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Trend in Sozialen Medien„Baufluencer“ kämpfen mit Tiktok gegen den Nachwuchsmangel im Handwerk

4 min
Sandra Hunke, Anlagenmechanikerin SHK, Model, Buchautorin und in den sozialen Netzwerken aktiv.

Sandra Hunke, Anlagenmechanikerin SHK, Model, Buchautorin und in den sozialen Netzwerken aktiv.

„Baufluencer“ nehmen ihre Followerinnen und Follower mit auf die Baustelle. Die Branche kann das gut gebrauchen: Ihr fehlt der Nachwuchs. 

Andy Hansen taucht den Spachtel in die gerade von ihm angerührte Gipsmasse. Den Blick in die Kamera gerichtet, erklärt er, wie die perfekte Masse am besten gelingt.

In Videos wie diesem nimmt Hansen seine Followerinnen und Follower mit auf die Baustelle. Auf Tiktok, Instagram, Facebook und Youtube lädt er als „Malermeister Andy“ Videos hoch. „Die Kamera ist immer dabei“, sagt er im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Allein auf Tiktok folgen ihm fast 130.000 Menschen, schauen ihm zu, wie er spachtelt, Tapeten entfernt, Wände streicht.

Mit „Baufluencern“ auf die Baustelle

„Ich dachte mir, zeig mal, was du am besten kannst. Und das war das Malerhandwerk“, erklärt der Husumer, der das Unternehmen „Malermeister Andy“ vor sechs Jahren gegründet hat. Mittlerweile ist die Reichweite so groß, dass Hansen die Hälfte seines Einkommens mit dem „klassischen“ Beruf als Malermeister macht, die andere mit seinen Aktivitäten in den sozialen Netzwerken. Dafür hat er seit ein paar Monaten sogar einen eigenen Mitarbeiter.

Hansen ist nicht der Einzige, der mit seinen Baustellen-Videos für Klicks sorgt. Sogenannte „Baufluencer” machen die Baustelle auf der Couch erlebbar - auch für junge Menschen, die sich besonders häufig auf der Plattform Tiktok tummeln.

Branche fehlt der Nachwuchs

Genau das können die Baufirmen gerade gut gebrauchen: Junge Menschen, die sich fürs Handwerk interessieren. Denn der Branche fehlt der Nachwuchs, was sich zum Start in das neue Ausbildungsjahr wieder zeigen wird. „Der Bedarf an Fachkräften bleibt ungebrochen hoch, doch die Zahl neuer Auszubildender sinkt weiter“, sagt Britta Frischemeyer, Sprecherin des Bauindustrieverbands HDB.

Zwar liegen die frischen Zahlen zum Ausbildungsstart 2025 noch nicht vor, doch 2024 seien 12.018 neue Ausbildungsverhältnisse abgeschlossen worden – 5,2 Prozent weniger als im Vorjahr. „Damit entwickelt sich die Branche bereits das dritte Jahr in Folge schlechter als der bundesweite Durchschnitt“, sagt Frischemeyer. Insgesamt befänden sich derzeit 37.302 junge Menschen in einer bauwirtschaftlichen Ausbildung. Auch das sei ein Rückgang – um 5,8 Prozent.

Frauenanteil nur bei 14 Prozent

Eine, die genau deshalb den Weg in die Öffentlichkeit gewählt hat, ist Sandra Hunke. Die 33-Jährige, auch bekannt als „das Baumädchen“, lädt in den sozialen Netzwerken regelmäßig Videos und Fotos von ihrer Arbeit als Anlagenmechanikerin für Sanitär, Heizungs- und Klimatechnik hoch. „Du baust wirklich Bäder?“, sei eine häufige Frage gewesen, als sie ihre Ausbildung 2012 gestartet habe, erinnert sich Hunke. Um das zu beantworten, habe sie damit begonnen, Fotos ihrer Arbeit auf Facebook zu teilen. „Mein Ziel war und ist es, Menschen fürs Handwerk zu begeistern“, sagt Hunke, die mittlerweile auch als Model und Buchautorin auftritt.

