Die neuen US-Zölle auf viele Importe aus der EU sind in Kraft getreten. Was nun gilt – und was die Firmen der Region dazu sagen.
15 Prozent auf fast allesWas die neuen US-Zölle mit unserer Wirtschaft machen

Im April hatte US-Präsident Donald Trump seine Zoll-Pläne angekündigt.
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Am Donnerstagmorgen, 6 Uhr deutscher Zeit, ist das eingetreten, was viele Firmen hierzulande lange gefürchtet haben: US-Präsident Donald Trump hat Ernst gemacht. Für die EU gilt für die meisten Produkte ein Aufschlag von 15 Prozent – das ist weniger als von Trump angedroht, aber ein Vielfaches des jahrelang geltenden Zollsatzes. Für Autos wurde zwar ebenfalls eine Zoll-Senkung von 27,5 auf 15 Prozent grundsätzlich vereinbart, einen Termin für das Inkrafttreten nennt das US-Handelsministerium bisher jedoch nicht.
Wenige Minuten vor Mitternacht Ortszeit kündigte Trump auf Truth Social an, dass die Zölle nun gleich in Kraft treten würden. „Es werden Milliarden Dollar in die USA fließen, großteils aus Ländern, die die USA über viele Jahre hinweg ausgenutzt und darüber gelacht haben“, schrieb er in Großbuchstaben. Die EU-Kommission interpretierte die Frist bis zuletzt anders und ging von einem Inkrafttreten erst am Freitag aus. Warum beide Seiten bis zuletzt keine einheitliche Linie bei der Kommunikation des Startdatums gefunden haben, blieb unklar.
NRW-Wirtschaft droht ein Verlust von rund einer Milliarde
Zölle tun Handelsbeziehungen weh, aber Unsicherheit lähmt sie meist noch stärker. Trump kündigt nahezu täglich etwas an, das er kurz danach wieder zurücknimmt – oder auch nicht. Deshalb halten sich viele Konzerne auch zurück mit ihrer Einschätzung, was die Zölle für ihr Geschäft bedeuten. Nun sind die 15 Prozent offiziell da, doch Planungssicherheit sieht anders aus.
NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur findet klare Worte: „Die Vereinbarung der EU mit den USA steht auf tönernen Füßen. Der US-Präsident interpretiert die Einigung auf seine eigene Art und erweist sich einmal mehr als unzuverlässiger Partner“, sagte sie auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Unabhängig von der konkreten Einigung und ihrer Verlässlichkeit belasten die neuen Zölle die USA selbst, aber natürlich auch unsere heimischen Unternehmen. Der NRW-Wirtschaft droht ein Verlust von rund einer Milliarde Euro im Jahr.“
Pharmabranche steht unter Druck
Besonders viel Unsicherheit herrscht derzeit in der Pharmabranche. Am Dienstag hatte der US-Präsident Medikamentenherstellern mittelfristig mit Strafzöllen von bis zu 250 Prozent gedroht. „Wir wollen, dass Arzneimittel in unserem Land hergestellt werden“, sagte er zur Begründung. Er hatte Druck auf Pharmakonzerne im In- und Ausland gemacht, die Preise in den USA zu senken. Als eines von 17 Unternehmen hatte der Ingelheimer Konzern Boehringer Post von Trump bekommen und seine Bereitschaft zur Kooperation betont.
Im Mai hatte der Präsident ein Dekret unterzeichnet, das die Preise für rezeptpflichtige Medikamente in den USA deutlich senken soll. Zugleich kritisierte er das „sozialistische Gesundheitssystem in Deutschland“, das mit zur schwierigen Lage in den USA beigetragen habe. Trump wirft Pharmakonzernen vor, „ihre Produkte stark zu rabattieren, um Zugang zu ausländischen Märkten zu erhalten“ – etwa in Deutschland und anderen EU-Ländern. Die entgangenen Erlöse holten sie dann durch „extrem hohe Preise“ in den USA wieder herein.
Die Leverkusener Bayer AG steht zwar nicht auf der Liste des Präsidenten, aber von entspanntem Handel ist man auch im Chempark weit entfernt. „Insgesamt bleibt die Lage sehr volatil. Wir haben zwar mehr Klarheit bezüglich der Zölle auf EU-Exporte in die USA, die vor kurzem auf 15 Prozent festgesetzt wurden. Es ist aber noch unklar, ob die Sektorüberprüfungen zu zusätzlichen Zöllen für pharmazeutische Produkte führen. Indirekte Effekte bleiben schwierig vorherzusagen“, sagt ein Sprecher von Bayer. Insgesamt würden die Zölle die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Pharmaindustrie schwächen, dennoch könne das Handelsabkommen „ein Schritt zur Wiederherstellung der Planungssicherheit im transatlantischen Handel“ sein.
