Wimbledon-WunderTatjana Maria begeistert nach Schicksalsschlägen die Tenniswelt

Tatjana Maria nach ihrem Sieg im Achtelfinale
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Köln – Barbara Rittner sollte an diesem Dienstag in Wimbledon sein, wenn Tatjana Maria (34) und Jule Niemeier (22) im deutschen Viertelfinale des bedeutendsten Tennis-Turniers der Welt gegeneinander spielen. Doch die Chefin des deutschen Damen-Tennis wurde von Corona an der Reise nach London gehindert und verfolgt das Ereignis von Köln-Mülheim aus. „Dass es zu dieser Paarung kommen würde, damit konnte niemand rechnen“, sagt Rittner dem „Kölner Stadt-Anzeiger“, „jede für sich hatte schon eine gewisse Chance, aber in der Konstellation kommt es sehr überraschend.“
In diesem Spiel, das eine deutsche Wimbledon-Halbfinalistin garantiert, treffen zwei Tennis-Generationen aufeinander, die Rittner beide begleitet hat und begleitet. „Tatjana Maria kenne ich seit dem Teenager-Alter. In der damaligen U 18 war sie weiter als Angelique Kerber und Andrea Petkovic“, erklärt die langjährige Bundestrainerin, die Zeugin wurde, wie ein dramatischer Verlust die junge Spielerin, die damals noch Tatjana Malek hieß, zurückgeworfen hat. Ihr Vater Heinrich, ein ehemaliger polnischer Handball-Nationalspieler, starb 2008 an Krebs, nachdem seine Tochter eine lebensgefährliche Thrombose überwunden hatte. „Er hat sie sehr gefördert und unterstützt und sich im Gespräch mit mir ausdrücklich gewünscht, dass Tatjana ihre Karriere weiter verfolgt“, sagt Rittner.
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Mit ihrem Trainer und späteren Ehemann Charles Edouard Maria, den sie 2013 heiratete, stieß die Deutsche in die Top 50 der Welt vor, gewann zwei WTA-Turniere, blieb aber stets im Schatten der Hauptdarstellerinnen Angelique Kerber und Andrea Petkovic. Schließlich ging sie nach der Geburt ihrer heute achtjährigen Tochter Charlotte den Weg als Tennis-Mutter, die mit ihrer Familie um die Welt reist. Seit der Geburt ihrer zweiten Tochter Cecilia vor 15 Monaten ist Tatjana Maria die einzige aktive Profi-Spielerin mit zwei Kindern und damit ein Vorbild für ein neues Rollen-Modell im Damen-Tennis. „Tatjana ruht völlig in sich, sie hat ein riesengroßes Herz und ist ein guter Mensch. Wenn ich sehe, wie sie mit ihrer Familie an ihrer Seite als Tennis-Spielerin diesen Erfolg hat, dann geht mir das Herz auf“, sagt die langjährige Weggefährtin Barbara Rittner.
Jule Niemeier repräsentiert nach dem Achtelfinalsieg über die Britin Heather Watson die andere, zuletzt heftig bemängelte Seite des deutschen Damen-Tennis. Den Nachwuchs. Seit Jahren muss sich Barbara Rittner mit der Kritik auseinandersetzen, dass keine der jungen Spielerinnen den Durchbruch schafft. Die 22-jährige Jule Niemeier hat mir ihren Siegen in Wimbledon, unter anderem gegen die Weltranglisten-Dritte Anett Kontaveit aus Estland, alle verblüfft. Barbara Rittner aber nicht. „Dass Jule alle Möglichkeiten und alle Waffen hat, um den Durchbruch zu schaffen, weiß ich schon lange. Sie hat die Power und auch ein feines Händchen. Bei ihr ist es eine Kopfsache“, sagt die Bundestrainer, die in der Trainerkombination Michael Geserer/Christopher Kas und einer neuen Leidenschaft der Dortmunderin die Faktoren für den aktuellen Erfolg sieht. Nach oben scheinen Jule Niemeier kaum Grenzen gesetzt.

Jule Niemeier
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Die beiden Deutschen gehen entspannt in das ungewöhnliche nationale Duell. „Wir spielen oft gegen Leute, die wir mögen“, sagte Tatjana Maria, „ich glaube, wir kriegen das beide gut hin, dass wir rausgehen, unser bestes Tennis spielen, und danach ist alles wieder in Ordnung.“ Niemeier sieht es ebenso. „Ich freue mich extrem. Für mich hat das nur positive Seiten. Es wird auf jeden Fall eine Deutsche im Halbfinale von Wimbledon stehen.“ Die Fachwelt sieht in Jule Niemeier mit ihrem starken Aufschlag und ihrem Powertennis die leichte Favoritin. Die Wettanbieter sehen sie als 15:10-Favoritin. Für Tatjana Maria eine ganz normale Situation. Sie war vor jedem ihrer drei Siege klare Außenseiterin und hat mit ihrer Ausdauer und Geduld zuletzt auch die lettische Hochgeschwindigkeitsspielerin Jelena Ostapenko zermürbt.
Für beide Deutschen hält das Turnier im Jahr des Ausschlusses russischer und belarussischer Profis durch die britischen Behörden allerdings einen großen Wermutstropfen bereit. Es werden keine Weltranglistenpunkte vergeben. Das haben die großen Tennis-Organisationen, die gegen den Ausschluss waren, so beschlossen. Barbara Rittner findet das nicht gut: „Man hätte eine andere Lösung finden können, dass Punkte vergeben werden und die ausgeschlossenen Spielerinnen ihre Punkte nicht verlieren, zum Beispiel. So ist das jetzt extrem bitter für Jule und Tatjana, die beide um Platz 100 in der Weltrangliste stehen und jeden Punkt brauchen, um bei den US Open ins Hauptfeld zu kommen. Das kann jetzt eng werden. Und ihre Leistung in Wimbledon wird nicht belohnt. Das finde ich sehr schade.“