RTL und Sky sollen zusammen den ganz großen Streamern Konkurrenz machen. Kann der Plan aufgehen?
3700 Jobs in KölnWas der RTL-Sky-Deal für Zuschauer und Mitarbeiter bedeutet

RTL-Firmengebäude am Rheinufer in Köln-Deutz
Copyright: IMAGO/snowfieldphotography
Der Kölner Medienkonzern RTL will Sky Deutschland übernehmen und sich auf Augenhöhe mit den Streaminggiganten aus den USA begeben. Was hinter dem geplanten Kauf steckt und was er für die Mitarbeitenden und Zuschauer bedeutet – wir haben die Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Was plant RTL?
RTL Deutschland erwirbt Sky Deutschland mit Sitz in München für einen Betrag von zunächst 150 Millionen Euro. Je nach Entwicklung des RTL-Aktienkurses könnten weitere bis zu 377 Millionen Euro an die derzeitige Sky-Mutter Comcast fließen. Für die volle Summe müsste sich der Wert der Aktie auf 70 Euro nahezu verdoppeln. Der Deal steht unter Vorbehalt: Die Kartellbehörden müssen dem Erwerb erst noch zustimmen. Damit wird für das kommende Jahr gerechnet.
Warum wollen die Kölner Sky übernehmen?
Stephan Schmitter, Vorstandschef von RTL Deutschland, nennt die Übernahme „eine einmalige Gelegenheit: Wir bringen zwei große europäische Medienmarken zusammen und schaffen eine führende Streaming- und TV-Plattform.“ RTL wird tatsächlich sehr viel mächtiger, wenn der Plan aufgeht. Das eigene Streaming-Angebot RTL+ wird neben dem Pay-TV- und Streaming-Anbieter Sky noch durch dessen Streamingmarke Wow ergänzt. „RTL steht für große Shows und Sport-Highlights, unabhängigen Journalismus und die beliebtesten Reality-Formate“, sagt Schmitter. „Sky ist in Deutschland als Heimat der Bundesliga und Formel 1 die klare Nummer eins im Sport und steht für weltweit beliebte Filme und Serien.“
Für das Publikum soll der Zusammenschluss eine deutlich größere Auswahl von Inhalten bedeuten. Für ein ebenfalls stark wachsendes Publikum wohlgemerkt. RTL rechnet vor, dass das Medienhaus nach der Übernahme mit nunmehr 11,5 Millionen zahlenden Abonnenten der drittgrößte Streaming-Anbieter in Deutschland werde – mit einigem Abstand zu Branchenprimus Netflix und dem zweitplatzierten Prime Video von Amazon. RTL würde Disney+ damit hinter sich lassen.
Einer am Freitag veröffentlichten Präsentation für Investoren lässt sich außerdem entnehmen, dass RTL eine andere Zielgruppe anspricht als Sky und Wow, das Publikum also auch breiter aufgestellt werden soll. Während die Kölner mit RTL+ einen Nutzerinnen-Anteil von beinahe 50 Prozent erreichen, sind fast zwei Drittel der Sky- und Wow-Nutzer männlich.
Derweil soll RTL nicht nur beim Streaming profitieren. Auch dessen lineares Fernseh-Angebot soll attraktiver werden durch den Zugang zu Sportübertragungen und Sky-exklusiven Serien, Filmen und Dokumentationen, schreibt das Unternehmen.
Ergibt der Zusammenschluss tatsächlich Sinn?
„Ja“, sagt der Medienjournalist Thomas Lückerath, Chefredakteur des Branchenfachportals DWDL.de und langjähriger Beobachter der RTL-Gruppe, „den Deal halte ich für sinnvoll.“ RTL befinde ich im globalen Wettbewerb, in dem große Plattformen mit sehr vielen Investitionen agieren könnten. „Da braucht es eine Bündelung von Kräften“, sagt Lückerath, „sonst importieren wir Kreativität und Programme nur noch aus dem Ausland.“
Schon lange seien die beiden Unternehmen keine klassischen Fernsehsender mehr, die Häuser seien längst im Streamingzeitalter angekommen. Dass RTL diesen Weg nun entschiedener verfolgt und auf kostenpflichtiges Streaming setzt, zeige: „RTL möchte sich unabhängiger machen von Werbebuchungen.“
Für die Konkurrenz von Pro Sieben-Sat.1 sei die Fusion zudem „ein Schlag ins Gesicht“, sagt Branchen-Experte Lückerath. Um neben dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk jedoch weiterhin einen vitalen Fernsehmarkt zu haben, brauche es die Zusammenschlüsse, „andernfalls überleben nur globale Plattformen.“
Und was heißt das für die Beschäftigten von RTL und Sky?
RTL trifft keine klare Aussage, deutet in seiner Investoren-Präsentation aber an, dass es zum Abbau von Jobs kommen wird. Dort ist die Rede von „Overhead reduction“, was sich mit Abbau von Verwaltungskosten übersetzen lässt. Dahinter steckt die Streichung von Doppelstrukturen: Ein neuer Großkonzern braucht beispielsweise keine zwei Personalabteilungen, keine zwei Buchhaltungen, keine doppelte Verwaltung. Aber auch andere Abteilungen könnte es treffen, zum Beispiel den Lizenzeinkauf, der die Akquise von Sendungen und Programmen verantwortet. Konkrete Pläne zum Abbau sind bislang aber nicht bekannt.