Firmen zwischen Planungssicherheit und zusätzlicher Belastung
Chemiekonzern Lanxess begrüßt die Vereinbarung zwischen der EU und den USA grundsätzlich, „da ein größerer und längerer Konflikt abgewendet werden konnte und nun eine gewisse Planungssicherheit besteht“, sagt eine Sprecherin. Für die Chemie seien die Zölle allerdings insgesamt zu hoch. „Sie stellen für die europäische Industrie eine zusätzliche Belastung in einem schwierigen Wettbewerbsumfeld dar.“ Bislang sei noch nicht im Detail bekannt, welche Einzelregelungen für chemische Produkte geplant sind. Das sei vor einer endgültigen Bewertung abzuwarten.
Lanxess hat seine Produktion in Amerika in den vergangenen zehn Jahren deutlich ausgebaut. 30 Prozent des weltweiten Umsatzes und der weltweiten Produktion finden jetzt dort vor Ort statt. „Das wird uns mit Blick auf Importzölle der USA helfen und die direkten Auswirkungen abfedern“, so die Sprecherin.
Ähnlich äußert sich der Kunststoffhersteller Covestro aus Leverkusen, der durch regionale Produktion nur in begrenztem Maß direkt von Zöllen betroffen ist. „Die indirekten Auswirkungen spüren wir jedoch deutlich – insbesondere durch die Verlagerung globaler Lieferströme, die zu spürbarem Preisdruck führen“, sagt eine Sprecherin.
Brasilien trifft es besonders hart
Außer der EU sind knapp 70 Staaten von den veränderten Zollsätzen betroffen, in jeweils unterschiedlicher Höhe. Brasilien trifft es am härtesten: Zollaufschläge von 50 Prozent. Sie traten bereits am Mittwoch in Kraft. Eine Reihe von Produkten wie Flugzeuge und Orangensaft sind ausgenommen. Der brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva spricht von „Erpressung“, denn Trump will eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs in Brasilien beeinflussen. Die Anklage wirft dem Trump-Freund und früheren brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro einen Putschversuch nach seiner Abwahl 2022 vor. Brasilien hat die Welthandelsorganisation eingeschaltet.
Für US-Importe aus Indien sollen 25 Prozent Zoll fällig werden. Trump droht Indien zudem mit einer „Strafe“, weil das Land weiter billiges russisches Öl und Gas sowie Waffen kauft, ungeachtet des Angriffskriegs gegen die Ukraine. Im Raum steht die Drohung von rund 100 Prozent Zöllen. Auch andere russische Handelspartner wie China und Brasilien könnten diese sogenannten Sekundärsanktionen treffen.
Nachbarn Kanada und Mexiko kooperieren nicht gut genug
Für Nachbar Kanada will Trump die Zölle von 25 auf 35 Prozent erhöhen. Allerdings gilt der neue Zollsatz nur für Produkte, die nicht vom nordamerikanischen Freihandelsabkommen USMCA abgedeckt sind. Trump verwies auf Kanadas mangelhafte Kooperation bei der Eindämmung des Drogenschmuggels in die USA. Zuletzt hatte er auch kritisiert, dass Kanada die Anerkennung eines Palästinenserstaats erwägt.
Mexiko, dem dritten USMCA-Staat, drohte Trump zunächst mit einer Anhebung des Zollsatzes von derzeit 25 auf 30 Prozent. Nach einem Gespräch mit der mexikanischen Präsidentin Claudia Sheinbaum stimmte der US-Präsident allerdings einer Fristverlängerung um 90 Tage zu. Trump macht Mexiko maßgeblich für die Verbreitung des Opioids Fentanyl in den USA verantwortlich.
Japan und Südkorea haben mit Trump ähnliche Vereinbarungen wie die EU erzielt. Für andere Handelspartner, die kein Handelsabkommen mit den USA abgeschlossen haben, gelten wesentlich höhere Zölle. Importe aus Syrien etwa sind mit 41 Prozent belegt, Laos und Myanmar mit je 40 Prozent.
Auf Waren aus der Schweiz setzte Trump einen massiven Aufschlag von 39 Prozent ein. Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter reiste im Bemühen um eine Einigung in letzter Minute noch in dieser Woche in die USA – offenbar ohne Erfolg. Die Regierung kündigte im Onlinedienst X an, sie werde am Donnerstag eine außerordentliche Sitzung zu den Zöllen abhalten.
Und die nächste Ansage aus Washington folgt zugleich: Der US-Präsident hat am Donnerstag mit Zöllen von 100 Prozent auf Chip-Importe in die USA gedroht – und gleich einen Weg aufgezeigt, wie man sie umgehen kann. Unternehmen müssten sich für Investitionen in den Vereinigten Staaten entscheiden, um davon ausgenommen zu werden. (mit dpa/afp)