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Sperrung der Wiehltalbrücke wäre eine Katastrophe

4 min
Zu sehen ist die Wiehltalbrücke aus der Vogelperspektive

Wie lange kann die Wiehltalbrücke noch genutzt werden? Die Sorge von IHK und Unternehmen ist, dass sie komplett gesperrt wird. 

Unsere Zeitung hat mit der IHK und Vertretern der oberbergischen Wirtschaft über eine drohende Sperrung der Wiehltalbrücke gesprochen.

Was eine Sperrung der maroden Wiehltalbrücke bedeuten würde, darüber hat diese Zeitung am Mittwoch mit Vertretern der Wirtschaft sowie der Industrie- und Handelskammer gesprochen. Industrieunternehmen waren dabei genau so vertreten wie Logistiker, der Lebensmittelgroß- und Einzelhandel und ein Dienstleister im Medizinbereich. Der Tenor der Unterredung lässt sich einfach auf den Punkt bringen: Eine Sperrung der Brücke und damit eine Verlagerung des Verkehrs in das Aggertal zwischen Engelskirchen und Vollmerhausen wäre eine „Katastrophe“, wie alle überstimmend sagten. Von den zuletzt aufgebrachten Markierungen auf der Brücke, die Lkw-Fahrer dazu bringen sollen, auf der Brücke Abstand zum Vordermann zu halten, wird nichts gehalten.

Deutlich wurde aber vor allem, dass es nicht nur um die Staus im Aggertal bei einer Vollsperrung geht, die anzunehmenden Folgen gehen viel weiter. Sven Gebhard, Chef der Waldbröler Firma GC-heat und zugleich Vorsitzender der Beratenden Versammlung Oberberg in der IHK Köln, machte eingangs deutlich, dass eine Sperrung der Wiehltalbrücke unmittelbare und äußerst negative Auswirkungen auf den Abtransport teils schwerer Güter von Oberberg aus in Richtung der Umschlagplätze Köln-Eifeltor oder den Häfen bis nach Rotterdam zur Folge haben würden.

Mögliche Sperrung: Mitarbeitende schauen sich nach anderen Jobs um

Auch die Folgen für die Beschäftigten, die nach Oberberg einpendeln, müssten gesehen werden. Schon jetzt gebe es Mitarbeitende, die sich nach anderen Jobs umschauen würden, weil sie die drohenden Zeiten im Stau nicht auf sich nehmen wollen. Gebhard sieht aber auch die Gefahr, dass der Standort Oberberg mit seinen Vorteilen wie etwa der Nähe zu drei Flughäfen Schaden nehmen könne. Und sogar die Rolle als Tourismusstandort sieht der Waldbröler in Gefahr, wenn der Verkehr auf der Wiehltalbrücke zum Erliegen käme.

IHK-Vizepräsident Hendrik Pilatzki, Chef der Ründerother Firma August Jaeger Nachf., die auch die Hit-Märkte und Tankstellen betreibt, fürchtet, dass die Anlieferung und Auslieferung von Lebensmitteln in die Märkte „unkalkulierbar“ werden. Mitarbeitende wollten komplett ins Homeoffice, was allerdings bei längst nicht allen Jobs möglich sei. Ralf Merkelbach von der BPW Bergische Achsen beziffert den Anteil, der Ein- und Auspendler in seinem Haus auf 150. „Und wer am Band steht, kann kein Homeoffice machen“, sagt er. Seine Befürchtung ist, dass Beschäftigte abwandern werden. Und nicht nur das: für den Fall einer Sperrung der Brücke drohten dem Unternehmen durch erforderliche Umwege jährliche Mehrkosten von mehr als 800.000 Euro.

Zeit wird für Logistiker zu einem ganz großen Faktor

Ein anderer Faktor für die Unternehmen ist die Zeit, vor allem für die Logistiker, wie Florian Schmallenbach von der Morsbacher Firma Schmallenbach sagt. Für einen Schwertransport von Friesenhagen nach Bielstein zur Autobahn braucht er jetzt schon zweieinhalb Stunden wegen aller Umleitungen und Einschränkungen. „Würden jetzt noch die 40-Tonnen-Sattelzüge von der A4 abgeleitet, wäre das Chaos perfekt“, fürchtet er. Davor hat auch Tim Seefeldt von der Labor Union mit Sitz in Reichshof Wehnrath Angst. Sein Unternehmen sammelt in der Region täglich 15.000 Proben aus Arztpraxen ein, 40 Prozent davon im Rheinisch-Bergischen, Köln und Leverkusen. Zeitnahe Diagnosen seien für Ärzte und Patienten Voraussetzung für eine verlässliche medizinische Versorgung in der Region.

Michael Sallmann, Leiter der IHK-Geschäftsstelle in Gummersbach, sieht zudem die Gefahr, dass das Image der Region Schaden nehmen könne, sodass Unternehmen zögerten, sich hier anzusiedeln, oder Menschen nicht mehr nach Oberberg ziehen wollten. Als Verkehrsexperte der IHK Köln ordnete Christopher Köhne die Bedeutung der A4 ein, sie sei die „zentrale Verkehrsachse des Landkreises“. Täglich, so die aktuellen Zählungen, würden die A4 und damit die Wiehltalbrücke 40 bis 50.000 Pkw befahren, in dem gleichen Zeitraum weitere 5500 bis 7000 Lkw. Zahlen, die deutlich machten, was es heißt, wenn die Brücke gesperrt werden muss.

IHK fordert von der Autobahn GmbH, eine Vollsperrung zu vermeiden

Sallmann machte am Ende noch einmal deutlich, dass die Autobahn GmbH alles versuchen müsse, eine Vollsperrung zu vermeiden. Für ihn gehören Maßnahmen wie ein Abstandsradar, eine Waage zur Kontrolle der schweren Brummis oder unangemeldete Gewichtskontrollen durchaus dazu. Ende 2027, so die Pläne der Autobahn GmbH, soll die Brücke dann so weit überarbeitet sein, dass sie uneingeschränkt wieder befahrbar ist, das hatte der Wiehler Bürgermeister Ulrich Stücker zuletzt dieser Zeitung berichtet und am Dienstag im Stadtentwicklungsausschuss wiederholt.

Die Autobahn GmbH berichtete am Mittwoch auf Nachfrage, dass sie bis dato noch keine Aussagen dazu machen könne, wie die Abstandsmarkierungen für Laster auf der Wiehltalbrücke beachtet würden. Inzwischen rausgegangen ist die Ausschreibung für den Bau einer Separierungsanlage. Ob und wann diese realisiert wird, steht laut Autobahn AG aber noch nicht fest.


Die Gesprächsteilnehmer

An dem Gespräch über die Auswirkungen einer Sanierung oder gar einer Sperrung der Wiehltalbrücke haben teilgenommen: Sven Gebhard (Geschäftsführung, GC-heat Gebhard GmbH & Co. KG), Hendrik Pilatzki (Geschäftsführung, August Jaeger Nachf. GmbH & Co. KG), Tim Seefeldt (Leitung Fahrdienst, MED LaborUnion GmbH), Florian Schmallenbach (Geschäftsführung/Disposition, Friedhelm Schmallenbach GmbH), Markus Schinkel (Genehmigung/Begleitung/CAD, Friedhelm Schmallenbach GmbH), Ralf Merkelbach (Leitung Fleet Sales Europe, BPW Bergische Achsen KG), IHK: Michael Sallmann, Christopher Köhne, Katarina Matesic.