Pharma-Start-up DermanosticKünstliche Intelligenz, die Hautkrebs erkennt, soll 2024 erscheinen

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KI in der Dermatologie: Eine Frau fotografiert mit einem Handy die Haut auf ihrem Arm ab.

Das Start-up Dermanostic hat angekündigt, eine KI zur Diagnose von Hautkrankheiten zu entwickeln.

Der Nivea-Konzern Beiersdorf glaubt an die Ideen des jungen Unternehmens und hat zwei Millionen Euro investiert.

Künstliche Intelligenz (KI) kann einen Arztbesuch noch nicht ersetzen. Aber Dermanostic arbeitet daran. Die App für die Diagnose von Hautkrankheiten speist Patientenbilder in eine KI ein. Noch begutachten Ärztinnen und Ärzte die hochgeladenen Bilder. Dermanostic-Gründerin Estefanía Lang kündigte im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ an, Anfang 2024 eine KI publizieren zu wollen, die das obsolet mache. Könnten KIs wie diese das Gesundheitssystem entlasten? Das Potenzial ist groß – ebenso die Zahl noch ungeklärter Rahmenbedingungen.

Dermanostic: Beiersdorf investierte zwei Millionen Euro

Dermanostic ist ein 2019 in Düsseldorf gegründetes Start-up für Teledermatologie. Die zwei Gründerehepaare Estefanía und Patrick Lang und Alice und Ole Martin überzeugten damit bereits vergangenes Jahr den Nivea-Konzern Beiersdorf, der zwei Millionen Euro investierte.

Patientin macht ein Foto von ihrer Haut für die App Dermanostic. Das Düsseldorfer Start-ups entwickelt aus den hochgeladenen Bilder eine KI für die Diagnose von Hautkrankheiten.

Eine Patientin macht ein Foto von ihrer Haut.

Noch ist das Geschäft von Dermanostic die App, in der Patientinnen und Patienten Bilder ihrer potenziellen Hautprobleme hochladen und einen standardisierten Fragebogen ausfüllen, um in kurzer Zeit einen ärztlichen Befund zu erhalten. 25 Euro zahlen Nutzerinnen und Nutzer, das Geld können bisher nur Privatversicherte von ihrer Krankenkasse zurückholen.

Dermanostic: Künstliche Intelligenz der „wahre Schatz“

150.000 Patientinnen und Patienten nutzten nach Angaben von Dermanostic den Dienst bereits. Weil jedes Mal drei Fotos des Hautproblems hochgeladen werden, müsste dem Unternehmen also ein Datensatz von 450.000 Bildern vorliegen. Ein Bioingenieur speist sie in eine KI ein, der „wahre Schatz“ von Dermanostic, wie Estefanía Lang es ausdrückte. Die Dermatologin und Co-Gründerin sagte, Anfang 2024 publiziere Dermanostic zwei KIs, die von selbst zuverlässige Diagnosen stellen können.

Derzeit ist die Konkurrenz mit zahlreichen ähnlichen Teledermatologie-Anbietern groß, die KI könnte ein Alleinstellungsmerkmal werden. Damit wachsen für Dermanostic aber auch die Mitstreiter: Google kündigte 2021 an, die Gesundheits-App Derm Assist mit KI zur Bestimmung von Hautkrankheiten in die Suche integrieren zu wollen.

Estefanía Lang, Dermatologin und Co-Gründerin von Dermanostic

Estefanía Lang, Dermatologin und Co-Gründerin von Dermanostic

Den Vorteil ihres Datensatzes sieht Estefanía Lang in den Amateur-Fotos. Bisherige Studien hätten mit standardisierten Fotografien gearbeitet – Dermanostic nutzt die Hand-Bilder der Patientinnen und Patienten. Also könne ihre KI mit unterschiedlichen Lichtverhältnissen und Hintergründen umgehen.

Aber die KI habe einen Bias, sagte Lang, sei also voreingenommen. Sie werde noch nicht auf schwarzer Haut anwendbar sein. Bisher beinhalte der Datensatz größtenteils kaukasische Hauttypen. Vorurteile oder Einseitigkeiten sind eine Herausforderung, vor der viele KIs stehen. Sie können nur mit dem Datenmaterial arbeiten, mit dem sie gefüttert wurden.

Facharzttermine sind schwer zu bekommen

Dass eine KI, in diesem Fall ein Convolutional Neural Network (CNN, dt.: faltendes neuronales Netzwerk), Hautkrebs sogar besser erkennen kann als Dermatologen und Dermatologinnen, haben schon unabhängige Studien, veröffentlicht 2017 im Fachjournal „Nature“ oder 2019 im „European Journal of Cancer“, bewiesen. Ob die Dermanostic-KI auch Krebs erkennen wird, lässt Lang in Hinblick auf die Konkurrenz unbeantwortet, es scheine aber sehr wahrscheinlich.

Der Nutzen für Patientinnen und Patienten könnte also groß sein: Facharzttermine sind schwer zu bekommen, der Weg in eine Praxis mitunter zeitaufwändig. Mit Apps sinkt die Hemmschwelle zur womöglich gesundheitlich notwendigen Diagnose. Auf Seite der Ärztinnen und Ärzte kann eine KI ebenfalls entlasten: Relevante Fälle könnten vorab von harmlosen unterschieden, die Praxen für diejenigen freigehalten werden, die tatsächlich eine Behandlung brauchen.

Doch Ralph von Kiedrowski, Hautarzt und Präsident des Berufsverbandes Deutscher Dermatologen, sagt: „Eine KI ohne Doktor wird es nicht geben.“ Nach derzeitiger Rechtslage dürfe eine KI nicht ohne haftenden Menschen diagnostizieren. Deshalb stellt der Hautarzt den Nutzen der App infrage: Habe man einen Befund erhalten, müsse man trotzdem für die Behandlung eine Praxis suchen, wo erneut diagnostiziert werde.

Dermanostic hält dagegen, dass 92 Prozent ihrer Patientinnen und Patienten keinen weiteren Termin benötigten. Das Gesundheitssystem entlasten, indem es die Versorgung strukturiert, könnte die KI laut Von Kiedrowski erst, wenn sich dessen grundlegende Struktur mit einer einheitlichen Pauschale pro Behandlung reformiert hat: „Als niedergelassener Arzt kann man es sich fast nicht leisten, Bagatellen aus der Praxis rauszuhalten“, sagte er.

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