Branchenübergreifende StudieRettet die Viertagewoche unsere Arbeitswelt?

Lesezeit 4 Minuten
Ein Mann arbeitet an einem Computer

Ergebnisse einer großen Studie zur Viertagewoche klingen vielversprechend.

Zufriedener, gesünder, produktiver: Studienergebnisse zur Viertagewoche klingen vielversprechend. Aber ist der produktivitätssteigernde Effekt von Dauer?

Die Viertagewoche macht unsere Arbeitswelt zu einer besseren. Das legen zumindest Ergebnisse eines groß angelegten Pilotprojekts nahe. Dabei arbeiten rund 2900 Angestellte in Großbritannien ein halbes Jahr lang weniger – bei gleichem Gehalt. Über 60 Unternehmen aus verschiedenen Branchen nahmen daran teil. Das Ergebnis: Weniger arbeiten lohnt sich, sowohl für Angestellte als auch für Unternehmen.

Das britische Pilotprojekt ist Teil der weltweit größten Untersuchung dieser Art zur Viertagewoche. Initiator ist die gemeinnützige Organisation 4 Day Week Global, die sich schon länger für eine verkürzte Arbeitswoche einsetzt.

Zusammen mit dem Boston College, dem University College Dublin und der Cambridge University hat die Initiative ähnliche Modellversuche in insgesamt sieben Ländern durchgeführt – inklusive Großbritannien. Weitere Versuche in anderen Ländern laufen bereits oder sind geplant.

Win win für Unternehmen und Angestellte

In Großbritannien lief das Experiment von Juni bis Dezember 2022. Die Ergebnisse klingen vielversprechend: Die Angestellten gaben an, sich körperlich und psychisch besser zu fühlen. Sie sind demnach weniger oft müde (46 Prozent), haben bessere Laune (54 Prozent) und weniger Stress (39 Prozent).

71 Prozent fühlen sich zudem insgesamt weniger von einem Burn-out bedroht. 55 Prozent hatten den Eindruck, leistungsfähiger zu sein. Auch waren über die Hälfte der Teilnehmenden besser in der Lage Erwerbsarbeit mit Carearbeit und sozialem Leben zu vereinbaren. Außerdem betreuten Männer häufiger selbst ihre Kinder.

Auch die Unternehmen profitierten von dem Experiment. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter meldeten sich weniger krank (minus 65 Prozent). Die Beschäftigten kündigten seltener (minus 57 Prozent) und der Umsatz stieg im Schnitt um 1,4 Prozent. So ist es kaum überraschend, dass fast alle Unternehmen (92 Prozent) die Viertagewoche nach Ende des Projekts fortführen wollen.

Das deckt sich mit den Ergebnissen aus den anderen Modellversuchen. Nach Angaben der Forschenden hatte die Viertagewoche ebenfalls einen positiven Effekt auf das Wohlbefinden der Angestellten. Sie waren weniger krank und kündigten seltener. Die Unternehmen bewerteten zudem sowohl Produktivität als auch Leistung weiter als hoch (7,5 von zehn). Die Einnahmen stiegen im Vergleich zum gleichen Zeitraum im Jahr 2021 sogar um 35 Prozent.

„Eine interessante Beobachtung ist, dass die Ergebnisse über eine Vielzahl von Untergruppen konsistent sind“, schreiben die Forschenden in dem Bericht, „zum Beispiel bei Männern und Frauen, kleinen und größeren Unternehmen und allgemein über die Branche hinweg.“ Fast alle der 91 Unternehmen (91 Prozent) entschieden sich letztlich dafür, die Viertagewoche fortzuführen.

„Die Ergebnisse der Studie sind vielversprechend und räumen mit gängigen Vorurteilen und Befürchtungen auf, dass ‚viel Arbeit = gut‘ ist“, sagt Laura Venz im Gespräch mit dem RND. Die Professorin für Arbeitspsychologie forscht an der Leuphana-Universtät in Lüneburg.

Hält der produktivitätssteigernde Effekt?

Andere Studien deuten allerdings darauf hin, dass sich der produktivitätssteigernde Effekt einer Arbeitszeitverkürzung abnutzt. Die Untersuchung aus dem Vereinigten Königreich lief nur über sechs Monate. „Wichtiger wäre aber eine Betrachtung von Produktivität und Belastungen über einen längeren Zeitraum, beispielsweise über mehrere Jahre“, sagt Ufuk Altun im Gespräch mit dem RND. Der Wissenschaftler forscht am arbeitgebernahen Düsseldorfer Institut für angewandte Arbeitswissenschaft (IFAA).

Auch sei die Viertagewoche nicht für alle Branchen gleichermaßen umsetzbar. In der Studie machen produzierende Betriebe gerade einmal 7 Prozent der Stichprobe aus. 59 Prozent entfielen hingegen auf Werbeagenturen, unternehmensnahe Dienstleister, IT-Unternehmen, die Finanz-und Versicherungsbranche sowie auf Kultureinrichtungen.

Flexible Arbeitszeitmodelle könnten bestimmte Berufe attraktiver machen

In solchen Wissensberufen haben Beschäftigte oft mehr Spielräume, ihre Arbeit selbst einzuteilen. „Bei fremdbestimmten Tätigkeiten, etwa im produzierenden Schichtbetrieb, wird es sehr viel komplizierter“, sagt Altun.

Im Gesundheitswesen oder im Sozialwesen rechnet er ebenfalls damit, dass die verkürzten Arbeitszeiten Neueinstellungen nötig machen würden – obwohl es in vielen Branchen ohnehin schon an Personal mangele.

Andere Forschende halten dagegen flexible Arbeitszeitmodelle für ein Mittel, um bestimmte Berufe grundsätzlich wieder attraktiver zu machen. „Es wird angesichts von Fachkräftemangel für Organisationen immer wichtiger werden, den Wünschen und Bedürfnissen der Mitarbeitenden Rechnung zu tragen“, sagt Laura Venz. „Die Viertagewoche kann hierfür ein Mittel sein und ich bin überzeugt, dass eine Einführung, bei der Management und Mitarbeitende gleichermaßen an Bord sind, auch langfristig positive Effekte haben wird.“(RND)

KStA abonnieren