Konkurrenz für Flink und GorillasSo will Getir die Kölner überzeugen

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Der Lieferdienst getir liefert Lebensmittel auf dem E-Roller

Der Lieferdienst getir liefert Lebensmittel auf dem E-Roller

Köln – E-Mopeds statt Bikes: Anders als die Mitbewerber von Gorillas und Flink versorgt der Schnelllieferdienst Getir die Kölnerinnen und Kölner seit kurzem über elektrifizierte Roller. Das kommt besonders den Lieferantinnen und Lieferanten zugute, müssen diese ihre Rücken nun nicht mehr mit den kubistischen Rucksäcken belasten, denn auf den E-Mopeds befindet sich eine Transportbox. Auch müssen sie weniger in die Pedale treten als beim E-Bike, im Gegenzug aber auf Abkürzungen beispielsweise durch Parks verzichten und mit dem regulären Straßenverkehr schwimmen. Dennoch: Wer mehr Wert auf das E-Bike legt, darf dieses auch bei Getir fahren.

Schnelllieferdienste wollen ihre Kundinnen und Kunden innerhalb von rund zehn Minuten beliefern. Damit das gelingt, setzen sie auf ein reduziertes Produktsortiment aus den gängigsten Supermarkt- sowie Haushalts- und Drogerieartikeln. Die rund 1000 bis 2000 Artikel lagern in mehreren kleinen sogenannten Darkstores – dort werden die vom Kunden per App bestellten Produkte zusammengestellt und den Fahrern übergeben.

Keine Liefergebühr, dafür Mindestbestellwert

Bei Getir passiert das zwischen 9 und 23 Uhr, etwas kürzer als bei der Konkurrenz von Gorillas (8 bis 23 Uhr) und Flink (7.30 Uhr bis 23 Uhr, freitags und samstags bis 0 Uhr). Sonntags haben alle geschlossen. Eigenen Angaben nach beliefert Getir die Altstadt-Nord, Altstadt-Süd, Buchheim, Ehrenfeld, Innenstadt, Mülheim, Neustadt-Süd, Nippes, Sülz und Zollstock. Eine Erweiterung der Liefergebiete stehe aber auf der Agenda.

Eine Liefergebühr hat Getir anders als Flink und Gorillas nicht, die beide mittlerweile bei kleineren Einkäufen 3,90 Euro aufrufen. Erst ab 10 bzw. 15 Euro sinkt bei ihnen die Gebühr auf 1,80 Euro. Während Gorillas keinen und Flink einen Mindestbestellwert von einem Euro aufruft, liegt dieser bei Getir bei 10 Euro. Bezahlt werden kann bisher nur mit den üblichen Kreditkarten, Gorillas und Flink bieten zusätzlich auch Paypal an.

Neben den E-Mopeds stellt Getir seinen Fahrerinnen und Fahrern auch Smartphones zur Navigation und Lieferabwicklung sowie Kleidung. Verdienten sie anfangs noch 10,50 Euro, erhalten sie nun einen Stundenlohn von 12 bis 13 Euro, je nach Vertragsverhältnis (unbefristet in Vollzeit, temporär, Teilzeit) und je Auswahl von E-Bike oder E-Moped.

Getir wurde 2015 von Nazim Salur im türkischen Istanbul gegründet, der Name bedeutet so viel wie „Bring“ auf Deutsch. Mittlerweile beliefert das Unternehmen die Einwohnerinnen und Einwohner 81 türkischer Städte, in Europa sind es 45 weitere Städte. In den US-Markt ist der Lieferdienst in den Städten New York, Chicago und Boston gestartet.

Geld aus Russland

Bei einer erst vor kurzem abgeschlossenen Finanzierungsrunde hat Getir die für Start-ups enorme Summe von 694 Millionen Euro eingesammelt und es somit zu einer Bewertung von über zehn Milliarden Dollar gebracht. Dem Fachjargon „Unicorn“ bei einer Bewertung von einer Milliarde Dollar entsprechend hat Getir somit den Status eines „Dekacorns“ erreicht. Vom US-Mitbewerber GoPuff, mit einer 40-Milliarden-Dollar-Bewertung, ist Getir damit aber noch weit entfernt.

In besagter Finanzierungsrunde gesellten sich bekannte Namen zu den Investoren, darunter der arabische Staatsfonds Mubadala, der Wagniskapitalgeber Sequioa Capital aus dem Silicon Valley oder Tiger Global aus London. Vor weniger als einem Jahr sammelte Getir bereits 500 Millionen Euro ein – dabei kam ein weiterer Investor hinzu: der Wagniskapitalgeber Winter Capital mit Sitz auf Zypern.

Finanziert wurde Winter von Interros, einem von Vladimir Potanin gegründetem Investmentfonds. Der Oligarch ist einer der reichsten Männer Russlands, war Chef von Norilsk Nickel, einem der größten Metallproduzenten der Welt und zwischenzeitlich stellvertretender Ministerpräsident Russlands. Er gilt als nahestehend zu Russlands Präsidenten Wladimir Putin. Im Rahmen des Angriffskriegs Russlands auf die Ukraine wurde er allerdings nicht mit Sanktionen belegt. Allerdings trat er kurze Zeit nach einem Oligarchen-Treffen mit Putin im Kreml aus dem Vorstand des New Yorker Guggenheim-Museums zurück, das er rund 20 Jahre finanziell unterstützt hatte.

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„Getir steht fest an der Seite des ukrainischen Volkes. Aus diesem Grund haben wir fünf LKW-Ladungen mit lebenswichtigen Gütern geschickt, die bereits in der Ukraine angekommen sind“, erklärt ein mit der Sache vertrauter Mitarbeiter des Unternehmens dieser Zeitung. 

„Winter Capital hat im Juni 2021 in Getir investiert und hält eine Minderheitsbeteiligung von 0,45 Prozent. Das Unternehmen hat mehrere Limited Partners (Anm. d. Red.: angelsächsische Unternehmensrechtsform), von denen einige auch in Russland ansässig sind. Sollten Sanktionen gegen Winter Capital verhängt werden, werden wir die notwendigen Anpassungen vornehmen. In der Zwischenzeit prüfen unsere Rechtsteams die Angelegenheit, damit wir in angemessener Weise handeln können.“

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