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„Da werden Helden geboren“
Nationalspieler Rune Dahmke über Olympia-Chancen der deutschen Handballer

Lesezeit 5 Minuten
EM 2024 in Köln: Rune Dahmke beim Wurf im Hauptrundenspiel gegen Kroatien.IMAGO/Eibner

EM 2024 in Köln: Rune Dahmke beim Wurf im Hauptrundenspiel gegen Kroatien.

Rune Dahmke kämpft mit den deutschen Handballern ab Donnerstag um das Ticket für Paris im Sommer.

Herr Dahmke, anderthalb Monate sind seit der Heim-EM vergangen. Freuen Sie sich, die Kollegen schon wieder zu sehen, oder hätten Sie noch eine längere Pause gebraucht?

Ich freue mich auf jeden Fall. Es war jetzt auch ein guter Abstand. Drei Wochen früher hätte es nicht sein müssen. (lacht)

Wie fällt denn Ihre EM-Nachlese aus? Ihr Team ist Vierter geworden, die Bilanz war mit vier Siegen, einem Unentschieden und vier Niederlagen aber eher durchwachsen.

Das Endergebnis war absolut in Ordnung. Das Halbfinale war unser Ziel, was zu der Zeit schon recht ambitioniert war. Dass wir das geschafft haben, war super. Aber die Gesamtbilanz hätte schon noch ein bisschen deutlicher für uns sprechen können.

Aber insgesamt ziehen Sie ein positives Fazit, weil es dem Leistungsstand der Mannschaft entspricht?

Ja, das glaube ich schon. Ich bin jemand, der immer mehr möchte und es wäre natürlich super gewesen, wenn wir gegen Dänemark zwei so starke Halbzeiten hätten spielen können. Aber: Wenn man sich die anderen drei Halbfinalisten ansieht, deren Kader, welche Erfahrungen da teilweise schon auf höchstem Niveau über die vergangenen Jahre gesammelt wurden, dann finde ich: Leistungstechnisch gehören wir auf den vierten Platz. Dennoch: Die kommenden Jahre bis zur Heim-WM 2027 sind vielleicht die wichtigsten, die der DHB seit langer Zeit hatte, und dafür war die Heim-EM ein richtig genialer Startschuss.

Leider hat es im Spiel um Platz drei nicht gereicht gegen Schweden, um noch das Olympiaticket für Paris im Sommer zu ziehen. Jetzt stehen die Qualifikationsspiele in Hannover gegen Algerien, Kroatien und Österreich an. Wie viel Druck ist auf dem Kessel?

Die Olympia-Qualifikation ist extrem wichtig. Wir haben uns etwas Gutes mit der EM erarbeitet. Die Wahrnehmung der Nationalmannschaft hat einen ordentlichen Push bekommen, aber wir wissen auch, wenn wir das jetzt nicht schaffen, dass das auch alles schnell wieder weg sein kann. Es ist wirklich wichtig, dass man alle Großturniere bis zu dieser Heim-WM 2027 spielt – und auch gut spielt. Es warten extrem schwere Spiele auf uns. Andererseits muss man auch sagen: Wenn man sich da nicht durchsetzen kann, dann hat man bei den Olympischen Spielen auch nichts verloren.

Vor Österreich-Keeper gewarnt

Gegen zwei dieser Gegner haben Sie bei der EM in der Hauptrunde gespielt und keinen Sieg eingefahren, gegen Kroatien verloren, gegen Österreich gab es ein Unentschieden. Ist es vielleicht sogar von Vorteil, dass man genau weiß, da brauchen wir unsere Bestleistungen?

Ja, mein Gefühl ist, dass es eher ein Vorteil sein kann. Wir sind gewarnt: Wenn wir da nicht wirklich 100 Prozent Leistung abruft, dann gewinnen wir die Spiele auch nicht.

Unmittelbar vor dem Kroatien-Spiel stand die Halbfinale-Teilnahme schon fest. Lag die Niederlage vor allem daran?

Es nur darauf zu schieben, ist dann auch zu einfach. Aber wir haben zwei Tage lang die Spannung aufgebaut: Das ist das Spiel ums Halbfinale. Und dann wird dir fünf Minuten, bevor du zum Warmmachen rausgehst, gesagt: ,Übrigens Jungs, ihr seid schon qualifiziert.‘ Das macht natürlich was mit dir. Es ist dann schon so, dass da so ein kleiner Funke fehlt. Und das hat man im Spiel auch gesehen. Es war für uns extrem schade, weil durch diese Niederlage die Euphorie - auch innerhalb der Mannschaft - ein bisschen ins Stocken geraten ist.

Gegen Österreich war Ihr Team klarer Favorit. Es reichte nur zu einem Unentschieden. Torhüter Constantin Möstl lief zur Hochform auf. Hat das noch Einfluss auf das kommende Spiel, wenn Sie womöglich wieder auf ihn treffen werden?

Nein, das glaube ich nicht. Aber wir sind gewarnt, dass der Junge richtig gut ist. Und wenn man da einen stehen hat, der 20 Bälle hält, ist es schon schwer, zu gewinnen. Wir wissen alle, dass unsere Probleme im EM-Turnier ganz oft damit angefangen haben, dass wir in kürzester Zeit zu viele Fehlwürfe hintereinander hatten.

Was kann man da eigentlich anders machen, damit das nicht mehr so gehäuft passiert?

