Lost places-FotografenZwei Oberberger spüren verlorene Orte auf

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Ein verlassenes Schwimmbecken ohne Wasser. Über dem Rand liegt Absperrband.

Ein ehemaliges Freibad nahe Hannover. Diesen Lost Place haben zwei Oberberger gefunden.

Lindlar/Engelskirchen – Hierhin die Details vom sowjetischen Übungspanzer, dort die Drohnenaufnahmen vom „Horrorhaus“ in der Uckermark und natürlich ein eigener Ordner für die Querformate aus dem Stasi-Schloss. Akribisch sortieren Oliver Müller (52) aus Lindlar und sein Engelskirchener Kumpel Alexander Kurtsiefer (47) die Bilder ihrer jüngsten Reise am Tablet – und diese Aufnahmen unterscheiden sich deutlich von den Urlaubsfotos der allermeisten anderen Menschen.

Gerade sind die beiden oberbergischen Fotografen von einem Trip in den Osten der Republik zurückgekehrt. Die Reise brachte sie erneut zu sogenannten „lost places“: Verlassene und verfallene Orte, an denen einst das Leben pulsierte, hunderte Menschen arbeiteten oder Erholung suchten, an denen heute aber vor allem Rost, Dickicht und Graffiti zu sehen und eben zu fotografieren sind. Gerade das Grün der Büsche und Bäume, die sich allmählich etwa in früheren Fabrikhallen ausbreiten, betone die farbigen Kunstwerke der Sprayer auf einem Foto ausgezeichnet, sind sich Müller und Kurtsiefer einig.

Unterwegs im Norden Brandenburgs

Geplant hatte das Duo ein Wochenende rund um die Stadt Templin im Norden Brandenburgs. Vorausgegangen war viel Vorbereitung mit Kartenmaterial und der Suche nach Tipps von Gleichgesinnten im Internet. „Man muss sich das so vorstellen, dass eine Route festgelegt wird – und wenn man dann unterwegs ist, ändert man den Plan doch wieder und verlässt sich auf seinen Instinkt, das läuft jedes Mal so“, erklärt Müller mit einem Schmunzeln. Denn das Hobby ist nicht ungefährlich

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Erster Halt auf dem Weg nach Brandenburg war ein ausgedientes Freibad im Raum Hannover, das die Oberberger voll bepackt erkundeten. „Eine Kamera vor der Brust, um den Weg dorthin zu dokumentieren, die große Fototasche an der Seite und auf dem Rücken die Drohne“, beschreibt Müller den Standard, wenn es ins Unterholz geht. Zumindest in Hannover schleppte er die Drohne allerdings vergeblich. „Das Schwimmbecken lag in der Einflugschneise des Flughafens, das war uns viel zu heikel.“

Fotos in sowjetischem Fliegerhorst

Weiter ging es zu einer einstigen Fabrik östlich von Braunschweig. Hier hatten Arbeiter vor Jahren mit dem Abriss des Verwaltungsgebäudes begonnen – dann aber offenbar abrupt die Baustelle verlassen. Sogar die Container, in denen die Einzelteile der Büros landen sollten, seien noch vor Ort, beschreibt Müller. „Überhaupt fragt man sich ständig, weshalb sich niemand um solche Orte kümmert – wo Bauland doch so begehrt ist.“

Nahe Berlin entdeckten Kurtsiefer und Müller einen verlassenen sowjetischen Fliegerhorst, auf dem einst bis zu 15 000 Rotarmisten stationiert waren, wie die Fotografen recherchiert haben. Das Stahlskelett des Hangars, die roten Backsteingebäude und auch der inzwischen zugewachsene Fußballplatz, von dem nur noch die Pfosten sichtbar sind, wurden aus unterschiedlichen Perspektiven vor die Linsen gerückt. Die Oberberger dokumentierten, dass die Sowjets ihre Waschräume offenbar am liebsten in Rosa fliesten und an jedem freien Plätzchen ein Emblem mit Hammer und Sichel montierten.

„Lost Place“: Bauernhof in Mecklenburg-Vorpommern

Ein verrosteter FliegerhorstAls „Highlight der Reise“ bezeichnen beide die Stippvisite zu einem ehemaligen Urlaubsdorf für Stasi-Obere mit angeschlossenem Zeltplatz der Jungpioniere. „Die wussten schon, wie man es sich gut gehen ließ“, nickt Müller beim Anblick der Bilder, die die Überbleibsel gigantischer Hallen, Terrassen im Grünen und überdachter Swimmingpools zeigen. In manche Bauten kamen allerdings selbst die erprobten Fotografen nicht hinein – zu viel Zeit ist schon seit dem letzten Urlaubsgast vor der Wende vergangen, die Natur hat sich zu breit gemacht.

Zum Abschluss des Wochenendes stand der Besuch eines Bauernhofes in Mecklenburg-Vorpommern an, das in der Szene als „Horrorhaus“ verschrien ist. Angeblich, so die Gerüchte, lebte dort eine Frau mit über 230 Hunden, bis die Behörden auf die Zustände aufmerksam wurden. „In den Räumen liegt der Müll einen Meter hoch. Allerdings weiß man nicht, ob er von der früheren Bewohnerin stammt oder nach ihrem Tod dorthin gebracht wurde“, erklären die Fotografen.

Oliver Müller entdeckte seine Passion für die verlassenen Orte mitten in Oberberg. Der heutige Lindlarer wohnte früher in Hülsenbusch und fuhr regelmäßig durch das Lambachtal – vorbei an den Fabrik-Ruinen zwischen Wahlscheid und Oesinghausen. Irgendwann hielt er einfach an und stieg mit der Kamera aus.

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Zusammen mit Alex Kurtsiefer tüftelt er bereits an der Tour 2023. Diesmal soll das Dreieck zwischen Sachsen, Bayern und Tschechien das Ziel sein. Wahrscheinlich wird aber dieser Plan letztlich dem Gespür für außergewöhnliche Kulissen weichen.

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