Studie des Kölner IWMaterial von Schubladenhandys könnte deutschen Bedarf für zehn Jahre decken

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Alte Handys und Smartphones liegen in einem Container, ehe sie geschreddert werden.

Alte Handys und Smartphones liegen in einem Container, ehe sie geschreddert werden. (Archivbild)

Laut einer Studie des IW haben 87 Prozent der Deutschen mindestens ein altes Handy herumliegen – diese könnten auch recycelt werden.

Ressourcen für Elektrogeräte werden zunehmend knapper und Lieferketten langsamer, aber die Nachfrage wird immer größer. Die Herausforderung, den Bedarf der Bevölkerung nach Geräten abzudecken, nimmt also zu. Einen Lösungsansatz bietet Urban Mining, denn seltene Rohstoffe wie Gold, Palladium oder Platin haben die meisten Deutschen zu Hause herumliegen - zum Beispiel in ihren alten Smartphones, Fernsehern und Laptops.

Werden Rohstoffe und Materialien aus diesen Altgeräten wiederverwendet, spricht man von Urban Mining. Eine neue Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) macht nun das Potenzial davon deutlich. „Wir haben versucht, mit einem anschaulichen Beispiel zu zeigen, wie viel Rohstoffe doch einfach zu Hause herumliegen“, erklärt Studienautorin und Kreislaufwirtschaftsexpertin Adriana Neligan, „Und wer hat nicht ein altes Handy in irgendeiner Schublade liegen?“.

IW-Studie: 87 Prozent der Deutschen haben mindestens ein altes Handy herumliegen 

Neligan hat deshalb mit Kolleginnen und Kollegen eine theoretische Rechnung durchgeführt. Insgesamt hatten 2022 ganze 87 Prozent der Bürgerinnen und Bürger mindestens ein altes Handy zu Hause herumliegen. In Summe ergab sich eine Gesamtzahl von circa 210 Millionen Schubladenhandys. Würden all diese Handys und Smartphones recycelt, würden die gewonnenen Materialien für Deutschland den Bedarf für alle neuen Smartphones der nächsten zehn Jahre decken, zeigt die Studie. „In einem Handy ist zwar nur 0,017 Gramm Gold, aber das macht zum Beispiel zwei Drittel des Metallwerts eines Smartphones aus“, veranschaulicht Neligan. Hochgerechnet seien das 3,6 Tonnen ungenutzte Tonnen Gold. 

In einem Handy ist zwar nur 0,017 Gramm Gold, aber das macht zum Beispiel zwei Drittel des Metallwerts eines Smartphones aus. Hochgerechnet sind das dann 3,6 Tonnen Gold, die ungenutzt sind.
Adriana Neligan, Institut der deutschen Wirtschaft

Der Gesamtmetallwert der ungenutzten Handys liege bei rund 240 Millionen Euro, so Neligan. Gleichzeitig entspreche der Materialwert der im Jahr 2021 verkauften Smartphones in Deutschland 23,5 Millionen Euro. Somit könnte der jährliche Bedarf zehnmal gedeckt werden. Urban Mining könne aber auch bei anderen Geräten funktionieren.

Das hat zwei zentrale Vorteile. Einerseits ist Urban Mining umweltfreundlich, weil Rohstoffe wiederverwendet werden und die Produktion von Neuprodukten, bei denen viel Abfall anfällt, verringert werden kann. Andererseits macht die Nutzung von Rohstoffen aus Altgeräten auch unabhängiger von Exportländern wie China, weil die Rohstoffe bereits in Deutschland sind.

Adriana Neligan: Urban Mining kann nicht die alleinige Lösung sein

Ein klarer Nachteil des Urban Minings ist jedoch, dass es noch nicht effizient genug ist, sagt Neligan. Der reine Metallwert eines alten Handys liege bei 1,15 Euro, die Kleinteiligkeit der Geräte erschwere das Recycling. Daher lohne sich die Wiederverwertung rein betriebswirtschaftlich noch nicht. Unter anderem, weil Skaleneffekte eine Rolle spielen und nicht genug Geräte zurückgegeben würden.

Urban Mining stelle deswegen eine zusätzliche, inländische Quelle, aber nicht die Lösung dar, meint Neligan: „Besser wäre es, bereits bei der Produktentwicklung Abfälle zu vermeiden oder die Geräte und ihre Komponenten nach Nutzung für eine Wiederverwendung professionell aufzubereiten“. Bevor ans Recycling gedacht wird, sollte also immer zunächst geschaut werden, ob das Gerät noch einmal genutzt werden kann, zum Beispiel durch Refurbishment.

Das IW wünscht sich Unterstützung von Bürgerinnen und Bürgern, aber auch der Politik. Möglichkeiten, alte Geräte zurückzugeben, gäbe es bereits viele, berichtet Neligan. Diese würden aber nicht genug genutzt. „Die Hürde ist da irgendwie noch zu hoch, auch weil die Leute Angst um ihre Daten haben“, meint Neligan. Hier müsse noch mehr Anreiz geschaffen werden. Auch Leasing-Methoden hält die Wissenschaftlerin für eine gute Lösung, um Produkte länger im Umlauf zu halten.

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