Kommentar zur FörderkürzungDas waghalsige Experiment der Öl-Staaten

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Ingenieure von Saudi Aramco am Khurais-Ölfeld während einer Führung für Journalisten.

Ingenieure von Saudi Aramco am Khurais-Ölfeld während einer Führung für Journalisten.

Inmitten einer wirtschaftlichen Schwächephase treiben die Opec-Länder den Ölpreis in die Höhe. Sie könnten die langfristige Wirkung unterschätzen.

Die dramatischen Ereignisse am Ölmarkt im April 2020 sind fast in Vergessenheit geraten. Saudi-Arabien und Russland fochten damals einen Machtkampf aus. Sie pumpten Öl, was das Zeug hielt, obwohl die Nachfrage während des ersten globalen Lockdowns massiv wegbrach. Ziel war damals, den jeweils anderen in die Knie zu zwingen. Das ging so weit, dass negative Preise gezahlt wurden: Raffinerien, die Tankerladungen mit Rohöl übernahmen, bekamen sogar noch Geld dafür.

Doch dann rauften sich die Kontrahenten zusammen. Unter saudischer und russischer Ägide wurde eine gigantische Förderkürzung beschlossen: um fast zehn Millionen Fass pro Tag. Ein Wendepunkt. Seither funktioniert die Kooperation in dem erweiterten Öl-Kartell, das sich Opec+ nennt.

Jetzt könnte der Moment für einen weiteren Paradigmenwechsel gekommen sein, quasi für „Opec++“. Die alte Opec passte sich dem Auf und Ab der weltweiten konjunkturellen Stimmungen an, sie nahm notfalls und zumindest in begrenztem Maß auch sinkende Preise in Kauf, um die wirtschaftliche Entwicklung in Industrieländern zu stabilisieren. Eine Opec++ könnte nun das Ziel verfolgen, den Ölpreis konstant hochzuhalten.

Autofahrer müssen sich auf steigende Preise einstellen

Russland jedenfalls benötigt hohe Erlöse aus dem Ölexport sehr dringend. Und auch die Saudis können zusätzliche Milliarden gut gebrauchen – für das Gigaprojekt, die Tourismus- und die Logistikbranche im Land auszubauen. Deshalb die völlig überraschende Förderkürzung in einer weltwirtschaftlich labilen Phase, was früher undenkbar gewesen wäre.

Gelingt das Experiment, müssen sich die deutschen Autofahrer und Betreiber von Ölheizungen auf dauerhaft hohe Preise einstellen. Doch die erdölexportierenden Länder gehen damit zugleich ein doppeltes Risiko ein. Steigen Rohölpreise zu stark, drohen neue Inflationsschübe, die in Rezessionen nebst Einbrüchen der Ölnachfrage münden könnten. Zugleich werden mit teurem Sprit und Heizöl Alternativen attraktiver: Elektroautos und Wärmepumpen.

Und so könnte die Opec++ ungewollt befördern, was sie eigentlich gar nicht gebrauchen kann: Den forcierten Abschied von fossilen Energiequellen – nicht nur in Deutschland, sondern in allen großen Industrieländern.

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