Nach Angaben einer RTL-Sprecherin gibt es aktuell deutschlandweit 6650 Vollzeitstellen. Davon entfallen mit 3700 mehr als die Hälfte auf Köln.
Zieht Sky also nach Köln um?
Nein, es soll bei zwei getrennten Standorten bleiben. RTL bekennt sich zur Zentrale in Köln, Hauptsitz von Sky Deutschland bleibt München. Thomas Rabe, Chef des Bertelsmann-Konzerns, zu dem RTL gehört, sagte, die Marke Sky werde langfristig weiter genutzt, „weil das eine der stärksten Unterhaltungs- und Sportmarken in Europa ist.“
Insgesamt rechnet RTL damit, innerhalb von drei Jahren nach Abschluss der Sky-Übernahme Synergien in Höhe von 250 Millionen Euro zu heben. Das geht aber nicht nur über die Einsparung von Gehältern – RTL will unter anderem seine bereits zahlende Kundschaft für Sky-Produkte gewinnen. Gleichzeitig ist damit zu rechnen, dass externe Werbeausgaben für Sky massiv heruntergefahren werden können, weil RTL seine vielen Kanäle nutzen kann, um günstiger dafür zu werben.
Was gehört bislang schon zur RTL-Gruppe?
Neben dem Free-TV-Flaggschiff RTL sind das 14 weitere größere und kleinere Fernsehsender, darunter Vox und ntv, aber auch Digital-Angebote wie chefkoch.de und wetter.de, Magazine wie Geo und Stern und verschiedene Podcasts.
Wie ist die Lage bei RTL?
Der Kölner Konzern kann positive Nachrichten gerade gut gebrauchen. „Für RTL ist der Deal ein wichtiger neuer Impuls, nachdem zuletzt die Integration und Reduktion von Gruner+Jahr-Marken und nötige Sparrunden im Haus für eine gedämpfte Stimmung gesorgt hatten“, sagt DWDL-Chefredakteur Thomas Lückerath. „Die Übernahme von Sky ist also eine wichtige Offensive, um das Medienhaus wieder hinter einer positiven Perspektive zu versammeln.“
Dass RTL zuletzt angeblich 90 Millionen Euro in Produktionen von und mit Stefan Raab investiert hat, erklärt Lückerath zufolge nicht alleine die schlechte Stimmung und den Spardruck. „Die Personalie Raab und das investierte Budget in den Fünf-Jahres-Deal mit seiner Produktionsfirma polarisiert auch intern, aber ist ganz sicher nicht der Sündenbock für alles“, sagt Lückerath. „RTL investierte ja auch an anderer Stelle, etwa in neue Sportrechte.“ So soll RTL Medienberichten zufolge für die Übertragungsrechte von fünf Spielzeiten der US-Football-Liga NFL umgerechnet bis zu zwölf Millionen Euro pro Jahr zahlen.
Was können die Nutzer der Streamingdienste von RTL und Sky jetzt erwarten?
Zunächst ist davon auszugehen, dass alle drei Angebote, die Streaming umfassen – RTL+, Sky und Wow – als eigenständige Marken erhalten bleiben. Thomas Lückerath gibt aber zu bedenken, dass es „enorm viel Geld und Kraft“ koste, drei Marken zu bewerben. „Dass sie alle erhalten bleiben, bezweifle ich. Mittelfristig kann ich mir eine Bereinigung vorstellen.“
Welchen Einfluss der Sky-Kauf auf die Preise der einzelnen Streaming-Abos haben wird, lässt sich aktuell nicht seriös beantworten. Auch Fachmann Lückerath will sich nicht zu einer Mutmaßung hinreißen lassen.
Die Hoffnung, dass bei der Kritik oft hochgelobten HBO-Serien wie Game of Thrones und Sex and the City, die in Deutschland bislang exklusiv bei Sky gezeigt werden, bald auch bei RTL laufen, dämpft Lückerath. 2026 starte der HBO-eigene Streamer HBO Max in Deutschland. „Der laufende Deal, den Sky gerade mit HBO hat, wird sich wahrscheinlich nicht verlängern“, sagt Lückerath. Das sei ein Grund, warum Sky im nächsten Jahr „ohne RTL sehr alt ausgesehen“ hätte. Ein weiterer: Sky hat zuletzt wichtige Bundesliga-Rechte an Dazn verloren, darf ab der kommenden Saison keine Samstags-Konferenz mehr zeigen.
Was heißt der Zusammenschluss für die Sportübertragungsrechte?
Bereits jetzt zeigt RTL im Rahmen einer Partnerschaft mit Sky einzelne Bundesliga-Spiele und Formel-1-Rennen. Es ist das erklärte Ziel, dass der Inhalte-Austausch intensiviert wird. Ohne zusätzliche Vereinbarungen mit den Lizenzinhabern, bei der Bundesliga ist das etwa die Deutsche Fußball-Liga (DFL), geht das aber natürlich nicht.
Thomas Lückerath sagt derweil, dass der Deal der DFL nicht gefallen kann. „Die Zahl möglicher Rechtekäufer reduziert sich“, sagt der Branchenkenner. „Sky und RTL waren bei der Bundesliga noch Wettbewerber, das hat die Preise getrieben. Jetzt fällt ein Preistreiber weg – und das gilt auch für alle anderen Sportrechte.“