Tja, wenn man da einfach eine Schablone drüberlegen und sagen könnte, genau so machen wir es, damit das nicht mehr passiert, dann wäre es auch zu langweilig. Dann müssten wir die Spiele nicht spielen, dann legen wir nur die Papiere nebeneinander und sagen, okay, die Mannschaft ist der Papierform nach besser und gewinnt. So ist es nicht, und das ist ja auch das Schöne am Sport. Da werden Helden geboren, da gibt es aber auch harte Niederlagen und harte Tage.

Der erste Gegner am Donnerstag ist Algerien. Klingt nach Wundertüte. Wissen Sie, was da auf Sie zukommt?

Das baut sich mit der Analyse und der Vorbereitung auf. Generell gehe ich davon aus, dass es extrem körperlich wird. Es ist der Gegner, den wir auf jeden Fall auf jeden Fall schlagen müssen. Da gibt es keine zwei Meinungen.

Ist das DHB-Team der absolute Topfavorit in dieser Gruppe?

Wir spielen zu Hause, wir hatten jetzt die beste Platzierung von allen Mannschaften, wir sind schon Favorit, und diese Rolle müssen wir auch annehmen. Dennoch ist es schon eine sehr spannende Konstellation. Wir müssen aufpassen.

Dass die Verlängerung an Bedingungen geknüpft ist, zeigt nur, wie wichtig für den DHB das Erreichen des Olympiaturniers ist
Rune Dahmke zur Vertragskonstellation von Bundestrainer Alfred Gislason

Es gab Diskussionen um Alfred Gislason. Er ist nun Bundestrainer unter Vorbehalt, hat seinen Vertrag bis 2027 verlängert. Scheitert ihre Mannschaft aber in der Olympia-Qualifikation, endet der Vertrag. Wie bewerten Sie diese außergewöhnliche Konstellation?

Ich finde super, dass er bleibt. Wenn du den Halbfinal-Einzug als Ziel ansetzt und der Trainer erreicht das, finde ich die Verlängerung berechtigt. Dass sie an Bedingungen geknüpft ist, zeigt nur, wie wichtig für den DHB das Erreichen des Olympiaturniers ist.

Wie groß ist die Bedeutung von Olympia denn für die Spieler im Abgleich zu den jährlichen Großturnieren EM oder WM?

Das ist einfach etwas Besonderes. Das gibt es nur alle vier Jahre. Die Olympischen Spiele sind einfach das Größte, was es gibt. Ein Teil davon sein zu dürfen, das wäre für mich eines der größten Highlights überhaupt in meiner Karriere.

2022: Kiels Patrick Wiencek (l-r), Torhüter Niklas Landin und Rune Dahmke jubeln nach der Partie um Platz 3 beim Champions League Final Four.

2022: Kiels Patrick Wiencek (l-r), Torhüter Niklas Landin und Rune Dahmke jubeln nach der Partie um Platz 3 beim Champions League Final Four.

Wie bewerten Sie generell dies Entwicklung des DHB-Teams? An welchen Stellschrauben muss jetzt gedreht werden?

Unsere Youngsters, die sehr viel Talent haben, müssen immer mehr eingebunden werden, sie brauchen kontinuierlich Spielminuten. Zudem brauchen wir aber Kontrolle, um konstanter zu werden. Die Leistungen schwanken noch zu sehr im Spiel, aber auch von Spiel zu Spiel. Wir brauchen einen Standard, den wir immer auf die Platte bringen auf den wir uns verlassen können. Mit so einer Basis kannst du dich dann immer konstant weiterentwickeln.

Sie sind Linksaußen. Wie bewerten Sie das durchaus kritisierte Spiel über die Außen in der Nationalmannschaft?

Das ist immer auch Spielertypfrage. Wir können jetzt nicht einfach so spielen wie die Schweden oder die Dänen, die dann vielleicht mehr Würfe über die Außen haben. Ich finde, dass es besser und besser wird. Aber klar, ich bin Linksaußen, ich möchte immer den Ball haben. (lacht)

Sie haben Ihren Vertrag beim THW Kiel um zwei Jahre verlängert. Haben Sie sich schon mal Gedanken um Ihre Zukunft in der Nationalmannschaft gemacht. Gibt es da Pläne, selbst irgendwann einen Schlussstrich zu ziehen?

Für mich ist es immer eine Ehre gewesen, für Deutschland zu spielen und das wird auch so bleiben. Aber natürlich ist irgendwann die Frage, wie strukturierst du eine Mannschaft. Für mich heißt es dann: Wie geht's dir körperlich? Gerade bin ich aber einfach nur glücklich, in den vergangenen Jahren immer dabei gewesen zu sein. Es gibt für mich auch kein bestimmtes Jahr, in dem ich aufhören möchte.

Was kommt den generell für Sie nach der aktiven Karriere?

Ich glaube nicht, dass es eine Trainerkarriere wird. Aber ich kann mir auf jeden Fall vorstellen, dem Handball noch verbunden zu bleiben. Ich komme ja so ein bisschen aus der Immobilienbranche. Wir haben seit ein paar Jahren auch ein kleines Family Office, da sehe ich meine Zukunft. Aber ich könnte mir auch sehr gut vorstellen, dem THW Kiel noch erhalten zu bleiben, aber das steht wirklich noch in den Sternen. Da gab es auch noch keine konkreten Gespräche, weil ich hoffe, dass ich noch ein paar Jährchen selbst auf der Platte stehen kann.

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