Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Historischer SiegWie sind Sie 1981 Fußball-Weltmeisterin geworden – ohne deutsche Nationalmannschaft?

6 min
Petra Landers, eine der ersten deutschen Fußball-Nationalspielerin und Weltmeisterin

Petra Landers ist eine der ersten deutschen Fußball-Nationalspielerinnen und Weltmeisterin.

Mit ihrem Bergisch Gladbacher Verein trat Petra Landers 1981 gegen Frauen-Nationalmannschaften an – und gewann. Ein Interview über den DFB, Waffeln und Stolz.

Die 19-jährige Petra Landers war 1981 gerade erst von TuS Harpen in Bochum aus der Landesliga zum Bergisch Gladbacher Verein SSG09 gewechselt. Die Mittelfeld-Spielerin gehörte nach kurzer Zeit schon zum festen Kader und reiste mit zur inoffiziellen Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen in die taiwanische Hauptstadt Taipeh und wurde mit ihrem Team Weltmeisterin. Ein Jahr später, als die deutsche Frauen-Nationalmannschaft gegründet wurde, gehörte Petra Landers, durch Empfehlung der Trainerin der SSG09, zur offiziellen deutschen Frauen-Nationalmannschaft. Im Interview erzählt sie von der Reise nach Taiwan und den Folgen.

Wie erinnern Sie sich an die Einladung Ihrer Mannschaft nach Taipeh?

Der Deutsche Fußballbund hatte eine offizielle Anfrage von Taiwan erhalten, mit der Bitte, die deutsche Frauen-National-Mannschaft zum Wettbewerb zu schicken. Aber die gab es ja gar nicht! Darum hat der DFB die Anfrage an die SSG09 Bergisch Gladbach weitergeleitet. Die SSG09 war die beste Frauenfußballmannschaft in Deutschland in den 70ern und 80ern, mit einigen Titeln wie Deutsche Meisterinnen und vieles mehr. Damit war dann der DFB auch raus aus der Verantwortung.

Wussten Sie damals überhaupt, wo Taiwan liegt?

Nein, ich musste das erst in einem Atlas aufschlagen, da es ja damals noch kein Internet gab. Hinzu kam, es war mein erster Flug und der dauerte 16 Stunden.

Wie hat das Team die Fahrt nach Taiwan finanziert?

Wir, die Spielerinnen der SSG09 hätten gar nicht das Geld gehabt, denn einige von uns waren noch in der Ausbildung. Wir haben uns Gedanken gemacht, wie wir als Spielerinnen es mit unterstützen können, Geld reinzuholen. Wir haben vorab viele Waffeln gebacken und sie auf der Einkaufsstraße in Bergisch Gladbach verkauft. Autogrammstunden haben wir auch gegeben, auch dadurch bekamen wir etwas Geld dazu. Natürlich musste unser Vorstand noch Sponsoren für diese Reise finden, was anfangs nicht einfach war. So kam das Geld nach und nach zusammen. Der DFB hat uns mit keiner Mark unterstützt.

Mit was für einem Gefühl sind Sie zu diesem Turnier nach Taiwan gefahren?

Mit einem so großen Event hatte ich persönlich in meinem Leben noch nie zu tun, ich kam ja gerade erst von der Landesliga zur SSG09. Die Spielerinnen von der SSG09 hatten mit großen Turnieren schon viel mehr Erfahrungen gemacht, weil sie in Deutschland schon viele Titel gewonnen hatten. Trotzdem war allen klar: In Taiwan erwarten uns Teams, die schon in offiziellen Nationalmannschaften spielten und trainierten.

Was war die größte Herausforderung bei der Reise?

Von der Arbeit frei zu bekommen, aber mein Chef sagte, ich solle den Rektor der Berufsschule fragen, wenn der zustimmt, sei es kein Problem. Die einzige Forderung, die der Rektor hatte, ich sollte ihm eine Postkarte aus Taiwan schicken, was ich auch tat.

