Deutsche WirtschaftskriseBitte die Gießkanne im Schrank lassen

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Christian Lindner (FDP), Bundesminister der Finanzen, Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) auf der Regierungsbank im Bundestag

Christian Lindner (FDP), Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) auf der Regierungsbank im Bundestag (v.l.)

Deutschland braucht eine neue Agenda – und die Bürger dringend ein Signal, dass der Staat seinen Aufgaben gewachsen ist.

Aufgeschreckt von den schlechten Konjunkturdaten und den guten Umfragewerten der AfD machen die Verantwortlichen der Ampelregierung und die Union nun hektisch Vorschläge, wie die Wirtschaftskrise in Deutschland bewältigt werden soll. Hinter den Kulissen hat schon wieder das Tauziehen begonnen, ob dafür die Schuldenbremse ausgesetzt beziehungsweise welches sogenannte Sondervermögen angezapft werden soll. Das aber ist gar nicht die entscheidende Frage.

In einer Lage, in der die Volkswirtschaft international ins Hintertreffen geraten ist, braucht es ein Gesamtkonzept, wie Deutschland zu früherer ökonomischer Stärke zurückfindet. Die Probleme sind hinlänglich bekannt: die überbordende Bürokratie, die mangelnde Digitalisierung der Behörden, die marode Infrastruktur – insbesondere bei Bahn und Brücken, das zu gering ausgestattete Bildungssystem. Und auch der Arbeitsmarkt schreit nach Reformen angesichts des Fachkräftemangels einerseits und einer großen Zahl von Flüchtenden, die nur schleppend in Jobs finden, andererseits.

Aufbruch und Pragmatismus nötig

Deutschland braucht eine neue Agenda. Die notwendigen Reformen müssen ähnlich umfassend und tiefgehend sein, wie sie es vor 20 Jahren zur Zeit der Agenda 2010 waren. Der damalige Aufbruch, der Pragmatismus und die Konsequenz in der Umsetzung sollten abermals stilbildend sein. Die sozialen Verwerfungen, die die Agenda 2010 auch mit sich brachte, sollte man natürlich nicht wiederholen.

SPD, Grüne und Liberale müssen also mit einem Konjunkturkonzept aus der Sommerpause zurückkehren, das für die Wirtschaft ein Befreiungsschlag ist und für die Bürgerinnen und Bürger wiederum das Signal setzt, dass der Staat seinen Aufgaben gewachsen ist. Die Bewältigung sowohl der Wirtschaftskrise als auch der Vertrauenskrise der Wählerinnen und Wähler sind zwei Seiten einer Medaille.

Eine solche Agenda müsste zuvorderst klimafreundliche Investitionen und einen drastischen Bürokratieabbau enthalten. Wenn ein solches Konzept gesetzt ist und ohne die üblichen erneuten Infragestellungen der Ampelparteien beschlossen werden kann, spricht nichts gegen schnell wirksame Konjunkturhilfen.

Im Gegenteil: Mit der Aussicht, dass Deutschland seine strukturellen Probleme löst, liefert ein Konjunkturprogramm den dafür notwendigen Wind unter den Flügeln. Aber, liebe Ampel, bitte lass die Gießkanne im Schrank. Auch eine Konjunkturspritze für sofort muss zielgenau wirken. Hilfreich wären zum Beispiel ein günstigerer Industriestrompreis als Signal an die Unternehmen, dass sich der Standort Deutschland weiter rentiert. Und angesichts der Tatsache, dass der Konsum mindestens genauso wichtig für die Konjunktur ist wie der Export, sollte die Mehrwertsteuer für die Gastronomie weiter ausgesetzt bleiben.

Anhebung des Spitzensteuersatzes wäre Gift

Eine Anhebung des Spitzensteuersatzes auf 49 Prozent, wie es DGB-Chefin Yasmin Fahimi vorschlägt, wäre derzeit Gift für die Konjunktur. Aktuell wird der Spitzensteuersatz von 42 Prozent ab einem Jahreseinkommen von knapp unter 62.000 Euro fällig. Das trifft – anders als es der Begriff Spitzensteuer vorgibt – eben auch die Mittelschicht. Zumal die Höhe der Steuern und Abgaben zu jenen Bereichen zählt, in denen Deutschland international immer noch spitze ist.

Fahimi will zugleich den steuerlichen Grundfreibetrag senken, um die unteren Einkommen zu entlasten. Allerdings hilft eine Senkung des Grundfreibetrags wiederum allen Steuerzahlenden – auch jenen mit echten Spitzeneinkommen. Sinnvoller wäre es, die unteren Einkommen bei den Sozialabgaben zu entlasten. Die gerechte Neuaufstellung der Sozialsysteme in einer alternden Gesellschaft müsste übrigens der zweite Teil einer neuen Agenda sein.

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