Der Chef des Parfümherstellers Mäurer & Wirtz über die Zukunft der alten Marke 4711, die Rolle der Chinesen und US-Amerikaner als Kunden und warum Köln so wichtig ist.
4711-ChefTouristen haben in Köln einen Umsatzanteil von 75 Prozent

Interview mit Stephan Kemen, Chef von Mäurer & Wirtz, dem Hersteller des Parfüm 4711, im 4711-Haus an der Glockengasse in Köln.
Copyright: Thilo Schmülgen
Herr Kemen, vor ihrem berühmten Haupthaus an der Kölner Glockengasse sieht man auffallend viele Touristen aus aller Herren Länder. Welche Rolle spielt das Haus, und welche die Touristen?
Stephan Kemen: Unser Haupthaus ist nach dem Dom die größte historische Touristenattraktion Kölns. Die Touristen spielen beim Dufthaus 4711 an der Glockengasse eine herausragende Rolle. Sie haben hier einen Umsatzanteil von etwa 75 Prozent. Unsere Kunden sind vor allem Asiaten, die meisten davon Chinesen und auch Araber. Asiaten lieben Marken, die auf eine lange Geschichte zurückblicken, und da passt 4711 natürlich absolut zu.
Aber kennen Chinesen die Kölner Traditionsmarke 4711?
Wir haben vor vier Jahren den Markteintritt in China gewagt und den chinesischen Markt erobert. Der Einstieg war sehr erfolgreich. Wir haben einen guten Partner dort, haben viel Marktforschung gemacht. Wir haben es unter die Top 30 der Selektivdüfte auf dem chinesischen Markt geschafft. In den vergangenen Jahren hat das Geschäft in Fernost aber leider etwas geschwächelt.
Woher kennen die Chinesen die Kölner Marke 4711?
Hauptsächlich von ihren Reisen. Das ist durchaus anekdotenhaft. Wir haben uns vor einigen Jahren in China auf einer Duftmesse präsentiert, und einer der größten Distributoren aus China sah dann auf unserem Stand diese Marke, und erzählte, dass er 4711 Echt Kölnisch Wasser noch von seiner Mutter kennt von deren Reisen nach Europa. Er hatte dadurch eine sehr emotionale Beziehung zu unserem Produkt und fragte uns daher: Wie sieht es aus? Seid ihr schon in China? Und so hat sich unsere Zusammenarbeit ergeben. Marken, die schon sehr lange existieren, wie eben 4711, haben bei vielen Chinesen einen sehr hohen Stellenwert.
Stephan Kemen ist Chef des Stolberger Dufthauses Mäurer & Wirtz (Marken unter anderen 4711, Tabac, S.Oliver). Kemen arbeitete nach seinem Abschluss als Diplom-Betriebswirt zunächst für den US-Kosmetikkonzern Coty. 2012 wechselte er zur Mediengruppe RTL, wo er als Marketing-Manager die Kommunikation des Senders Vox steuerte. 2014 folgte dann sein Einstieg bei Mäurer & Wirtz, wo er zunächst als Manager für die Marke Baldessarini tätig war und zuletzt als Marketing-Chef für die globale Gesamtverantwortung aller Eigen- und Lizenzmarken von Mäurer & Wirtz innehatte.
Spielt das Kernprodukt von 4711 auf dem Heimatmarkt überhaupt noch eine Rolle? Kommen hier noch Kölner rein und kaufen Echt Kölnisch Wasser?
Ja, das Hauptprodukt spielt noch eine immense Rolle, wir reden von dem typischen Flakon mit dem türkis-goldenen Etikett – in allen möglichen Größen. Der Umsatzanteil von 4711 Echt Kölnisch Wasser im Vergleich zu den anderen Subbrands von 4711 ist noch immer der größte, wir sind da etwa bei 40 Prozent. Das hat sich mit den Jahren natürlich etwas verringert.
Wer ist die typische Kundschaft des Originals?
Neben den Touristen sind das Frauen 60 plus.
Haben Sie ein Problem damit, dass die Marke für Inländer altbacken wirkt?