Dann war es die hohe Luftfeuchtigkeit und Hitze. Das war wie eine Wand, als wir aus dem Flugzeug gestiegen sind. In diesem Klima hatten wir neun Spiele in elf Tagen plus Training und weitere Termine. Das war extrem anstrengend. Für uns waren auch das Essen und die Gerüche auf den Straßen total ungewohnt. Damals gab es in Deutschland noch keine asiatischen Restaurants, deshalb war es etwas ganz Neues für uns und unsere Mägen. Ich habe in der Zeit sehr wenig gegessen und mich vor allem nur von Süßigkeiten ernährt, wie auch einige andere aus unserem Team.

Petra Landers bei der Macherinnen-Award-Preisverleihung 2025 im Senftöpfchen

Petra Landers bei der Macherinnen-Award-Preisverleihung 2025 im Senftöpfchen

Was haben Sie gedacht, als der Schlusspfiff kam im Finale, bei dem es in Strömen regnete, und Sie Weltmeisterin waren?

Es war unmöglich darüber nachzudenken, was wir in diesem Moment geschafft haben. Wir waren aber unbeschreiblich glücklich, dieses Turnier überstanden zu haben, trotz der minimalen Unterstützung. Wir hatten nur einen Physiotherapeuten bei uns, der mit uns reiste. Dass wir dann auch noch gewonnen haben, hat uns natürlich überglücklich und stolz gemacht.

Wie wurden Sie nach Ihrer Rückkehr empfangen?

Der Bürgermeister von der Stadt Bergisch Gladbach hat uns im Rathaus mit einem Glas Sekt empfangen und wir durften uns ins Goldene Buch der Stadt eintragen. Vor dem Rathaus waren auch viele Fans, die uns begrüßen wollten.

Der Weltmeisterinnen-Pokal aus dem Jahr 1981

Der Weltmeisterinnen-Pokal aus dem Jahr 1981

Hat der Bundespräsident Ihnen gratuliert?

Nein, ich weiß auch nicht, ob er davon wusste. Bis heute hat uns der DFB auch nicht gratuliert, nicht ein Wort darüber verloren.

Gab es noch nicht einmal ein Teeservice, wie es spätere Frauen-Mannschaften bekommen haben?

Nein, wer hätte es uns auch schenken sollen? Diese Idee kam erst 1989 auf, bei dem Sieg der Europameisterschaft im eigenen Land.

„Fußball ist nichts für Mädchen“, das war damals noch eine gängige Meinung. Wie oft haben Sie den Spruch gehört?

Sehr oft in meiner Kindheit, aber auch noch heutzutage kommen diese Sprüche aus irgendwelchen Ecken. Aber da konnten wir sehr schnell mit umgehen. Der DFB hatte Frauen-Mannschaften zwischen 1955 und 1970 ja auch noch verboten, Vereine die dem DFB angeschlossen waren, hatten natürlich Angst, dass man denen alle Lizenzen entzieht, wenn sie Frauen-Mannschaften zulassen. Aber dieses Problem hatten auch andere Länder wie z.B. England.

Das Team der Bergisch Gladbach SSG 09 bei der Weltmeisterschaft in Taiwan.

Das Team der Bergisch Gladbach SSG 09 bei der Weltmeisterschaft in Taiwan.

Wie sind Sie überhaupt zum Fußball gekommen?

Mein Cousin hat mich mitgenommen zum Fußballspielen mit seinen Freunden, als ich acht Jahre alt war. Das hat mir großen Spaß gemacht. Danach habe ich überall Fußball gespielt, mit den Jungs. Ob es auf dem Schulhof war oder mit den Nachbarsjungen, ich war immer bereit. Ich habe einfach gemerkt: Der Ball liegt mir.

1982 hat der DFB dann endlich eine Frauen-Nationalmannschaft gegründet, Sie haben die Position Libero gespielt. War der DFB letztlich doch begeistert über Ihren Erfolg?

