„Deindustrialisierung unseres Landes“Hohe Energiekosten belasten Chemieunternehmen im Rheinland

Lesezeit 3 Minuten
Blick auf die Zentrale des Chemie Konzerns Lanxess. Der Konzern lädt am Donnerstag zur Bilanz-Pressekonferenz.

Lanxess in Köln.

Aufgrund anhaltend hoher Energiekosten drosseln Unternehmen aus der Chemie- und Pharmabranche ihre Produktionen. Nach Angaben des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI) ist die Lage ernst.

„Der Chemiebranche stehen weitere dunkle Monate bevor“, sagt der neue VCI-Präsident Markus Steilemann. Im dritten Quartal sei die Produktion um 10,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zurückgegangen. Betrachtet man die Produktion im Chemie-Bereich ohne Pharma, ist sogar ein Rückgang von 14,1 Prozent zu verzeichnen. Für das gesamte Jahr 2022 prognostiziert Steilemann einen Produktionsrückgang von insgesamt 5,5 Prozent. Für den Chemie-Sektor ohne Pharmazie geht der Verbandsvertreter sogar von 8,5 Prozent weniger aus. Um 4,2 Prozent ging die Produktion im Vergleich zum vorherigen Quartal zurück. Auch der Umsatz ging um 1,6 Prozent auf 63,1 Milliarden Euro zurück.

Viele Unternehmen, die in Deutschland produzieren, befänden sich in einer äußerst dramatischen Lage, sagt Steilemann. Vor allem der Mittelstand leide. Unternehmen aus der Chemie- und Pharmabranche sind auch im Rheinland große Arbeitgeber. So teilt auch der Spezialchemie-Konzern Lanxess die Prognosen des VCI. Aktuell sei der Umsatz durch deutliche Preiserhöhungen sowie positive Währungs- und Portfolio-Effekte zwar sogar gestiegen, die verkauften Mengen sind aber auch bei Lanxess um sechs Prozent zurückgegangen.

„Im vierten Quartal wird der Gegenwind durch weiter steigende Energiepreise und eine drohende Rezession noch zunehmen“, glaubt CEO Matthias Zachert. An einigen Standorten am Niederrhein seien Betriebe des Chemiekonzerns kaum noch in der Lage, profitabel zu produzieren. Man werde die Situation daher „engmaschig beobachten“ und „Produktionsleistungen gegebenenfalls anpassen“, heißt es. Lanxess-Chef Zachert sieht den Industriestandort Deutschland aufgrund exorbitant hoher Energiekosten im globalen Wettbewerb aktuell als „nicht konkurrenzfähig“ an. Es drohe sogar die „Deindustrialisierung unseres Landes“.

„Globale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands gefährdet“

Die hohen Energiepreise machen sich auch beim Leverkusener Unternehmen Covestro bemerkbar. Noch seien zwar keine Produktionsanlagen stillgelegt worden, die gestiegenen Rohstoff- und Energiepreise konnten jedoch nur „in geringem Maße durch ein höheres Verkaufspreisniveau kompensiert werden“, sagt eine Sprecherin des Unternehmens. Wenn die Gasversorgung von Unternehmen im weiteren Jahresverlauf jedoch rationiert werden sollte, „könnte dies einen kompletten Stillstand einzelner Produktionsanlagen von Covestro zur Folge haben“.

Auch beim Werkstoffhersteller Covestro sieht man die „globale Wettbewerbsfähigkeit des Produktionsstandortes Deutschlands und Europa gefährdet“.

Die Bayer AG kann dagegen nach Angaben eines Unternehmenssprechers die Auswirkungen hoher Energiepreise aufgrund frühzeitiger Planung noch bis Ende des Jahres abfedern. Dafür seien unter anderem Energiesparprogramme eingeführt worden.

Insgesamt habe Bayer in den vergangenen Jahren einige Vorkehrungen getroffen, um den Gas- und Stromverbrauch zu verringern. „Unsere direkten und indirekten Energiekosten betrugen im vergangenen Jahr nur rund drei Prozent der gesamten Herstellungskosten“, sagt der Unternehmenssprecher. Darüber hinaus will Bayer bis zum Jahr 2030 klimaneutral werden. Im vergangenen Jahr erhöhte der Konzern den Anteil erneuerbarer Energien im Strombezugsmix dafür bereits auf „etwa ein Viertel“.

Rund 437.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind in der Chemie- und Pharmaindustrie beschäftigt. Mit einem Anteil von 15 Prozent ist die Branche größter deutscher Gasverbraucher und ist für rund ein Drittel des gesamten Industrieverbrauchs verantwortlich. (mit dpa)

Nachtmodus
KStA abonnieren