Wegen laufender Prozesse in den USA erhöht Bayer seine Rückstellungen. Die Probleme rund um das Pflanzenvernichtungsmittel Glyphosat sind noch lang nicht ausgestanden.
Teure Klagen in den USABayer legt weitere 1,7 Milliarden Euro zur Seite

Das Bayer-Kreuz auf dem Werksgeländer in Leverkusen.
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Bayer muss für die schon milliardenteuren US-Rechtsstreitigkeiten rund um Glyphosat und PCB noch mehr Geld auf die Seite legen. Insgesamt spricht das Unternehmen in einer Mitteilung aus der Nacht zum Freitag von Rückstellungen und Verbindlichkeiten von 1,7 Milliarden Euro, davon allein rund 1,2 Milliarden für Glyphosat und 530 Millionen für PCB.
Verklagt wird Bayer in den USA nicht mehr nur wegen angeblicher Krebsrisiken des Monsanto-Unkrautvernichters Glyphosat, sondern auch wegen möglicher Folgen der bis 1978 verkauften Chemikalie PCB. Für Schadenersatzzahlungen und außergerichtliche Vergleiche allein im Fall Glyphosat hat der Konzern bisher weit mehr als zehn Milliarden Euro aufgewendet. Die Zahl der angemeldeten Glyphosat-Klagen stieg hier zuletzt auf insgesamt etwa 192.000 Fälle. 131.000 Klagen hat der Konzern bereits beigelegt, für 61.000 Ansprüche stehen Einigungen derzeit noch aus.
Entscheidung des Supreme Court steht noch aus
Dass der Dax-Konzern nun noch einmal weitere Milliarden zurückstellt, begründet er neben Anwaltskosten unter anderem mit einem Berufungsurteil in einem Glyphosat-Prozess, das für Bayer negativ ausfiel. Der Konzern wolle weitere Rechtsmittel dagegen einlegen. Mit Blick auf die PCB-Streitfälle verwies das Unternehmen auf die Beilegung des Falls Burke sowie weitere mögliche Vergleiche mit Klägern, die die seit Jahrzehnten verbotene Chemikalie unter anderem für Hirnschäden verantwortlich machen.
Erst im Frühjahr hatte Bayer den Supreme Court der USA eingeschaltet und will damit das Problem der noch offenen Klagen krebskranker Glyphosat-Nutzer aus der Welt schaffen. Bayer hat beim obersten Gericht der Vereinigten Staaten die Überprüfung eines Falls aus dem Jahr 2023 beantragt. Das Urteil der Geschworenen beruhte damals nur auf der Annahme, dass das Gesetz im US-Bundesstaat Missouri eine Krebswarnung bei Glyphosat vorschreibe. Die Jury urteilte, dass Bayer zu einer Krebswarnung verpflichtet gewesen sei und sprach dem Kläger 1,25 Millionen Dollar zu.
Die Leverkusener sind allerdings felsenfest überzeugt: Die US-Umweltbehörde EPA lehne eine solche Warnung ab und habe das Pflanzenschutzmittel ohne entsprechende Auflage zum Verkauf freigegeben. Im Kern geht es also um die Frage, ob Klagen wegen fehlender Krebs-Warnhinweise auf der Verpackung des Spritzmittels durch US-Bundesrecht ausgeschlossen sein könnten. Bekommt Bayer Recht, wären entsprechende Klagen mit einem Mal vom Tisch. Das wäre der seit Jahren ersehnte Befreiungsschlag des Konzerns. Bayer hofft auf eine Entscheidung bis Juni 2026.
Um die Klagewelle in den Griff zu bekommen, schließt Bayer-Chef Bill Anderson einen Ausstieg aus dem Geschäft mit dem Unkrautvernichter in den USA mittlerweile nicht mehr aus. Im April stellte er den Fortbestand bei der Hauptversammlung erstmals offen infrage. „Wir kommen (...) langsam an einen Punkt, an dem uns die Klageindustrie zwingen könnte, die Vermarktung dieses systemkritischen Produktes einzustellen“, sagte Anderson den Aktionären. „Das wollen wir nicht, aber wir müssen uns auf alle möglichen Entwicklungen vorbereiten.“
Prognose für Umsatz und Gewinn angehoben
Bayer legte auch Eckdaten für das zweite Quartal vor, die der Konzern kommende Woche detailliert vorstellt. Der Konzern hob den Jahresausblick für den um Wechselkurseffekte bereinigten Umsatz sowie operativen Gewinn an. Die Pharmasparte habe sich im ersten Halbjahr besser entwickelt als erwartet, hieß es.
Für das Gesamtjahr 2025 erwartet Bayer nun insgesamt einen um Währungseffekte bereinigten Konzernumsatz von 46 bis 48 Milliarden Euro, also jeweils eine Milliarde mehr als bislang angekündigt. Beim Vorsteuergewinn geht das Unternehmen jetzt von 9,7 bis 10,2 Milliarden Euro aus (bislang: 9,5 bis 10,0 Milliarden Euro).
Im zweiten Quartal erlöste der gesamte Konzern 10,7 Milliarden Euro. Die Agrarchemie-Sparte Crop Science steigerte den Umsatz um 2,2 Prozent, das Geschäft mit rezeptpflichtigen Medikamenten wuchs leicht um 0,6 Prozent, die rezeptfreien Medikamente der Sparte Consumer Health um 0,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Der Gewinn vor Steuern und Sondereinflüssen betrug rund 2,1 Milliarden Euro.
Bayer-Chef Bill Anderson hofft, den Konzern bald aus der Misere führen zu können. Ab 2026 soll es auch dank der fortschreitenden Neuorganisation wieder besser laufen. Seit seinem Amtsantritt wurden 11.000 Stellen eingespart, zuletzt hatte Bayer rund 91.000 Stellen. Am Heimatstandort Leverkusen hat das Unternehmen in den vergangenen zwei Jahren fast 900 Stellen gestrichen, derzeit gibt es dort noch rund 5800 Vollzeitstellen. Als Folge des Stellenabbaus und der neuen Organisationsstruktur sollen die Kosten des Konzerns im Jahr 2026 um zwei Milliarden Euro gesenkt sein, hierbei sieht sich Bayer auf gutem Weg. Die tiefgreifende Transformation komme voran.