Im Lockdown wird das Bier schlechtKölschbrauer uneins über längere Haltbarkeit

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Kölsch neu

Kölsch-Brauerei sind uneins darüber, ob die Haltbarkeit von Fassbier in der Corona-Krise verlängert werden soll.

Köln – Wegen des anheltenden Lockdowns und geschlossener Kneipen und Restaurants in Deutschland droht das Bier in Fässern abzulaufen. Die Kölner Brauereien reagieren ganz unterschiedlich auf dieses Problem.

„Auch bei den im Herbst 2020 gebrauten Fassbieren unserer Marken Sion-Kölsch und Gilden-Kölsch laufen wir Gefahr, dass diese mangels Öffnungsperspektive das Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) überschreiten. Allerdings ist das MHD nicht automatisch ein Verfallsdatum – im Gegenteil: Oft können Lebensmittel wie Bier noch viel länger einwandfrei genossen werden", sagt Georg Schäfer, Sprecher der Geschäftsführung des Hauses Kölscher Brautradition.

Darin gebündelt sind die Kölsch-Marken der Radeberger Gruppe. Neben Gilden und Sion sind dies Peters, Dom und Sester. „Nach Freigabe durch unsere Qualitätssicherung konnten wir das Mindesthaltbarkeitsdatum unserer Fassbiere um zwei Monate verlängern“, sagt Schäfer. Betroffene Gastronomen würden kurzfristig neue Banderolen mit anderen Daten zugeschickt bekommen.

Gaffel und Früh lehnen Verlängerung ab

Andere Kölsch-Brauer sehen dieses Vorgehen kritisch und lehnen es strikt ab. Die Mühlenkölschbrauerei etwa. Geschäftsführer Michael Rosenbaum etwa sagte auf Anfrage: „Führt etwa Corona dazu, dass das Mindesthaltbarkeitsdatum verlängert werden kann? Nein. Deshalb machen wir das natürlich nicht“, schreibt Rosenbaum.

Auch bei Gaffel-Kölsch lehnt man eine Verlängerung kategorisch ab. „Für uns stellt sich die Situation nicht, da wir unseren Produktionsplan nach dem ersten Lockdown auf die veränderte Bestellsituation in der Gastronomie angepasst haben. Die gastronomischen Betriebe, die wir beliefern, bevorratet sich nicht mehr, sondern ordern Fassbier bedarfsgerecht. Daher gibt es in den allermeisten Fällen keine Überkapazitäten“, sagt Thomas Deloy, Marketing-Chef bei Gaffel.

Auch Früh verlängert das Haltbarkeitsdatum bei seinen Fassbieren nicht. „Die bereits verkauften Fässer aus Lieferungen vor dem Lockdown sind zwischenzeitlich fast vollständig umgetauscht worden oder zurückgegeben“, sagt Dirk Heisterkamp, Verkaufsleiter bei Früh. Es seien partnerschaftliche Lösungen mit den betroffenen Getränkefachgroßhändlern getroffen worden.

Radeberger verteidigt Vorgehen als „nachhaltig“

Bei den Radberger-Brauereien verteidigt man das Vorgehen. Das seinerzeit noch abgefüllte Fassbier habe ein ausgewiesenes MHD von sechs Monaten. „Unser in Flaschen abgefülltes Kölsch aus denselben Produktions- und Abfüllzeiten weist hingegen ein MHD von neun Monaten aus – und das, obwohl ein Fass aus qualitativer Sicht das bessere Gebinde für die Aufbewahrung von Kölschbieren darstellt: Es ist luftdicht und schützt vor Lichteinfall – beides Kriterien, die sich negativ auf die Bierqualität auswirken können“, sagt Georg Schäfer.

Aber warum dann Fassbier nicht direkt mit einem längeren MHD kennzeichnen? „Der Grund liegt in der Größe des Fass-Mehrwegpools und ist rein logistischer Natur: In Zeiten ohne Pandemie sind wir darauf angewiesen, dass unsere Fässer schnell zu uns zurückgeführt werden, um diese wieder nachfragegerecht befüllen zu können. Und dies erzielen wir mit einem rein aus logistischen Gründen kürzeren MHD“, sagt Schäfer.

Vom Verband der Kölschbrauer heißt es dagegen: „Die meisten Kölner gastronomischen Betriebe haben sich nicht bevorratet, sondern ordern Fassbier bedarfsgerecht. Soweit es in Einzelfällen zu Überkapazitäten kam, haben die Kölner Brauereien partnerschaftlich das Fassbier zurückgenommen“, sagt Christian Kerner, Geschäftsführer des Verbandes. Die Festsetzung des MHD werde von den Kölsch-Brauereien gewöhnlich sehr eng gefasst.

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Auch die Warsteiner Brauerei hat zur Verlängerung des Mindesthaltbarkeitsdatums um zwei Monate gegriffen. Bei sachgemäßer Lagerung könne das Bier „einwandfrei ausgeschenkt und ohne Qualitätsverlust genossen werden“. Dieser „unbürokratische Lösungsweg, der nur geringfügige Mengen betrifft“, sei mit dem Getränkefachgroßhandel besprochen und dort begrüßt worden, versicherte Warteiner-Sprecherin Sinje Vogelsang. Sie verwies auf die Informationskampagne „Zu gut für die Tonne!“ der Bundesregierung gegen Lebensmittelverschwendung. Auch Warsteiner handele nachhaltig und wolle unnötige Lkw-Fahrten und die Entsorgung von Fässern einwandfreier Güte vermeiden.

Es ist nicht verboten, die Haltbarkeitsfrist nachträglich zu verlängern. „Lebensmittel dürfen über das Mindesthaltbarkeitsdatum hinaus verkauft und dafür umetikettiert werden“, stellt das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit klar. Die Unternehmen müssten aber vorher prüfen, ob die Produkte weiter sicher seien.

Auch aus Sicht der Verbraucherzentrale ist die nachträgliche MHD-Verlängerung unproblematisch. „Von der Mikrobiologie her sehe ich da kein Problem“, sagte Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg. „Kleinere Aromaveränderungen“ könne es aber eventuell geben. Das Bier müsse jedenfalls dunkel und kühl gelagert werden.

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