Deutschland ist auf WM-Kurs. Doch die beiden Siege gegen zehn Luxemburger und am Ende dominante Nordiren sollten zu denken geben.
DFB-Elf krampft sich zum SiegFür mehr als das Nötigste reicht es derzeit nicht


Bundestrainer Julian Nagelsmann
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Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft hat zwei Spieltage vor dem Ende der Qualifikation sehr gute Aussichten auf die Teilnahme an der Weltmeisterschaft, sie kann Gruppenplatz eins aus eigener Kraft verteidigen. Vor einigen Wochen wäre diese Aussage mit Blick auf die Gegner – Slowakei, Nordirland und Luxemburg – wohl noch belächelt worden. Mitte Oktober ist sie aber Grundlage der kollektiven Erleichterung beim DFB. Denn das blamable 0:2 zum Auftakt in Bratislava gegen die Slowaken hatte Spuren hinterlassen und die Selbstverständlichkeit, Deutschlands Teilnahme an der WM, infrage gestellt.
Julian Nagelsmann rührt Beton gegen Nordirland an
Die Spuren sind auch nach den beiden Oktober-Siegen nicht beseitigt – trotz einer objektiv perfekten Ausbeute von sechs Punkten und 5:0 Toren. Denn weder beim 4:0 gegen zehn Luxemburger noch beim 1:0 gegen in der Schlussphase dominante Nordiren überzeugte Deutschland auf eine Weise fußballerisch, wie es ein selbsternannter Titel-Aspirant können sollte. Bezeichnend: In Belfast wechselte Julian Nagelsmann in der 87. Minute mit Robert Andrich und Waldemar Anton zwei gelernte Zerstörer für die deutlich offensiveren Aleksandar Pavlovic und Serge Gnabry ein, um die knappe Führung über die Zeit zu retten. Der Plan schien dem Bundestrainer erfolgversprechender, als mit eigenem Ballbesitz auf ein zweites Tor zu spielen. Und selbst mit dem angerührten Beton wurde es in der Nachspielzeit noch einmal brenzlig. Doch am Ende wurde die Pflicht schmucklos erfüllt – dank Nick Woltemades Schulter und dem fünften Standard-Tor von insgesamt acht Quali-Treffern. Für viel mehr als das Nötigste reicht es derzeit offenbar nicht.
Nun wurde als positiver Entwicklungsschritt herausgestellt, dass die DFB-Elf den „Kampf angenommen“ und wieder die notwendige „Intensität und Leidenschaft“ gezeigt habe. Im Vergleich zum an Arbeitsverweigerung grenzenden Auftritt von Bratislava ist das sicher richtig, doch beschreibt der Fortschritt lediglich die Rückkehr zu den grundlegenden Anforderungen an eine Fußballmannschaft. Alles darüber hinaus muss Bundestrainer Nagelsmann erst wieder entwickeln.
Es gibt Ansätze, die Hoffnung machen
Zumindest gibt es einige Ansätze, die Hoffnung machen. Die Abkehr von der Maxime etwa, dass Joshua Kimmich im zentralen Mittelfeld spielen muss. Oder die sich abzeichnende Rückkehr von Jamal Musiala, der in den kommenden Wochen das Training beim FC Bayern wieder aufnehmen wird. Sowie die ansteigende Formkurve des England-Legionärs Woltemade. Dem Bundestrainer steht genug Qualität zur Verfügung, um andere Herausforderungen als eine Abwehrschlacht in Nordirland zu meistern. Das passende Gerüst, um die Individualisten zu einer WM-tauglichen Einheit zu formen, muss Nagelsmann aber erst noch finden. Viel Zeit bleibt ihm nicht.
Die beiden verbleibenden Qualifikationsspiele Mitte November in Luxemburg und in Leipzig gegen die Slowakei sind gute Gelegenheiten, um weitere Fortschritte zu präsentieren und den Übergang ins WM-Jahr nicht in einem Sog der Ungewissheit zu verbringen.