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EuskirchenVolksbank-Chef hat Vier-Tage-Woche bei vollem Lohn eingeführt

Lesezeit 4 Minuten
Hans-Jürgen Lembicz aus dem Vorstand der Volksbank Euskirchen. Die Bank hat schon vor längerem die Vier-Tages-Woche eingeführt und wird nun 125 Jahre alt.

Hans-Jürgen Lembicz, Vorstand der Volksbank Euskirchen. Die Bank hat schon vor längerem die Vier-Tages-Woche eingeführt und wird nun 125 Jahre alt.

Während Gewerkschaften von der Forderung zurückwichen, hat Hans-Jürgen Lembicz die Vier-Tage-Woche eingeführt. Ein Erfahrungsbericht.

Für viele Arbeitnehmer ist eine Verkürzung der Woche ein Wunschtraum, noch besser wäre der Deal, wenn sogar das Gehalt gleich hoch bliebe. Laut einer Studie von Statista wünschen sich drei von vier deutschen Arbeitnehmern genau eine solche Lösung. Auch die Gewerkschaften liebäugeln damit, machten aber kürzlich angesichts der schwächelnden Konjunktur einen Rückzieher. Für die meisten Unternehmer und selbstverständlich die Arbeitgeber-Verbände ist die Vier-Tage-Woche aber ein rotes Tuch. Die Ablehnung ist breit.

Nicht so bei einer mittelgroßen Bank im Westen von Köln. Die Volksbank Euskirchen hat für ihre Mitarbeiter die Vier-Tage-Woche eingeführt. Treiber dafür war aber nicht die Belegschaft oder eine Gewerkschaft. Einen Betriebsrat gibt es bei dem Kreditinstitut sogar gar nicht. Die Bank selbst, und allen voran ihr Vorstandsvorsitzender Hans-Jürgen Lembicz, hatte die Idee zu der drastischen Arbeitsverkürzung.

Seit Januar 2023 bleiben die Filialen der Volksbank Euskirchen freitags komplett geschlossen. Zuvor waren sie am Freitagmorgen geöffnet, der Freitagnachmittag war zu Gunsten eines „langen Dienstags“ bereits zuvor gestrichen worden. „Wir haben die Arbeitszeit von 39 auf 35 Stunden in der Woche reduziert – bei vollem Lohnausgleich“, sagt Lembicz im Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ in seinem Euskirchener Büro in der Zentrale der Genossenschaftsbank.

Die bange Frage war, wie unsere Kunden die Verkürzung der Öffnungszeiten hinnehmen würden
Hans-Jürgen Lembicz, Vorstandsvorsitzender Volksbank Euskirchen

Wer in Teilzeit beschäftigt war, der konnte demnach auf- oder abrunden, um bei 50 Prozent der Regelarbeitszeit zu bleiben. Nicht nur die Filialen sind geschlossen, auch die Verwaltung bleibt freitags dicht. Wer am Freitag dennoch arbeiten möchte, der muss es von zu Hause aus tun. Lediglich der Vorstand arbeite grundsätzlich auch freitags, allerdings ebenfalls aus dem Homeoffice, sagt Lembicz.

„Die bange Frage war, ob die Kunden uns die Kürzung der Öffnungszeiten unserer Filialen um einen ganzen Tag übelnehmen würden. Dann wäre das Projekt gescheitert“, sagt Lembicz. Ein Scheitern wäre fatal gewesen. Denn laut Lembicz war die Einführung der Vier-Tage-Woche kein Experiment, sondern von Anfang an als Dauerlösung vorgesehen.

Doch alles wurde gut. Nach einer Eingewöhnungszeit verteilten sich die Kundenbesuche über die verbliebenen vier Öffnungstage der Bank. „Wir hatten zwei oder drei mehr Beschwerden von Kunden, mehr nicht. Wir waren sehr erleichtert“, sagt Lembicz.

In wenigen Einzelfällen seien Mitarbeiter auf den Vorstand zugekommen, und hätten den Wunsch geäußert, weiterhin an fünf Tagen zu arbeiten. Wer lieber 39 Stunden arbeiten wollte, konnte das tun, er erhielt dann die vier Stunden auch extra bezahlt. Das sei aber die Ausnahme.

Am Freitag sind Nebenjobs erlaubt

Die Bank erlaubt den Mitarbeitern der Vier-Tage-Woche übrigens, am Freitag einen Nebenjob zur Aufbesserung des Gehalts bei einem anderen Arbeitgeber aufzunehmen, sofern der kein Konkurrent oder Finanzdienstleister ist. Vor allem jüngere Beschäftigte würden das Angebot annehmen. 

Aus Lembicz Sicht ist die Vier-Tage-Regelung eine Erfolgsgeschichte, die nicht nur die Mitarbeiter belohnen möchte. Auch finanziell sei die Regelung interessant. Denn von Donnerstagabend bis übers Wochenende würden auch die Heizungen oder Klimaanlagen in allen Filialen und Verwaltungen der Volksbank Euskirchen ausgeschaltet. Das spare Geld und verringere den CO₂-Fußabdruck.

Hauptgrund für die Maßnahme ist aber laut Lembicz ein anderer: der demografische Wandel. „50 unserer 260 Kolleginnen und Kollegen sind 60 und älter. Wir werden es immer schwerer haben, unsere Personalstärke zu halten“, so Lembicz. Durch die Vier-Tage-Woche sieht er die Attraktivität der Volksbank Euskirchen als Arbeitgeber massiv gestärkt.

Eine einzige Filiale ist in Köln

Dennoch: Lembicz ist Kaufmann und kein Sozialromantiker oder Ideologe. Für seine Volksbank sei die Vier-Tage-Woche ideal. Daraus aber abzuleiten, sie sei ein Vorbild oder Muster für andere Branchen oder Betriebe, das weist er weit von sich. Und wenn Seminare am Freitag stattfinden oder die Berufsschule, dann müssten die Kollegen daran trotzdem teilnehmen. Auch der Jahresurlaubsanspruch sei entsprechend der geschrumpften Netto-Arbeitszeit reduziert worden. 

Im genossenschaftlichen Bankenlager kommen die Pläne der Volksbank Euskirchen nur bedingt oder gar nicht gut an. Die anderen Volks- und Raiffeisenbanken befürchteten einen Mitarbeiterschwund. 30 Neueinstellungen hat es bei der Bank seit Einführung der kurzen Woche gegeben. „Zum Glück kamen die von verschiedenen anderen Banken und nicht von einer, die uns das extrem übel genommen hätte“, sagt Lembicz. 

Die Volksbank Euskirchen ist auch noch in anderer Hinsicht ein Unikat. Sie entstand in ihrer mehr als 100-jährigen Geschichte aus Dutzenden Volksbanken und Raiffeisenbanken in Voreifel und Eifel. Acht Fusionen hat Lembicz selbst auf den Weg gebracht. Auf die Eigenständigkeit von größeren Genossenschaftsbanken ist der Bankchef, der seine Herkunft sprachlich nicht verleugnen kann, stolz. Einige der Filialen tragen aus Traditionsgründen noch neben dem Hinweis „Niederlassung der Volksbank Euskirchen“ die alte Bankbezeichnung. Und eine von ihnen, die Zweigniederlassung Raiffeisenbank Junkersdorf, hat als einzige Filiale der Bank ihren Sitz in Köln.