Das ist kein Problem, sondern eine Herausforderung für uns, derer wir uns angenommen haben vor einigen Jahren, als wir die Strategie für die Marke aufgesetzt haben. In erster Linie finde ich es gar nicht negativ, weil die Marke eine unglaubliche Bekanntheit hat. Das wünschen sich viele Markenartikler, eine solche Markenbekanntheit. Nichtsdestotrotz wollen wir das Image drehen bei den Menschen, die die von Ihnen skizzierte Vorstellung haben. Außerdem sprechen wir eine Zielgruppe an, die noch gar kein Image von uns im Kopf aufgebaut hat. Deswegen haben wir uns vor einigen Jahren entschlossen, mit 4711 Remix eine junge Duftserie für die unter 30-Jährigen zu lancieren, also jene, denen die Marke noch gar nicht bekannt ist. Mittlerweile ist die Marke mehr als 4711 Echt Kölnisch Wasser. Sie ist das Dufthaus, sie ist unsere Premium-Kollektion, unsere Lifestyle-Kollektion – 4711 ist heute viel breiter aufgestellt.
Haben Sie Beispiele für die breitere Produktaufstellung?
Wir haben zum einen eine Selektivmarke unter dem Markendach von 4711 gegründet, die Acqua Colonia heißt. Diese Marke existiert schon seit 15 Jahren und hat sich erfolgreich mit einer Kollektion von mehreren leichten, von der Natur inspirierten Düften am Markt etabliert – und zwar zu einem Preis von circa 25 Euro für die kleine Größe von 50 ml. Vor eineinhalb Jahren haben wir dann die erste Nischenkollektion herausgebracht. Eine sehr hochwertige, exklusive Kollektion, die Acqua Colonia Collection Absolue heißt, mit einem Preispunkt um 120 Euro. Das beschreibt es ganz gut. Wenn man im Vergleich dazu von einem Produkt im Mass-Segment für 9,95 oder im Lifestyle-Segment für 15,95 Euro spricht, sieht man den geschäftlichen Unterschied. Diese Nischenparfüms sind unisex, also nicht speziell als Damen- oder Herrendüfte konzipiert, sondern für alle Geschlechter potenziell interessant, und zielen auf eine Kundengruppe mit höherem Nettoeinkommen. Bei der teuren, schwarzen Kollektion 4711 Acqua Colonia Collection Absolue kommen sehr viele junge Menschen in den Laden und lassen sich beraten, weil hochexklusive Nischendüfte im Trend sind.

Stephan Kemen (l.), Chef von Mäurer & Wirtz, im Gespräch mit Wirtschafts-Chefreporter Thorsten Breitkopf im 4711-Haus an der Glockengasse in Köln.
Copyright: Thilo Schmülgen
Das sind aber keine Eau de Cologne?
Nein, das ist ein Eau de Parfum, das hält den ganzen Tag. Dazwischen liegt noch das Eau de Toilette, mit einem etwas geringerem Duftöl-Anteil, und außerdem gibt es das Eau de Cologne mit einer leichten Duftkonzentration. Die stark wachsenden Märkte gehen weg vom Eau de Cologne und hin zum Parfum, wenn nicht teilweise sogar zu einem Extrait de Parfum, das hält dann wirklich den ganzen Tag, oder auch mal zwei Tage. Die Düfte sind entsprechend höherpreisiger. Das 4711 Remix ist ein Eau de Toilette, mit Preisen um die 15 Euro für die junge weibliche Zielgruppe, 18 bis 40 Jahre.
Bewusst steht aber überall 4711 drauf?
Ja, das ist eine bewusste Entscheidung. Das Vorurteil, die Marke steht für meine Oma, steht dem nicht im Wege. Im Gegenteil, wir stellen fest, dass bestimmte Marken eine Renaissance erfahren. Das Thema Kult, was früher meine Oma hatte, ist sehr angesagt.
Wie läuft das geschäftlich mit den neuen Untermarken?
Die haben natürlich einen großen Margenunterschied. Für den Ertrag von einem Absolue muss ich sechs Produkte der Duftserie Remix vertreiben oder noch mehr Eau de Cologne. Wir sprechen also über ganze andere Volumina. Aber bei dem teureren Produkt war der Umsatz nicht das Hauptziel. Hier was das Ziel, das Image zu prägen und die Marke zu premiumisieren. Bis jetzt sind wir damit sehr zufrieden. Wir sind mit der Acqua Colonia Collection Absolue nur in 50 deutschen Parfümerien, und anders als bei anderen Produkten nicht in Drogerien. Bei solchen Produkten von über 100 Euro bedarf es einer Beratung. Wir gehen mit den Produkten ins dritte Jahr und führen sie im Ausland ein. Naher Osten läuft ganz gut, Skandinavien auch.
4711 ist unsere bekannteste Marke, Sie ist ein Juwel, mit der wir noch viele Pläne und Visionen haben
Wo steht die Marke 4711 im Unternehmen Mäurer & Wirtz?
