Deutscher Entwicklerpreis 2020Das steckt hinter dem Kölner Gewinner „Jessika“

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Für „Jessika“ hat TriTrie Games mit einer realen Schauspielerin zusammengearbeitet.

Köln – Wenige Klicks reichen, um in Jessikas Welt abzutauchen. Eine Welt, die geprägt ist von Hass und Fremdenfeindlichkeit, die voll ist von Rätseln, Drehungen und Wendungen.

Mit „Jessika“ – der Name ist angelehnt an die „Ceska“-Mordserie des NSU – hat das Kölner Entwicklerstudio TriTrie Games den Innovationspreis beim Deutschen Entwicklerpreis 2020 gewonnen. In dem Full-Motion-Video-Abenteuer ist der Spieler Teil einer Gruppe, die digitale Fußabdrücke von Verstorbenen verwaltet. Im Fall von Jessika bekommt er dabei anhand von Videos, Audiodateien, Notizen und Nachrichtenartikeln einen Einblick in den Radikalisierungsprozess der Hauptperson und muss die wahre Geschichte der Frau enthüllen.

Ungewöhnliches Thema für ein Spiel

Rechtsextremismus – kein klassisches Thema in einem Videospiel. Die Idee, sich dessen dennoch anzunehmen, hatte Seren Besorak, Geschäftsführer des Kölner Entwicklerstudios, 2018 während seiner Zeit als Student an der TH Köln. Ein Spaziergang durch die Keupstraße habe ihn an das Nagelbombenattentat von 2004 erinnert.„Und ich habe mir gedacht, wie krass es ist, wie hier wieder Normalität eingekehrt ist“, sagt er.

Es folgten eine Rücksprache mit seinen Kommilitonen Pierre Schlömp und Sarah Abouzari und eine Umfrage unter den Studierenden. Die drei wollten wissen, inwieweit der Anschlag noch im Bewusstsein der Leute ist. „Da haben wir gemerkt, dass sich die Menschen gar nicht mehr bewusst sind, was da vorgefallen ist“, sagt Besorak. „Und dann haben wir uns gefragt, ob man die Geschichte in irgendeiner Form in ein digitales Spiel umwandeln kann.“

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Pierre Schlömp, Sarah Abouzari, Seren Besorak (v.l.)

Das Spiel war zunächst ein Hochschulprojekt des Trios. „Aber 2019 wussten wir, das Studium endet jetzt und es kommt die Realität des Lebens“, sagt Besorak. „Da hatten wir die Idee, dass wir unsere eigene Firma gründen und versuchen wollen, «Jessika» an Mann und Frau zu bringen.“ Ein Dreivierteljahr lang habe das Trio dann versucht, einen Publisher zu finden. Als dieser Ende 2019 gefunden war, stand der Gründung der eigenen Firma nichts mehr im Weg. Und so ist im Januar 2020 TriTrie Games entstanden. „Und dann haben wir sieben Monate lang durchgehend an »Jessika« gearbeitet.“

Auszeichnung hilft besonders, da Messen fehlen

Die Mühe hat sich gelohnt – das zeigt der Innovationspreis 2020, den das Trio nun sein Eigen nennen darf. „Der Preis zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg waren“, sagt Besorak. Und in einem Jahr wie 2020, in dem das Team an keiner einzigen Messe wie beispielsweise der Kölner Gamescom teilnehmen konnte, ist so eine Auszeichnung besonders wichtig. Zwar sei TriTrie Games bei Online-Events dabei gewesen. Aber: „Die Straßenwerbung war gleich Null.“

Das Wichtigste sei für Besorak allerdings, „dass ein Teil einer Jury sich durchgerungen hat, auch mal ein solches Spiel als Sieger nach vorne zu schubsen. Während Virtual Reality, Crowd-Funding und Künstliche Intelligenz die Konkurrenz sind. Das ist schon wichtig, das ist schon ein Zeichen.“ Zwar werde das junge Entwicklerteam in Zukunft nicht nur derartige Spiele machen, „aber es ist gut, so ein Zeichen mal zu setzen“, sagt Besorak.

Nächstes Spiel schon in Arbeit

Die aktuellsten Pläne des Entwicklerstudios sind ähnlich anspruchsvoll. TriTrie Games beschäftigt sich mit dem Prototypen eines Spiels, in dem es um häusliche Gewalt geht. „Das ist ein mindestens genauso sensibles Thema“, sagt Besorak. Dieses Projekt wird mit Bundesmitteln gefördert, „Jessika“ war größtenteils selbstfinanziert.

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Wenn Besorak heute an die Keupstraße denkt, sticht für ihn ein Umstand besonders hervor. „Diese rechtsextremen Leute machen sich eine mega Ideologie daraus, bauen sich ein riesiges Luftschloss. Aber die Leute, die dort leben und arbeiten, sind so unbeeindruckt davon. Es ist ein tolles Gefühl, dass das Leben dort weitergeht, egal, wie machtvoll sich die Rechtsradikalen fühlen oder wie radikal sie versuchen, ins Leben einzugreifen.“

„Jessika“ gibt es auf der Plattform „Steam“ als Download zu kaufen. Das Spiel kostet aktuell 12,49 Euro, die Entwickler empfehlen ein Mindestalter von 16 Jahren.

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