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Im ZDF-Olympia-StudioDeutsche Handballer geben betrunken Interview nach Bronze-Sieg

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Gruppenfoto der deutschen Handball-Nationalmannschaft: Die „Bad Boys“ holten Bronze bei den olympischen Spielen in Brasilien.

Köln – Nach der Siegerehrung zu Bronze war die Deutsche Handball-Nationalmannschaft der Herren zum Interview im ZDF-Olympia Studio eingeladen. Das Interview mit den „Bad Boys“ (Spitzname der Mannschaft seit dem Europameister-Titel im Januar) begann vielversprechend.

Rudi Cerne: „Uwe Gensheimer, können Sie noch sprechen, ich meine, Sie haben ja schon ganz gut getankt?“

Uwe Gensheimer: „Ja, wir mussten bis 17 Uhr durchhalten, und danach ist .. äh… freilaufen.“

Nicht nur der Kapitän bemühte sich nach Kräften, auf die Fragen des ZDF-Moderators Rudi Cerne zu antworten. Einigen der sichtlich angetrunkenen Spielern fiel das nicht leicht. Manch einer scheiterte bereits an dem Wort „Ambitionen“.

Nur einer gab sich eher wortkarg: Trainer Dagur Sigurdson. Auf die Frage, was er vom gehaltenen Siebenmeter von Torwart Silvio Heinevetter halte und wie entscheidend die Aktion für den weiteren Verlauf des Spiel war, sagte er: „Ja, es war hervorragend gemacht.“

Finn Lemke erschien als „Sklave“ von Oliver Roggisch

Abwehrchef Finn Lemke erschien mit einer dicken Fahrradkette um den Hals im Studio. Er sei heute leider nur der Sklave von Oliver Roggisch, er müsse alles machen, was dieser „sacht“ und dürfe keinen Kommentar geben.

Selbst Tobias Reichmann, der noch am nüchternsten wirkte, konnte das Wort „Ambitionen“ erst nach dem fünften Anlauf aussprechen, die Mannschaftskollegen quittierten seine Versuche mit heftigem Gelächter. Der neben ihm sitzende, selig grinsende Paul Drux hatte, wie gelegentliche Kameraschwenke zeigten, Mühe, die Augen aufzuhalten. 

„Ich versuche mir in etwa vorzustellen, wie es heute weitergeht?“, fragte Cerne, der die feuchtfröhliche Stimmung tapfer über sich ergehen ließ und während des gesamten Interview gelassen blieb. 

„Wir wissen es selbst nicht so ganz genau", erklärte Kapitän Uwe Gensheimer. Man versuche, im deutschen Haus noch das Möglichste an Restbeständen herauszuholen. „Vielleicht gibt’s noch was aufn Grill und was zu essen wäre auch nicht schlecht.“  (ble)

Das ganze Interview finden Sie hier.

Party-Marathon wird erst am Dienstag enden

Bereits auf dem Heimweg ließ die Mannschaft es mächtig krachen - die Spieler hüpften so sehr auf und ab, dass der klapprige Linienbus kurzzeitig sogar umzukippen drohte. „Ich werde die Mannschaft in den nächsten paar Stunden nicht steuern“, hatte Sigurdsson nach dem olympischen Medaillen-Coup der Handballer gesagt und damit den Startschuss für einen regelrechten Party-Marathon gegeben.

Der wird erst am Dienstag beim Empfang der Olympia-Mannschaft auf dem Frankfurter Römer enden. Bronze am Zuckerhut hatte bei den deutschen Europameistern aber nicht nur Bierdurst verursacht, sondern vor allem Hunger. Hunger auf mehr. „Die nächsten Turniere dürfen ruhig schnell kommen“, sagte Sigurdsson. Er weiß: Die Aussichten sind golden. Das von der Verbandsspitze ausgegebene Fernziel Olympiasieg in Tokio scheint nach den famosen Auftritten von Rio mit dem 31:25 zum Abschluss gegen Polen realistischer denn je.

Gute Aussichten für die WM 2017 in Frankreich

„2020 haben wir alle Chancen, wir haben schließlich eine sehr junge Mannschaft“, sagte Keeper Wolff und versprach wild entschlossen, schon bei der WM Anfang 2017 in Frankreich „wieder ein Wort um die ersten Plätze“ mitzureden. Sieben Monate nach dem überraschenden EM-Triumph vollzog die DHB-Auswahl mit der ersten Medaille seit zwölf Jahren endgültig die Rückkehr in die Weltspitze. „Zum aktuellen Zeitpunkt sind wir dort, ja“, sagte Kapitän Uwe Gensheimer, „aber wir müssen das immer wieder neu bestätigen, bei jedem Turnier.“

Ungeachtet der mahnenden Worte des Linksaußen halten es nicht wenige in der Szene für möglich, dass die Mannschaft in den kommenden Jahren eine neue Ära prägen wird. In Brasilien erwischten Wolff und Co., allesamt Olympia-Debütanten, nicht bloß die perfekte Welle wie zu Jahresbeginn in Polen. Die plötzliche Bürde des Mitfavoriten schien das Team nicht im geringsten zu stören.

Bis Tokio ist es noch lange hin

„Es ist schön, dass wir gezeigt haben, dass das im Januar keine Eintagsfliege war“, sagte Steffen Weinhold, „und wir sind noch lange nicht am Ende.“ Es werde ein „harter Weg“, das Niveau zu stabilisieren, sagte DHB-Vizepräsident Bob Hanning, „aber man muss auch sagen, dass andere Mannschaften große Spieler abgegeben werden und wir welche dazukriegen.“

Wohl wahr: Während die alternden Franzosen um Superstar Nikola Karabatic den Zenit ihres Schaffens überschritten haben, besitzt das junge deutsche Team noch reichlich Potenzial - und ein großes Reservoir an Nachwuchskräften. Mit EM-Silber deuteten kürzlich auch die Junioren neue Qualität an. „Bis Tokio ist es noch lange hin“, sagte Sigurdsson nach dem Coup von Rio. Doch auch der Isländer dachte wohl schon an die nächsten Heldentaten, als er plötzlich mit leuchtenden Augen anfügte: „Unser Ziel ist erst mal die WM in Frankreich.“ (sid)