Unsere größte Marke ist S.Oliver. 4711 ist aber unsere bekannteste Marke. Sie ist ein Juwel, mit der wir noch viele Pläne und Visionen haben. Auch unsere Marke Tabac ist eine tolle, klassische Marke, deren Rasursegment wir ausgeweitet haben. Insgesamt bleiben wir als Firma Mäurer & Wirtz bei Düften, nicht Hautpflege oder Ähnliches. Früher waren wir vor allem in den Drogerien stark, heute haben wir Produkte für jede Preisklasse, die dementsprechend an anderen Verkaufsorten erhältlich sind.
Können Sie den Geschäftsverlauf auch quantifizieren?
Im vorigen Jahr haben wir 222 Millionen Euro Umsatz gemacht, dieses Jahr streben wir 250 bis 270 Millionen Euro an, wahrscheinlich eher im unteren Korridor, weil die Konsumstimmung im ersten Quartal 2025 sagen wir mal herausfordernd war. Der Start ins Jahr war nicht so gut wie erwartet. Wir sind aber seit dem Jahr 2020 immer über dem Markt gewesen. Marktprognose war ein Wachstum von um die vier Prozent, wir streben zwischen sechs und zehn Prozent Wachstum an.
Produktion von 4711 nur in Köln
Welche Rolle spielt das Dufthaus hier in Köln in der Glockengasse für Ihr Unternehmen, und Köln überhaupt?
Dieses Haus ist eine Symbolik, die nur wenige Marken haben. Ein Ursprungshaus, das viel Geschichte mit sich bringt. Auch vom Abverkauf kann sich der Standort sehen lassen. Das Haus gehört uns in Teilen, da es architektonisch in die Opernpassage übergeht. Produktionsschritte von 4711 Echt Kölnisch Wasser erfolgen auch im Kölner Raum, sonst darf man es nicht so nennen.
Verbinden die Menschen international ihre Marke mit Köln?
Hier in Köln ist die Marke beliebt und wird internationalen Gästen gerne als Souvenir mitgebracht. Aber international wird unser Produkt nicht besonders mit Köln verbunden – da dominiert das Interesse an den Düften, an der Wirkungsweise unserer Eaux de Cologne sowie an der Markengeschichte.
Wie wird sich der Markt entwickeln?
Insgesamt ist das Duftgeschäft wachsend. Daran werden wir anknüpfen. Ich bin da positiv gestimmt. Auch als Familienunternehmen haben wir Vorteile, wir sind einfach schnell. Der Marke würde ich gerne wieder zu der Strahlkraft verhelfen, die 4711 unter der Familie Mülhens hatte, aber dazu sind noch viele große Schritte notwendig. Dazu muss man ihr mehr Historie, mehr Präsenz in internationalen Großstädten und mehr Premiumfaktor geben. Grade sind wir in den USA gestartet, aber da gibt es wegen Trump noch viele Fragezeichen. 4711 wird in den USA aber seit langem bei Amazon angeboten – und hat 22.000 positive Bewertungen, in Deutschland haben wir 2000. Dort ist also eine enorme Nachfrage.
Welche Rolle messen Sie der Stadt Köln, der Wiege von 4711, und dem Eau de Cologne als Unternehmen bei?
Köln ist mit der Markengeschichte von 4711 so eng verbunden, dass wir großen Wert darauf legen, lokal in Erscheinung zu treten. Interessant ist für uns beispielsweise der Kölner Karneval – nicht umsonst singen die Kölner dann, dass sie „Jedäuf met 4711“ sind und verkleiden sich teilweise als 4711-Flakon. Wir haben dieses Jahr die Weiberfastnachtsbühne von Radio Köln gesponsert und haben gemeinsam mit den fast 12.000 Jecken am Tanzbrunnen gefeiert. Außerdem haben wir Erfrischungstücher als Wurfmaterial für Kölner Karnevalszüge bereitgestellt. Auch außerhalb des Karnevals setzen wir regelmäßig Köln-bezogene Aktionen um. So haben wir zusammen mit der Brauerei zur Malzmühle eine gemeinsame Edition ihrer Kölsches Wasser Limonade herausgebracht, angelehnt an unsere Düfte von 4711 Remix. Lesungen des Kunst-Salons finden im Dufthaus 4711 statt, wir bieten interessierten Kölnern Führungen, Duftseminare und -menüs an und ganz aktuell kooperieren wir mit dem Streetwear-Label Mojo – am 6. Juni stellen wir ab 16 Uhr unsere limitierte Modekollektion im „Päff“ am Friesenwall vor, mit anschließender Party. Mit kreativen und aufmerksamkeitsstarken Aktionen werden wir auch künftig von uns hören lassen.