Zustellprobleme, neue Laufzeiten und Personalmangel: Die Behörde registriert so viel Frust über die Post wie noch nie.
Ärger und FrustPost so unbeliebt wie noch nie – Beschwerden steigen auf Rekordwert

Eine Mitarbeiterin der Deutsche Post DHL belädt ihr Fahrzeug mit Päckchen und Paketen. (Archivbild)
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Die Zahl der Beschwerden über Postdienstleistungen ist erneut gestiegen und hat einen neuen Höchststand erreicht. Wie die Bundesnetzagentur mitteilt, gingen im ersten Halbjahr 2025 insgesamt 22.981 Beschwerden ein – ein Plus von 13 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, der bereits den bisherigen Rekord markierte. Der Großteil der Kritik, rund 89 Prozent, betrifft den Marktführer Deutsche Post/DHL.
Früher waren es viel weniger Beschwerden gewesen. Sollte sich das bisherige Beschwerdetempo fortsetzen, könnte in diesem Jahr der bisherige Jahreshöchstwert von 44.406 aus dem Jahr 2024 gerissen werden.
Frust über verspätete Post: Seniorin wartet tagelang auf Einschreiben mit Handy
Es geht um verspätete, falsch abgegebene oder beschädigte Sendungen, ob Briefe oder Pakete. Beispielhaft für eine Dienstleistung, die zu mächtig Frust geführt hat, ist der Fall einer Seniorin aus Berlin, die in ihrer Ferienwohnung auf einer Nordsee-Insel Urlaub gemacht hat. Ihr Handy hatte sie in Berlin vergessen, eine Bekannte schickte es ihr per Einschreiben nach. Der Post zufolge kommt ein Einschreiben „in der Regel am nächsten Werktag“ an.
Im Falle besagter Seniorin kam das Einschreiben nach ihrer Aussage aber erst nach sechs Werktagen an - sie musste also viel länger auf ihr Handy verzichten als gedacht. Das Merkwürdige: Über die Sendungsverfolgung konnte sie sehen, dass ihr Handy schnell von Berlin auf die Nordsee-Insel transportiert worden war, dort aber tagelang liegenblieb.
Zustellchaos und Personalmangel: Warum immer mehr Postkunden frustriert sind
Als der Zusteller endlich kam, fand er ihre Wohnung nicht und wollte schon wieder wegfahren - nur zufällig sah die Frau ihn und lief ihm nach. Der Postbote sei wohl nicht wirklich ortskundig gewesen, die Adresse sei eindeutig und andere Postboten hätten in der Vergangenheit keine Probleme gehabt, sagt die 82-Jährige verärgert. Auf die Frage, warum sie so lange auf das Einschreiben habe warten müssen, sei ihr gesagt worden, dass die Post vor Ort viel weniger Zustellpersonal habe als früher.
Solche Beispiele sind zunächst zwar nur Einzelfälle, die auch individuelle Besonderheiten enthalten können. Die Summe der Fälle ergibt allerdings ein ernüchterndes Bild. Lange hielten sich die Post-Beschwerdezahlen auf eher niedrigem Niveau, bevor es im Sommer 2022 deutlich nach oben ging und das Unternehmen das Thema zunächst kleinredete. Schließlich räumte es lokale Probleme ein und begründete diese mit Personalproblemen.

Manch Verbraucher ist unzufrieden mit dem Gelben Riesen. (Archivbild)
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Streiks und Hitze als Gründe für Verzögerungen
Als Reaktion auf die Halbjahreszahlen sagt ein Post-Sprecher, dass jede Beschwerde eine zu viel sei und dass sein Unternehmen täglich an Qualitätsverbesserungen arbeite. Er weist zudem darauf hin, dass der Anteil der Beschwerden an den Milliarden an zugestellten Sendungen gering sei. Der Bonner Konzern stellte im vergangenen Jahr in Deutschland 12,2 Milliarden Briefe und 1,8 Milliarden Pakete zu.
Der Firmensprecher räumt aber ein, dass es im ersten Halbjahr phasenweise Einschränkungen in den betrieblichen Abläufen gegeben habe, etwa die Warnstreiks zu Jahresbeginn und Folgen der Hitzewelle im Juni, als das Arbeitspensum reduziert werden musste. Dies habe an einzelnen Standorten zu Rückständen und Verzögerungen geführt.
Lockereres Postgesetz sorgt für längere Wartezeiten und mehr Beschwerden
Des Weiteren führt der Post-Sprecher die Beschwerde-Entwicklung auf Änderungen des Postgesetzes zurück, die zum Jahresbeginn in Kraft getreten sind. Seither hat das Unternehmen bei der Beförderung von Briefen viel weniger Zeitdruck als früher: Mussten vorher die allermeisten Briefe schon nach ein bis zwei Werktagen angekommen sein, so greift so eine Pflicht inzwischen erst am dritten Werktag - die durchschnittliche Wartezeit auf Briefe steigt also. Dadurch kann die Post Kosten senken und ihr Zustellsystem umstellen. Der Logistiker befördert im Digitalzeitalter immer weniger Briefe, wodurch das klassische Briefgeschäft unter Druck gerät.

Auch diese Briefe sollen doch bitte im richtigen Briefkasten landen.
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Inzwischen bündelt die Post ihre Sendungsmengen: Soll etwa ein Empfänger am Dienstag und Mittwoch je einen Brief bekommen, so wird der Dienstagsbrief nun zurückgehalten und erst am Mittwoch zusammen mit dem zweiten Brief zugestellt. Dadurch spart sich der Briefträger einmal den Weg zum Briefkasten. Für die Bürgerinnen und Bürger bedeutet das allerdings auch, dass sie im Schnitt häufiger in einen leeren Briefkasten schauen als früher - und zwar nicht nur wegen des Internet-Zeitalters, in dem E-Mails und Chat-Nachrichten die klassischen Briefe verdrängen, sondern eben auch wegen der Postgesetz-Reform.
Veränderte Laufzeiten sorgen für Verunsicherung bei Kunden
Auch die Deutsche Post selbst sieht einen Zusammenhang zwischen den gestiegenen Beschwerden und den neuen Vorgaben des überarbeiteten Postgesetzes. „Die Postversorgung heute ist eine andere als in den Jahren davor“, erklärte ein Sprecher. Seit Jahresbeginn gelten längere zulässige Laufzeiten für Briefe, was vielen Kunden offenbar nicht bekannt sei.
Immer mehr Menschen wenden sich mit Fragen oder Kritik direkt an das Unternehmen. Im vergangenen Jahr gingen rund 420.000 Beschwerden bei der Post ein – zusätzlich zu den Meldungen bei der Bundesnetzagentur.
In der Politik behält man das Thema im Blick. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Roloff sagt, dass die Tendenz bei den Beschwerden ernstzunehmen sei. Roloff hat die Postgesetz-Reform mitverhandelt. „Die neuen Regeln bei der Postzustellung müssen sich tatsächlich erst einspielen, allerdings hat die Post durch den Gesetzgeber mehr Spielraum und Flexibilität bekommen, was sich eigentlich in mehr Zuverlässigkeit auswirken sollte“, meint der Sozialdemokrat. „Das ist die klare Erwartung auch an die Personalplanung der Post.“ (dpa)