Obwohl die Branche lahmt, laufen die Geschäfte bei der Kölner Strabag AG prächtig. Vorstand Thomas Nyhsen über verkorkste Großprojekte, zaghaften Umweltschutz und einen Tausendfüßler namens Strabag.
Kölner Bauriese Strabag„Die Politik sollte beim Klimaschutz mehr tun“

Warum ausgerechnet ein Baukonzern mehr Klimaschutz einfordert, erklärt der technische Vorstand der Strabag AG, Thomas Nyhsen.
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Herr Nyhsen, Sie sind wahrscheinlich der einzige, der sich über die zahlreichen Baustellen freut, wenn er durch Köln fährt…
Thomas Nyhsen: Ich stehe jedenfalls am liebsten bei unseren eigenen Baustellen im Stau. Generell sind Baustellen immer so negativ behaftet. Man sagt ja, wenn man ein Problem hat, hätte man da noch eine Baustelle. Für mich ist das Wort immer etwas Positives.
So wie Sie anders auf die Baustelle blicken, so hat Strabag auch einen unüblichen Blick auf den Klimaschutz. Während andere über zusätzliche Lasten klagen, hat Strabag kürzlich einen Appell der Stiftung Klimawirtschaft unterzeichnet, bei der Energiewende nicht nachzulassen. Warum das?
Wir haben festgestellt, dass im Moment die Prioritäten etwas verrutscht sind. Wir haben in Deutschland immer gesagt, wir als große Industrienation müssen beim Klimaschutz vorangehen. Wenn wir nachlassen, dann tun es die anderen auch. Die Politik sollte mehr tun.
An welcher Stelle?
Zum Beispiel beim Thema Kreislaufwirtschaft. Wir bauen derzeit viele der großen Stromtrassen, um die Energie von der Nordsee in den Süden zu transportieren. Diese Trassen sind hunderte Kilometer lang, wir bauen also riesige Rohrgräben. Früher hätte man das Material dafür ausgebaggert und zur Deponie gefahren. Nach der Rohrverlegung hätte man die Gräben dann mit neuem Natursteinmaterial, zum Beispiel Kies, wieder zugeschüttet. Eine riesige Ressourcenverschwendung. Es geht ja nicht nur um Millionen Kubikmeter Material, sondern auch um die Lkw, die beim Transport CO₂ ausstoßen, die Straßen belasten und vieles mehr.
Und heute?
Heute haben wir entlang der gesamten Strecke in bestimmten Abständen Recyclingstandorte. Wir bereiten das ausgehobene Material auf und bauen es wieder ein. Das ist alles umsetzbar, bei den Behörden fehlt aber oft die Bereitschaft, diese Anforderungen auszuschreiben.
Fällt es einem großen Unternehmen wie Strabag leichter als den mittelständischen Wettbewerbern, solche Anforderungen zu bewältigen?
Warum sollten das nicht alle können? Die Investition für ein einfaches Recycling ist eine Siebanlage und eine Brechanlage, die kann man auch mieten. Auch jedes andere Bauunternehmen hat die Möglichkeit hierzu. Daraus ergibt sich kein Wettbewerbsvorteil für uns. Wir bauen noch immer unter Autobahnen Naturschotter ein, den wir vorher aus Steinbrüchen herausholen, während der Aushub auf der Deponie landet. Das geht mir nicht nur als Unternehmer, sondern auch als Bürger absolut gegen den Strich.
Viele Großprojekte in Deutschland verzögern sich, die Kosten explodieren. Woran liegt's?
Wir müssen oft bauen, was ein anderer plant. Sie müssen sich das so vorstellen: Die Verwaltung schreibt erst einmal ein Projekt zur Planung aus. Unser Anteil an einem Bauprojekt ist zwar mit Abstand am größten, aber wir kommen als Letztes an den Tisch und können unser Know-how nicht mehr einbringen. Außerdem sind häufig bei den Ausschreibungen auch keine Nebenangebote zugelassen, wir dürfen deshalb keine Alternativvorschläge machen. Deshalb plädiere ich bei bestimmten Projekten für funktionale Ausschreibungen. Also vereinfacht gesagt: „Es muss ein neuer Autobahnanschluss gebaut werden – macht mir ein Angebot.“
Dann machen Sie die Planung und tragen das Risiko?
Genau, wenn es in die Hose geht, tragen wir auch die Verantwortung. Das Projekt wird in der vorgesehenen Zeit fertig, sonst zahlen wir Vertragsstrafen. Und wir haben ein eigenes Interesse daran, dass die Kosten niedrig bleiben. Das ist eine Win-win-Situation.
Woran hakt es noch bei öffentlichen Ausschreibungen?
Ein Problem ist auch, dass wir die Projekte in vielen kleinen Losen ausschreiben. Das soll natürlich den Wettbewerb fördern. Aber daraus ergeben sich viele Schnittstellen mit großem Koordinationsaufwand. Auch daran scheitert das ein oder andere Großprojekt. Beispiel Berliner Flughafen: Da war die Gewährleistung für die Landebahn schon abgelaufen, ehe das erste Flugzeug darauf gelandet ist. Wenn man einzelne, große und komplexe Bauvorhaben, vielleicht zehn, zwanzig Prozent, nicht so kleinteilig angehen würde, hätte man bessere und schnellere Ergebnisse.