Hunke ist eine absolute Ausnahme: Der Frauenanteil im Baugewerbe liegt insgesamt bei nur rund 14 Prozent. Was das heißt, spürt Hunke manchmal auch bei den Kommentaren. Zwar bekomme sie viel positives Feedback, besonders von jungen Frauen, die sich motiviert fühlten. „Es gibt aber auch skeptische oder belächelnde Kommentare – gerade zu Beginn war das häufiger. Inzwischen nehme ich das mit Humor.“

Das Spiel mit den Klischees

Wie das gehen kann, zeigt eins ihrer Videos, das sie in einer Küche aufgenommen hat. Eingeblendet ist ein Kommentar, der sie genau dorthin wünscht. Hunke greift deshalb zu einem Gabelschlüssel – und widmet sich der kaputten Armatur. „Ich denke, ich kann durch meine Präsenz auch mit Vorurteilen aufräumen“, sagt sie dem RND.

ARCHIV - 15.11.2017, Thüringen, Erfurt: «Azubis gesucht» steht auf einem Banner am Stand einer Firma beim Forum Berufsstart Mitteldeutschland in Erfurt.  (zu dpa: «Mehr Azubis im Handwerk – Praktikumsprämie zeigt Wirkung») Foto: Martin Schutt/dpa-Zentralbild/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

„Azubis gesucht“ steht auf einem Banner am Stand einer Firma beim Forum Berufsstart Mitteldeutschland in Erfurt.

Ob das aber auch dabei helfen kann, dass mehr junge Menschen den Beruf ergreifen? Aus Hunkes Sicht spielen die sozialen Medien eine sehr große Rolle bei der Nachwuchsgewinnung. „Viele junge Menschen holen sich ihre Infos heute nicht mehr klassisch über Broschüren oder Berufsberatungen, sondern über Social Media. Dort können sie echte Einblicke in Berufe bekommen – und zwar ungeschönt“, sagt sie.

Können „Baufluencer“ der Branche helfen?

Baufluencer seien wichtig, um jungen Menschen vor einer Ausbildungsentscheidung einen nahen Einblick in die Lebens- und Jobwirklichkeit der Bauwirtschaft zu geben, bestätigt HDB-Sprecherin Frischemeyer. Voraussetzung sei aber, dass sie authentisch seien, über einen eigenen Erfahrungsschatz verfügten und dass die „Tonalität“ als passend wahrgenommen werde.

Auch Andy Hansen findet, dass die sozialen Medien dabei helfen können, gegen den Nachwuchsmangel anzugehen. Das spiele zwar nicht die Hauptrolle, sagt er, aber Unternehmen könnten jungen Menschen zeigen, was sie täten. „Man kann Social Media nutzen, um die Branche attraktiv zu machen“, sagt Hansen.

Das Ziel: Mehr junge Menschen für Bau zu begeistern

Und für „Baufluencer“ lohnt sich das sowieso: Durch die Videos werden viele Leute auf sie aufmerksam – potenzielle Kunden genauso wie Werbepartner. Sowohl Hansen als auch Hunke haben Kooperationspartner.

Doch je getakteter das Business wird, desto mehr wird auch von einem erwartet. „Natürlich ist das anstrengend, immer vor der Kamera zu sein“, sagt Hansen. Schließlich wolle er nicht stets dieselben Sachen machen. Immer wieder braucht es also neue Ideen.

Die braucht auch die Branche, um sich dem Nachwuchsmangel, und dem demografischen Wandel zu stellen. Ziel sei, mehr junge Menschen für den Bau zu begeistern, sagt Frischemeyer. Das gehe über gezielte Ansprachen, Investitionen in die Ausbildungsinfrastruktur und über attraktive Rahmenbedingungen. Ob das gelingt, wird sich in den kommenden Jahren zeigen.