss-Tecklenburg beteuerte, sie habe nach „besten Wissen und Gewissen“ aufgestellt. Aber was muss eine Nicole Anyomi denken, die als Außenstürmerin bei Eintracht Frankfurt in der Rückrunde überragte und vor den Augen der Bundestrainerin bei einem 4:0 gegen Wolfsburg die VfL-Abwehr mit deutschen Nationalspielerinnen fast allein schwindlig spielte? Mit Sophia Kleinherne ist eine zweite Frankfurterin – und mit Laura Freigang vielleicht sogar eine dritte – brüskiert worden.

Frauenfußball: Heikle Themen innerhalb der Bundesliga aufarbeiten

Kleinherne ist eine sehr zuverlässige Rechts- und Linksverteidigerin, kennt die Rolle aus Verein und Nationalteam – bei der WM wurde sie trotz der Ausfälle von Giulia Gwinn, Carolin Simon und Felicitas Rauch nicht gebraucht. Vereinstrainer Niko Arnautis hat darüber nur mit dem Kopf geschüttelt – offiziell äußern will sich niemand, teilte der Klub sofort auf Anfrage mit. Ein generelles Problem. Öffentliche Kontroversen sind bei den Frauen nicht gewünscht. Dabei müsste einiges angesprochen werden.

Zuvorderst natürlich auch der Egotrip des FC Bayern im Abstellungszoff. Die Behauptung, die Spielerinnen müssten sich vor der WM länger erholen, war fragwürdig, denn Bayern-Abteilungsleiterin Bianca Rech ging es um ihr eigenes Ansehen in der Klubvereinigung ECA. Ein Eigentor. Immerhin hat sich Kellermann gewagt, das klar zu kritisieren – und war damit allein.

Wenn die Protagonisten nicht lernen, heikle Themen auch mal auszufechten, wird der Frauenfußball nicht vorankommen. Es gibt innerhalb der Liga noch mehr aufzuarbeiten, aber es ist zu befürchten, dass es dazu nicht kommen wird. Den DFB-Ausschuss Frauen-Bundesligen leitet seit Frühjahr Tobias Trittel. Öffentlich weitgehend unbekannt. Sein Arbeitgeber? Der VfL Wolfsburg. Aber die Schockwellen aus Brisbane dürften auch ihn erreicht haben. (RND)

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