IW-StudieKrieg, Pandemie und Fachkräftemangel kosten deutsche Wirtschaft 175 Milliarden Euro

Lesezeit 3 Minuten
Ein Containerschiff der Reederei Cosco Shipping wird am Container Terminal Tollerort im Hafen be- und entladen.

Energiekrise, Rekordinflation und Lieferengpässe setzen der Wirtschaft zu.

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine belastet die deutsche Wirtschaft. Ein Wohlstandsverlust von rund 2.000 Euro pro Person sei möglich.

Neue Analysen zeichnen ein düsteres Bild der wirtschaftlichen Entwicklung Deutschlands. Der Krieg Russlands gegen die Ukraine, Fachkräftemangel und die Folgen der Corona-Pandemie belasten demnach die Wirtschaft.

Russischer Angriffskrieg könnte Wohlstandsverlust von etwa 2.000 Euro pro Person bedeuten

Allein die Kosten der Kriegsfolgen beziffert das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) für das laufende Jahr mit voraussichtlich 175 Milliarden Euro. Pro Person entspricht dies der am Montag veröffentlichten Studie zufolge Wohlstandsverlusten von etwa 2000 Euro.

Für die Berechnung wurde laut IW die aktuelle Lage verglichen mit einem Szenario, in dem es keinen Krieg und damit keine hohen Energiepreise oder Lieferengpässe gibt. Daraus habe sich ein preisbereinigter Verlust von etwa 4,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) ergeben.

Zudem habe es durch Lockdowns und Unsicherheiten aufgrund der Corona-Pandemie bereits 2020 einen Wohlstandsverlust von ebenfalls 175 Milliarden Euro gegeben, 2021 dann von 125 Milliarden Euro und 2022 insgesamt von knapp 120 Milliarden Euro. Daraus ergebe sich ein Minus für den Zeitraum von 2020 bis Ende 2023 von zusammen 595 Milliarden Euro.

Die Situation ist nach wie vor sehr fragil. Die Ausnahmesituation wird uns auch in den kommenden Monaten beschäftigen und den Wohlstand belasten
Michael Grömling

„Die Situation ist nach wie vor sehr fragil“, erklärte IW-Ökonom Michael Grömling. „Die Ausnahmesituation wird uns auch in den kommenden Monaten beschäftigen und den Wohlstand belasten“, warnte er weiter. Als zentrale Probleme sieht das Institut Unsicherheiten im Energiebereich, hohe Kosten nicht nur für Strom und Gas, sondern auch für Vorprodukte und Rohstoffe und damit einhergehende Zurückhaltung bei Investitionen.

Außerdem sinke die Nachfrage privater Haushalte, da diese ebenfalls durch die Preissteigerungen belastet würden. Auf Fachkräftemangel und eine nur mäßige Produktivitätsentwicklung verweist die bundeseigene Förderbank KfW in einer Analyse mit dem Titel „Die Ära gesicherten Wachstums ist vorbei“. Seit 2012 habe sich die Arbeitsproduktivität nur um 0,3 Prozent pro Jahr erhöht.

Das Fehlen von Fachkräften behindert bereits die Geschäftstätigkeit von jedem zweiten Unternehmen
Förderbank KfW-Analyse

„Das Fehlen von Fachkräften behindert bereits die Geschäftstätigkeit von jedem zweiten Unternehmen“, heißt es weiter. Von einer wirtschaftlichen „Zeitenwende“ ist daher in der KfW-Analyse die Rede. Wenn sich der Rückgang des inländischen Fachkräfteangebots weiter verringere, würde Deutschland „noch in diesem Jahrzehnt in eine Ära anhaltend stagnierenden, womöglich schleichend schrumpfenden Wohlstands“ eintreten. „Andauernde Wohlstandsverluste ließen zunehmende Verteilungskonflikte und eine verstärkte Nutzungskonkurrenz um knappe Ressourcen erwarten.“

Zur Abmilderung des Fachkräftemangels hält die KfW eine Kombination unterschiedlicher Instrumente für erforderlich. Genannt werden eine höhere Erwerbsquote im Alter zwischen 15 und 64 Jahren, aber auch oberhalb von 65 Jahren, sowie die Zuwanderung ausländischer Erwerbstätiger. Auch sollte die Produktivität etwa durch effizientere Arbeitsabläufe oder durch mehr Automatisierung erhöht werden.

„Für sich genommen würde keine dieser Maßnahmen ausreichen. In der Summe können sie viel bewirken“, hieß es. Auf die Risiken durch den Fachkräftemangel verweist auch das IW. Besorgt äußerte sich das Institut über aktuelle Daten zum Rückgang der Zahl der Studienanfängerinnen – und anfänger in mathematisch-naturwissenschaftlichen sowie technischen Fächern (MINT).

Wirtschaft: Mangel an 140.000 Expertinnen und Experten in MINT-Berufen

Bereits jetzt fehlten rund 140.000 Expertinnen und Experten in akademischen MINT-Berufen, hieß es unter Berufung auf eigene Berechnungen. Laut Statistischem Bundesamt ist die Zahl der Studienanfängerinnen – und anfänger im MINT-Bereich 2021 verglichen mit dem Vorjahr um 6,5 Prozent zurückgegangen. Als eine Ursache wurde genannt, dass sich auch die Zahl der 17- bis 22-Jährigen in Deutschland verringerte. (afp)

KStA abonnieren