Schadensbegrenzung in MüngersdorfDeutschland unterliegt Belgien 2:3 nach dramatischem Auftakt

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Romelu Lukaku, hier im Duell mit Thilo Kehrer

Romelu Lukaku, hier im Duell mit Thilo Kehrer, bereitete der deutschen Mannschaft am Dienstagabend große Probleme.

Zeitweise sah es so aus, als würde die Mannschaft von Bundestrainer Hansi Flick Köln-Müngersdorf auf eine furchtbare Blamage zuzusteuern.

Ein starker Gegner in einem bekannt stimmungsvollen Stadion – das Freundschaftsspiel zwischen der deutschen Fußball-Nationalmannschaft und Nachbar Belgien sollte nach dem 2:0 über Peru der nächste Schritt werden auf dem Weg zur Versöhnung der deutschen Elf mit ihren Fans.

Doch der Plan ging nur teilweise auf, stattdessen schien die Mannschaft von Bundestrainer Hansi Flick am Dienstagabend in Köln-Müngersdorf zeitweise auf eine furchtbare Blamage zuzusteuern. Nach neun Minuten hatte der kommende EM-Gastgeber bereits 0:2 zurückgelegen. Doch noch vor der Pause hatte Flick seine Mannschaft umgestellt und stabilisiert.

Der Bremer Mittelstürmer Niclas Füllkrug markierte in der 44. Minute per Foulelfmeter immerhin den Anschluss. In der 78. Minute erhöhte Kevin de Bruyne auf 3:1 für die Gäste, Gnabry gelang kurz vor Schluss noch der Anschluss. Die deutsche Elf war glimpflich davongekommen. Am Schluss applaudierte das Kölner Publikum.

Goretzka beginnt neben Kimmich

Flick hatte sich gegen Belgiens spielstarkes Zentrum um Superstar Kevin de Bruyne für eine etwas überraschende Mittelfeldbesetzung entschieden und Leon Goretzka an Joshua Kimmichs Seite beordert. Das war mutig, zumal der Bundestrainer in der Innenverteidigung improvisieren musste: Weil Schlotterbeck wegen muskulärer Probleme ausfiel, gab Thilo Kehrer den Innenverteidiger.

Marius Wolf, der nach anfänglichen Wacklern gegen Peru überzeugt hatte, begann erneut auf der Rechtsverteidiger-Position. In der Saison 2020/21 hatte Wolf 35 Pflichtspiele für den 1. FC Köln absolviert und war dem Kölner Publikum grundsätzlich in guter Erinnerung geblieben, wenngleich er gerade rechts in der Abwehr nicht immer überzeugt hatte. Links spielte David Raum, neben Kehrer verteidigte Matthias Ginter.

Diese Abwehr hielt exakt fünf Minuten, dann gingen die Gäste in Führung: De Bruyne spielte Yannick Carrasco auf dem linken Flügel frei, Wolf näherte sich dem Stürmer von Atlético Madrid viel zu ungestüm und wurde damit Opfer von Carrascos recht absehbarem Schlenker. Der Linksaußen ließ Marc-André ter Stegen keine Chance. 0:1, kein guter Start.

Deutsche Defensive stand zwischen Staunen und blanker Panik

Es wurde schlimmer. Drei Minuten nach der Führung erhöhte Belgien auf 2:0. Wieder kam de Bruyne im Mittelfeld an den Ball, erneut leitete er einen Treffer ein: Diesmal startete Romelu Lukaku durch die Mitte und versenkte eiskalt. Die deutsche Defensive war irgendwo zwischen Staunen und blanker Panik. In der 19. Minute hätte Belgien auf 3:0 erhöhen müssen, als Dodi Lukebakio nach einem Eckball der deutschen Elf frei auf ter Stegen zuraste, weil Marius Wolf als letzter Mann das sofortige Duell gesucht hatte, statt Tempo aufzunehmen. Doch der Angreifer von Hertha BSC schob den Ball gnädig am Tor vorbei.

Deutschland trat in diesen Minuten auf wie eine Schülermannschaft, und auf Rängen wie Rasen reifte die Erkenntnis, dass sich der DFB da einen Gast ins Haus geholt hatte, der es auf ein sehr einseitiges Fußballfest abgesehen hatte. Flicks Elf war körperlich wie spielerisch chancenlos. Sollte das der Versuch sein, 15 Monate vor der Europameisterschaft im eigenen Land die Euphorie zu wecken: Er ging schief.

Flick wechselte die Formation

Nach einer halben Stunde musste Florian Wirtz vom Platz, keine zehn Kilometer entfernt von seinem Elternhaus in Pulheim-Brauweiler. Für den beim 1. FC Köln ausgebildeten Leverkusener kam Felix Nmecha. Flick wechselte die Formation, Wirtz war das taktische Opfer. Ein erklärbarer, aber brutaler Wechsel für den 19-Jährigen.

Der Versuch mit Leon Goretzka endete in derselben Minute; den angeschlagenen Münchner ersetzte Emre Can, der innerhalb weniger Minuten allein durch seine Fähigkeiten, den Körper in den Weg zu stellen, zum wichtigsten Mann im DFB-Trikot wurde und mit einer Risikogrätsche gegen Castagne die beste deutsche Defensivaktion des ersten Durchgangs verbuchte.

Füllkrug ist zur Stelle

Überhaupt gelang es dem viermaligen Weltmeister noch vor der Pause, das Drama auf dem Platz ein wenig zu kaschieren. Als Kimmich eine Ecke an den ersten Pfosten schlug, war Niclas Füllkrug zur Stelle, Lukaku schlug den Ball mit dem Arm aus dem Tor – Elfmeter, Füllkrug verwandelte. Es war für den Bremer der sechste Treffer im sechsten Länderspiel.

Das Kölner Publikum reagierte frenetisch, man ist in Müngersdorf daran gewöhnt, Außenseiter zu unterstützen. Die Wechsel hatten der deutschen Elf geholfen. Nach der Pause gelang es Flicks Mannschaft, das Geschehen phasenweise einigermaßen ausgeglichen zu halten. Eine knappe Stunde war gespielt, als Timo Werner den vermeintlichen Ausgleich erzielte. Doch Schiedsrichter Willy Delajod aus Frankreich annullierte das Tor wegen einer Abseitsposition.

Dann traf de Bruyne, doch erneut schlug die deutsche Mannschaft zurück, als Gnabry drei Minuten vor Schluss noch das 2:3 gelang. Die Ränge kamen noch einmal, doch mehr gelang der DFB-Auswahl nicht mehr.


Deutschland: ter Stegen - Wolf (80. Vagnoman), Ginter, Kehrer, Raum (68. Günter) - Kimmich, Goretzka (32. Nmecha) - Gnabry, Wirtz (32. Can) - Füllkrug (80. Berisha), Werner (80. Schade). Belgien: Casteels - Castagne, Faes, Vertonghen (46. Saelemaekers), Theate - De Bruyne (79. Openda), Onana, Mangala (79. Lavia) - Lukebakio (58. Bakayoko), Romelu Lukaku (68. De Ketelaere), Carrasco (58. Trossard). – Schiedsrichter: Willy Delajod (Frankreich). – Zuschauer: 42910. Tore: 0:1 Carrasco (6.), 0:2 Romelu Lukaku (9.), 1:2 Füllkrug (44., Handelfmeter), 1:3 De Bruyne (78.), 2:3 Gnabry (87.).

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