GenforschungWarum Aussehen über das Alter hinwegtäuschen kann

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Illustration: Alte und junge Menschen in einer Reihe, eine DNA-Doppelhelix im Hintergrund.

Wie entwickeln sich überhaupt reifere Züge? Die Altersforschung rätselt noch, warum manche Menschen jünger aussehen, als sie sind.

Die einen setzen auf Schönheits-OPs und andere Tricks, während andere auf ganz natürliche Weise schon immer jünger aussahen, als sie sind. Ein Überblick über Erklärungsansätze.

Luke Littler gilt als die Überraschung der jüngsten Dart-WM. Der Brite stand im Finale und war zu dem Zeitpunkt gerade einmal 16 Jahre alt. Am 21. Januar 2024 wurde er 17.Dabei spielt Littler nicht nur für sein Alter äußerst erfahren – er sieht auch wie ein Erwachsener aus. Schauspieler Thomas Brodie-Sangster dagegen wurde in „Game of Thrones“ als Jugendlicher besetzt, obwohl er bei den Dreharbeiten schon fast Mitte zwanzig war. Und Elijah Wood war bei Drehschluss von „Herr der Ringe“ 19 Jahre alt und spielte den jünglich wirkenden Hobbit Frodo. Heute mit 43 Jahren sieht Wood nicht wesentlich älter aus.

An den Alterungsprozessen sind sicher eine Vielzahl von Genen beteiligt.
Manfred Kayser, Genforscher

Wie kommt es, dass manche Menschen viel älter wirken, als sie sind, während es bei anderen umgekehrt ist? Unser Aussehen wird auch von unserer Gesundheit und Lebensweise beeinflusst – aber eben nur zum Teil.

Bartträger wirken immer älter

Im Fall von Littler ist das relativ einfach: Er trägt einen struppigen Vollbart. Das lässt ihn um einiges älter erscheinen. In einer Umfrage schätzten Menschen prominente Männer auf Bildern mit Bart um bis zu zehn Jahre älter als auf Fotos ohne Gesichtsbehaarung.

Thomas Brodie-Sangster hingegen sieht auch heute, mit 33 Jahren, noch fast kindlich aus. Er hat das, was man umgangssprachlich ein Babyface nennt: Gesichtszüge, die denen eines Kleinkindes ähneln. Typische Merkmale sind große, runde Augen, hohe Augenbrauen, ein kleines Kinn und eine kleine Nase.

Wissenschaftlich ist inzwischen belegt, dass wir Menschen, die so aussehen, auch kindlichere Charaktereigenschaften zuschreiben. Männer oder Frauen mit Babyface werden meist für naiv, ehrlich und zugewandt gehalten. Ihnen wird einer Studie zufolge öfter von Fremden geholfen und sie werden vor Gericht seltener verurteilt. Es wird ihnen aber auch teils weniger zugetraut.

Schlüsselrolle für Kiefer und Kinn

Aber wie entwickeln sich überhaupt reifere Züge? Ein klassisches Merkmal bei Kindergesichtern ist, dass der untere Kieferknochen weniger ausgeprägt ist als bei Erwachsenen. Der Umfang vom Unterkiefer im Vergleich zum Oberkiefer nimmt dann allmählich zu. Während der Pubertät wird bei männlichen Jugendlichen vermehrt das Geschlechtshormon Testosteron ausgeschüttet: Unter seinem Einfluss beginnt das Kinn besonders stark zu wachsen. Es entsteht das „Erwachsenengesicht“.

Auch später werden Männer mit ausgeprägt maskulinen Zügen, also auch einem starken Kinn, tendenziell für älter gehalten. Tatsächlich kann sich bis zum 30. Lebensjahr der Kiefer bei Männern weiter ausdehnen, während Frauengesichter sich bis zu diesem Alter nicht so stark verändern. Im Alter verbreitert sich bei beiden Geschlechtern zunehmend das ganze Gesicht und erschlafft.

Weitere Faktoren, die speziell bei Männern für ein älteres Aussehen sorgen, sind laut einer Studie wenig überraschend ergrautes Haar und Haarausfall. Aber auch die Ausprägung eines Arcus senilis: einer Eintrübung der Hornhaut im Auge. Bei Frauen sorgt ebenfalls in erster Linie graues Haar dafür, dass sie älter wirkten. Alkoholkonsum führte in der Studie nicht zu anderem Aussehen, bei Rauchern und Raucherinnen hingegen ist erwiesen, dass Tabakkonsum uns älter aussehen lässt.

In einer weiteren Untersuchung wurde festgestellt, dass sich Merkmale, die uns älter oder jünger erscheinen lassen, je nach Lebensphase anders auswirken können. Ein höheres Körpergewicht sorgte bei Frauen unter 40 für ein älteres Aussehen, weil die Gesichtskonturen unklarer wurden. Frauen über 40 wirkten hingegen jünger, wenn sie etwas mehr wogen, da sich Falten weniger bemerkbar machten.

Apps berechnen, wie alt wir aussehen

Längst gibt es auch Internetseiten und Apps, die ermitteln, wie alt jemand aussieht. Laut der Seite howolddoyoulook.com sieht Thomas Brodie-Sangster (heute 33) wie 24 aus, der 16-jährige Luke Littler wie 29. Die Schätzung basiert darauf, wie Menschen typischerweise in einem bestimmten Alter aussehen, und wurde zuvor mit Bildern gefüttert, um einen entsprechenden Algorithmus zu trainieren.

Während es umgangssprachlich heißt, „die Hände verraten das wahre Alter“, sind es vielmehr die Augen. So hat ein Kosmetikhersteller zusammen mit Forschenden 2018 eine Studie im Fachmagazin „Aging“ veröffentlicht. Ihr zufolge sind der zuverlässigste sichtbare Marker für unser Alter die Augenfältchen. Wurden Aufnahmen der Augenregion mit einem speziellen Algorithmus ausgewertet, ließ sich das Alter einer Person mit Abweichungen von durchschnittlich nur 2,3 Jahren meist relativ sicher bestimmen.

Gen lässt zwei Jahre älter wirken

Niederländische Forschende um Manfred Kayser von der Erasmus-Universität Rotterdam haben vor einigen Jahren festgestellt, dass Veränderungen am MC1R-Gen Personen im Schnitt zwei Jahre älter aussehen lassen. Das gleiche Gen wird mit heller Haut und roten Haaren in Verbindung gebracht. Allerdings seien an Alterungsprozessen „sicher eine Vielzahl von Genen beteiligt“, sagte Kayser seinerzeit.


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