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Zwischen Unproduktivität und GesundheitsgefahrSo sehr schadet Hitze der Wirtschaft

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Ein Dachdecker arbeitet auf einer Baustelle in der Sommerhitze.

Bei Sommerhitze wird es für Dachdecker schnell gefährlich. 

Heiße Tage machen uns so unproduktiv, dass in einigen Ländern sogar die Wirtschaft schrumpft. Kölner Handwerker finden ihre eigenen Lösungen, mit dem Extremwetter umzugehen.

Für die Dachdecker des Kölner Meisterbetriebs von Bastian Dunkelmann ist dieser Tage manchmal schon um 11.30 Uhr Feierabend, die Temperaturen schlauchen. Angefangen hätten seine Mitarbeitenden zwar schon frühmorgens um fünf Uhr, doch viel länger sei die Sonne auf dem Dach – ohne Schatten und auf heißen Ziegeln – kaum auszuhalten. 

Ähnliches berichtet Gartenbauer Tobias Neumann, dessen Team an diesem Donnerstag in Rath-Heumar im Einsatz ist. „Wir passen die Arbeitszeiten an, indem wir früher anfangen, dafür früher aufhören, die Pausen verlängern und für ausreichend kühle Getränke sorgen“, sagt er. Doch natürlich arbeite man bei hohen Temperaturen trotzdem etwas langsamer.

Studie zeigt: Hitzewellen lähmen die Wirtschaft

Das kann sich auf die Produktivität auswirken – nicht nur bei den Kölner Handwerksbetrieben, sondern branchenübergreifend, wie eine gemeinsame Studie der Allianz und des Weltwirtschaftsforums (WEF) zeigt. „Hitzewellen lähmen die Wirtschaft: Bei großer Hitze wird insgesamt weniger gearbeitet, nicht nur, weil Menschen bei hohen Temperaturen weniger leistungsfähig sind, sondern auch, weil Maschinen unter hohen Temperaturen weniger effizient arbeiten“, sagt Studienautorin Jasmin Gröschl.

Die aktuelle Wetterlage kann demnach ähnliche Folgen wie ein Streik haben. „Ein Tag mit extremen Temperaturen von über 32 Grad entspricht in etwa einem halben Streiktag“, so Gröschl. Besonders betroffen seien Industrie und Bau, so wie der Kölner Dachdecker Bastian Dunkelmann. „Mir ist wichtig, dass meine Mitarbeitenden gesund bleiben, deshalb beenden wir die Arbeit, bevor es gefährlich wird“, sagt er. Zumindest könne der Lohn seiner Angestellten so gezahlt werden – einen Teil der ausgefallenen Stunden trage die Sozialkasse. Die springt bei Dachdeckern nämlich zu einem Großteil ein, wenn das Wetter so extrem ist, dass sie nicht in der Höhe arbeiten können.

Auch die Landwirtschaft sowie der Transport- und Logistiksektor leide unter der Hitze, erklärt Gröschl. Ein Beispiel sei der Güterverkehr im Rhein: „Wenn der Wasserstand sinkt, können Schiffe nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr fahren. Dadurch verzögert sich die Anlieferung von Rohmaterialien, was, je nach Lagerbestand und Dauer des Niedrigwassers, zu Engpässen in der weiteren Produktion führen kann“, so die Allianz-Ökonomin.

Spaniens Wirtschaft leidet besonders stark unter der Hitze

Die Konsequenz: Je nach Region können die jüngsten Hitzewellen erhebliche wirtschaftliche Kosten verursachen. Weltweit könnten die Gesamtschäden durch Hitzewellen bei börsennotierten Unternehmen zu jährlichen Produktivitätsverlusten in Höhe von 2,4 Billionen US-Dollar führen, das schreiben Allianz und WEF.

Die Auswirkungen zeigen sich demnach auch am Bruttoinlandsprodukt, wie erste Überschlagsrechnungen ergeben. Gröschl spricht von einem „deutlichen Nord-Süd-Gefälle“. Betroffen seien vor allem südeuropäische Länder, die USA und China. In Spanien könnte die Wirtschaftsleistung durch das Heißwetter im laufenden Jahr um 1,4 Prozentpunkte gedämpft werden. Im europäischen Durchschnitt prognostiziert die Allianz ein Minus von 0,5 Prozentpunkten. In Deutschland hingegen, wo durchschnittlich weniger häufig Temperaturen über 32 Grad gemessen werden, liege der Effekt bei 0,1 Prozentpunkten und erscheine im Vergleich minimal. 

Gesamtgesellschaftlich können sich scheinbar verkraftbare Einbußen an vereinzelten Hitzetagen jedoch schnell summieren. „Bei einer ohnehin schwachen Prognose für Deutschland von 0,2 Prozent für 2025 könnte dieser Verlust fast das gesamte Wachstum aufzehren“, warnt Gröschl.

Krankheitstage aufgrund hoher Temperaturen deutlich gestiegen

Und auch in der Praxis sind die Effekte zu sehen. Die Anzahl der Arbeitsunfähigkeitstage aufgrund von „Schäden durch Hitze und Sonnenlicht“ ist seit 2015 deutlich angestiegen. Das geht aus einer Antwort des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales auf die Anfrage des Linken-Politikers Cem Inze hervor. Meldeten sich im Hitzejahr 2018 über 81.000 Beschäftigte wegen Hitzschlag, Sonnenstich oder Erschöpfung in Folge der hohen Temperaturen krank, verzeichnete das Sozialministerium 2023 einen Anstieg von 13,9 Prozent – da waren es 92.722 Hitze-Kranke. 

Die vom Ministerium vorgelegte Statistik zeigt aber auch, dass diese Krankheitstage von Jahr zu Jahr schwanken, je nach Hitzelage. So lagen die Fehltage 2021 nur bei knapp 32.400, im Jahr darauf bei rund 71.200. Insgesamt zeigt die Kurve seit 2015 aber nach oben.

Politiker fordern Maßnahmen am Arbeitsplatz

Linken-Politiker Ince nannte die Zahlen erschreckend. „Es wird höchste Zeit, dass die Bundesregierung handelt“, sagte er. „Hitzeschäden am Arbeitsplatz können verhindert werden. Arbeitgeber müssen ihre Beschäftigten schützen.“ Die grüne Bundestagsfraktion bringt derweil Hitzefrei für Arbeitnehmer ins Spiel. Als weitere Hitzeschutzmaßnahmen werden angepasste Arbeitszeiten wie bei Dachdecker Dunkelmann, längere und bezahlte Pausen sowie Sonnenschutz genannt – aber auch Ventilatoren oder die kostenlose Bereitstellung von Getränken. 

Ähnliches schlägt auch die Allianz vor. Die Zahlen seien „ein klarer Weckruf“, denn „Hitzewellen werden häufiger und intensiver. Die Wirtschaft und Gesellschaft müssen sich darauf einstellen durch strukturelle Maßnahmen, nicht nur kurzfristige Lösungen“, fordert Gröschl. Zum Beispiel schlägt sie vor, mehr Grünflächen in den Städten zu schaffen, um so die Temperaturen in dicht bebauten Gebieten zu senken. Genauso müssten Gebäude und Arbeitsabläufe angepasst werden, um die Produktivität zu wahren. 

Der Kölner Gartenbauer Tobias Neumann gibt einen weiteren Tipp, der auch kurzfristig umsetzbar ist: „Ein wenig Wertschätzung von Kundenseite macht bei Hitze einen großen Unterschied. Eine kühle Flasche Wasser bei 30 Grad ist für einen Handwerker eine willkommene Geste.“ (mit dpa)