LebenszeitWie können wir unser biologisches Alter bestimmen – und beeinflussen?

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Illustration: Eine jüngere und eine ältere Frau schauen in die Ferne

Man ist so alt, wie man aussieht: Da ist sogar was dran.

Nicht allein unser Alter in Jahren bestimmt, wie viel Zeit uns zu leben bleibt: Entscheidend ist auch unser biologisches Alter. 

Jeder von uns hat ein „chronologisches Alter“, das durch unseren Geburtstag bestimmt wird. Doch dann gibt es da noch das biologische Alter, das oft davon abweicht. Das biologische Alter soll vorhersagen, wie viele Jahre uns vermutlich zu leben bleiben. Ist jemand bei so guter Gesundheit, dass er eine überdurchschnittliche Lebenserwartung hat, ist sein oder ihr biologisches Alter niedriger als das chronologische. Umgekehrt ist bei Personen mit schlechter Gesundheit das biologische Alter höher als das chronologische.

Im Internet werden viele, nicht allzu verlässliche „Rechner“ angeboten, mit denen man sein biologisches Alter ermitteln können soll. Dabei werden Krankheiten, das Gewicht und Gewohnheiten wie Rauchen oder Alkoholkonsum abgefragt. Doch wissenschaftliche Untersuchungen zeigen: Es gibt noch andere Parameter, die etwas über das biologische Alter verraten.

Wer jung aussieht, ist es oft auch

Einer davon ist die äußere Erscheinung: Jemand, der jung aussieht, ist es wahrscheinlich auch – zumindest gemäß seinem biologischen Alter. Das hat eine Anfang 2023 veröffentlichte Metastudie ergeben.

Demnach ist das „wahrgenommene Alter“ einer Person – also das Alter, auf das man diese schätzen würde – durchaus aussagekräftig. Es sei ein „klinisch verwertbares Vorhersageinstrument“ dafür, wie lange jemand leben wird, schreiben die Autoren und Autorinnen der Studie. Personen, die älter aussehen, haben hingegen ein erhöhtes Risiko, früher zu sterben. Sie leiden mit höherer Wahrscheinlichkeit an Herz-Kreislauf-Krankheiten, Lungen- oder Knochenkrankheiten und einer kognitiven Beeinträchtigung im Alter.

Ebenfalls einen Hinweis auf das biologische Alter kann die Anzahl der seneszenten Zellen im Organismus geben. Das sind Zellen, die sich nicht mehr richtig teilen und zu Krankheiten und Alterserscheinungen beitragen. Bei Mäusen scheint die Lebenserwartung mit der Zahl der seneszenten Zellen zusammenzuhängen, und es scheint ihr Leben zu verlängern, wenn seneszente Zellen entfernt werden. Bei Menschen wird das noch erforscht.

Eine Auswertung mehrerer Studien mit insgesamt mehr als drei Millionen Teilnehmenden hat ergeben, dass noch ein Faktor Aufschluss über das biologische Alter gibt: Je fester jemand zupacken kann, desto höher ist seine Lebenserwartung und desto niedriger sein biologisches Alter. Andere Verfahren sind die Überprüfung von Organfunktionen, die Bestimmung von Entzündungsparametern im Blut oder die Vermessung der Telomere – das sind Endstücke der DNA, die bei Menschen mit langer Lebenserwartung meist länger sind.

Daten von 421 Familien ausgewertet

Joris Deelen ist Forschungsgruppenleiter am Max-Planck-Institut für Biologie des Alterns. Er hat zusammen mit seinem Team versucht herauszufinden, welche „Marker“ im Blutserum Langlebigkeit vorhersagen können. Dazu hatten sie Daten von 421 Familien ausgewertet, deren Angehörige ein besonders hohes Alter erreichten. Diese verglichen sie mit denen einer Kontrollgruppe.

Ich sage den Menschen ständig, dass sie sich täglich bewegen sollen
Joris Deelen, Forschungsgruppenleiter am Max-Planck-Institut für Biologie des Alterns

Sie stellten fest, dass die Serumwerte für Glukose, Insulin und Blutfette am stärksten mit gesundem Altern assoziiert waren, also mögliche Biomarker sind, um Langlebigkeit vorherzusagen. In einer weiteren Untersuchung konnte das Team eine Kombination von 14 Substanzen identifizieren, die zusammen einen noch besseren Marker für den Gesundheitszustand ergaben. Sicher bestimmen lasse sich das biologische Alter einer Person bis heute nicht, so Deelen.

Ein weiteres vielversprechendes Verfahren sei es, die Methylierung der DNA zu bestimmen: Diese ist entscheidend dafür, welche Gene aktiviert oder ausgeschaltet sind und hängt mit Alterungsprozessen zusammen. „Wenn man diese Methode mit der Auswertung der von uns gefundenen Biomarker kombiniert, erhöht sich die Aussagekraft“, sagt Deelen.

Die Bestimmung der Telomere sei lange das beste Verfahren gewesen, im Vergleich zu neuen Methoden aber weniger genau. Was andere Ansätze angehe, so gelte: Je mehr Faktoren gemeinsam ausgewertet werden, desto genauer lässt sich dieses wohl eines Tages ermitteln.

Biomarker helfen, Krankheiten vorzubeugen

Außerdem unterscheide sich von Person zu Person, was ihre Gesundheit am stärksten beeinflusst, sagt Deelen. Zudem ließen sich mit einer Bestimmung der Biomarker drohende Krankheiten vorhersagen.

Bei jedem Biomarker für das biologische Alter sei zu berücksichtigen, wie stark dieser genetisch bedingt ist und zu welchem Anteil durch den Lebensstil. Der von seinem Team zuletzt gefundene Marker sei zu etwa 30 bis 40 Prozent Veranlagung, zum größten Teil also beeinflussbar. „Unser Ziel ist es, bei schlechten Werten rechtzeitig einzugreifen, um Krankheiten zu verhindern“, sagt der Forscher. Mit den richtigen Markern ließen sich auch gesundheitliche Beeinträchtigungen erkennen, die sich durch Medikamente beheben lassen.

Nicht zuletzt spiele die Psychologie eine Rolle: „Ich sage den Menschen ständig, dass sie sich täglich bewegen, gesund ernähren, genug schlafen und auf Alkohol und Zigaretten verzichten sollen“, so Deelen. „Aber die meisten tun es nicht.“ Wenn er ihnen aber eines Tages bescheinigen könnte, dass ihr biologisches Alter eine verkürzte Lebenserwartung vorhersagt, könne sich das ändern, glaubt er. (RND)


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