Strabag hat zuletzt einen Rekordauftragsbestand gemeldet. Wie kam der zustande?
Der Asphaltbau ist eines unserer größten Gewerke. Dieses Jahr haben wir 20 Prozent weniger als in den Vorjahren einbauen können. Das haben wir aber frühzeitig erkannt und uns dann intensiv mit dem Thema Stromtrassen befasst und waren dort auch erfolgreich. Wir haben Möglichkeiten, gegenzusteuern: Wir bauen auch schon mal eine Zufahrt, vielleicht nicht zu einem Privathaus, aber zu einer Klinik. Die Strabag ist wie ein Tausendfüßler, wenn mal zwei Beine nicht laufen, laufen die anderen.
Die 500 Milliarden Euro für Infrastruktur und Klima aus dem Sondervermögen des Bundes haben da noch gar keine Rolle gespielt?
Nein, davon ist noch nichts auf der Straße. Wir haben 16.000 kaputte Brücken in Deutschland, die Infrastruktur ist wirklich in einem bedauernswerten Zustand. Ich habe manchmal den Eindruck, die Politik denkt, wir bauen weniger Straßen und lassen die alten zerfallen, dann gibt es auch weniger Verkehr. Aber das funktioniert natürlich nicht.
Sind denn bei Ihnen überhaupt die Kapazitäten und das Personal da, um die Modernisierung zu stemmen?
Kapazitäten gibt es genug. Beim Personal versuchen wir einiges vom demografischen Wandel abzufangen, mit effizienteren Arbeitsgeräten. Aber wir müssen uns auch nichts vormachen, es sind immer noch Knochenjobs. Wenn man im Sommer bei 40 Grad am Fertiger steht und 160 Grad heißen Asphalt einbaut, ist das schon eine Herausforderung. Deshalb suchen wir ständig nach Lösungen, um die Arbeit auf der Straße sicherer und weniger belastend für unsere Mitarbeitenden zu machen.
Strabag hat sich selbst Klimaneutralität bis 2040 verordnet, und zwar entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Was bedeutet das konkret?
Wir reden beispielsweise von der Elektrifizierung unserer Fahrzeugflotte. Bei den Großgeräten ist das keine einfache Aufgabe. Ein Bagger muss acht Stunden am Stück laufen. Bei den elektrischen Großgeräten ist dies aber aufgrund der Batteriekapazität aktuell nicht möglich. Besser funktioniert das bei Elektro-Kleingeräten, zum Beispiel bei Rüttelplatten und Vibrationsstampfern. Wir schützen mit der Elektrifizierung ja nicht nur das Klima, sondern auch unsere Mitarbeiter, die bislang noch den Abgasen ausgesetzt sind.
Passiert auch etwas bei den Asphaltmischanlagen?
Ja, das sind auch große CO₂-Schleudern. Die versuchen wir auch mit anderen Energieträgern zu betreiben. Aber da müssen sehr hohe Temperaturen gefahren werden. Wir arbeiten deshalb auch mit der Industrie zusammen, die diese Mischanlagen herstellt. Zugegeben sind hier noch sehr große Hürden zu bewältigen.
Der Bau in Deutschland ist stark mittelständisch geprägt. Wie groß ist der Anteil von Strabag?
Wir sind sicherlich im Verkehrswegebau mit Abstand die größte Baufirma in Deutschland, mit ca. 15.000 Mitarbeitern an über 200 Standorten. Wir betreiben außerdem Steinbrüche, Deponien und Mischanlagen. Unser Anteil am Gesamtmarkt liegt dennoch nur bei etwa zwölf Prozent.
Wird das so bleiben?
Ich glaube schon, dass sich das etwas verschieben wird. Das liegt aber nicht an den Großprojekten. Es gibt einfach viele familiengeführte Unternehmen, die Nachfolgeprobleme haben.
Gehen die dann in der Strabag auf?
Das passiert schon mal. Wir haben auch in der Vergangenheit die ein oder andere Firma akquiriert. Wir kaufen aber nicht systematisch alle mittelständischen Unternehmen weg.
Profitiert dann auch die Region Köln vom Personalaufbau?
Natürlich, wir haben hier unsere Zentrale mit rund 1800 Mitarbeitern. Und wir haben viele offene Stellen, alleine derzeit etwa 150 hier im Kölner Raum.
Thomas Nyhsen
Thomas Nyhsen ist seit 2023 Vorstand der Strabag AG in Köln. Der Diplom-Ingenieur arbeitet bereits seit 1996 für den Baukonzern. Nyhsen war dort zunächst 16 Jahre lang technischer Leiter des Bereichs Düren, später stand er in selber Funktion an der Spitze der NRW-Direktion. Die Strabag AG ist eine Tochter der Wiener Strabag SE. Zum Unternehmensgeflecht gehört auch der Hochbauer Züblin. Die Stuttgarter sind eine 100-prozentige Tochter der Strabag AG.