Natürlich haben wir erst gedacht: Jetzt haben die Herrschaften endlich gesehen, Frauen können auch Fußball spielen. Dass der DFB die Frauen-Nationalmannschaft gegründet hat, lag aber wohl eher an der Sorge davor, dass die Frauen sich mit einem eigenen Frauen-Fußballverband selbstständig machen wollten.

Die Trainerin Anne Trabant-Haarbach, die Ihr Team zu Weltmeisterinnen und Deutschen Meisterinnen gemacht hat, wurde nicht zur Trainerin der neuen Nationalmannschaft gewählt. Wie haben Sie das empfunden?

Der DFB hat sich für Gero Bisanz entschieden, obwohl Anne eine wahnsinnig gute Trainerin war. Ihr wurde dann vorgeschlagen, Co-Trainerin von Bisanz zu sein, sollte aber auch noch als Spielerin auf dem Platz erscheinen. Das war keine Wertschätzung für ihre Erfolge, die sie bis dahin als Trainerin hatte. Aber Gero Bisanz war natürlich ein Mann. Und ich habe gehört, dass er damals von vielen auf die Schippe genommen worden ist, dass Scherze gemacht wurden.

Vier der ehemaligen Spielerinnen der SSG 09 Bergisch Gladbach bei der Preisverleihung des Macherinnen-Award, darunter auch Petra Landers (zweite v.l.)

Vier der ehemaligen Spielerinnen der SSG 09 Bergisch Gladbach bei der Preisverleihung des Macherinnen-Award, darunter auch Petra Landers (zweite v.l.)

So nach dem Motto: Wenn man im Männer-Fußball nicht genügend erreicht, wird man halt Trainer der Frauen-Nationalmannschaft?

So würde ich das ausdrücken.

1984 dann folgte die erneute Einladung von Taiwan – damals gab es ja dann schon die Nationalmannschaft, auch wenn die zu einem größeren Teil aus den Bergisch Gladbacher Spielerinnen bestand. Warum ist dann nicht die Nationalmannschaft, sondern noch einmal die SSG 09 nach Taiwan geflogen?

Taiwan hatte den Sieger von 1981 für das nächste Turnier eingeladen, und das war die SSG09. Diese Reise wurde von Taiwan finanziert, warum sollte dann ausgerechnet die DFB-Auswahl dort hin? Das ist unser Turnier, haben wir gesagt. Und zu Recht, weil wir wieder gewonnen haben. Ich war leider verletzt und konnte nicht dabei sein, erst wieder 1987.

Sehen Sie sich als Wegbereiterin für den wachsenden Erfolg des Frauen-Fußballs?

Mittlerweile ja. Früher haben wir einfach nur Fußball spielen wollen und haben uns dafür durchgesetzt. Egal, welche Steine man uns in den Weg gelegt hat, unsere Leidenschaft zum Fußball konnte uns niemand nehmen. Und die Art und Weise, wie wir gekämpft haben, war rückblickend doch vorbildlich. Vielleicht noch ein Beispiel: Als ich 1989 zur Frauen-EM antreten sollte, wollte mein Chef mir keinen Urlaub dafür geben, weil er eine Kur gebucht hatte. Ich habe ihm gesagt, er kann zur Kur, aber ich kündige hiermit. Da hat er mich doch fahren lassen, hat seine Kur verschoben. Stellen Sie sich mal vor, einer seiner Mitarbeiter wäre Nationalspieler gewesen und hätte zur EM fahren wollen? Da wäre das doch nie Thema gewesen! Und wer saß in Osnabrück beim Endspiel im Stadion? Mein Chef.  Hätte er an diesem Tag den Kicker gelesen, hätte er lesen können, was für ein unfairer Chef er war.

Was wünschen Sie dem Frauen-Fußball?

Ich wünsche mir, dass die Leidenschaft der Frauen im Fußball nie erdrückt wird vom Geld.