Wie sagen Sie es?„Reich mir mal die Whms$%&X!stersoße“

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Fünf Menschen sitzen an einem Esstisch, Illustration

Je mehr Menschen heute Englisch lernen und sprechen, desto seltener sind die historischen Sprachirrtümer noch zu hören.

Von Wollwortt bis Mirakelwipp: Jahrelang sprach man englische Wörter, wie man sie las. Eine Hommage an charmante Sprachirrtümer, die meist der Vergangenheit angehören.

Die Verenglischung des deutschen Alltags ist hinreichend beklagt worden. Noch nicht genügend betrauert haben wir dagegen den schleichenden Verlust einer zauberhaften Spielart des Englischen: das Mannschästerhosen-Englisch. Es ist dies der herzensgute Versuch nicht Englisch sprechender Deutscher vor allem in der Nachkriegszeit, der fremden Klänge robust Herr zu werden.

Je mehr Menschen heute Englisch lernen und sprechen, desto seltener sind die historischen Sprachpreziosen aus jener Zeit noch zu hören. Das ist bedauerlich.

Mirrikell-Houipp? Im Deutschen heißt die fettreduzierte Salatcreme natürlich Mirakelwipp
Imre Grimm

Flaggschiffvokabel des eingedeutschten Englischen ist die gute, alte Mannschästerhose, konsequent betont auf der zweiten Silbe. Es handelt sich um Hosen aus Cord, zumeist gewoben in Manchester. Zu Ruhm gekommen ist in diesem Zusammenhang auch das Kaufhaus Woolworth – freilich nicht als Wuhlwörss, sondern unter seinem deutschen nome de plume: Wollwortt! Dort gab es unter anderem das Mayonnaise-Methadon Miracel Whip, korrekt ausgesprochen „Mirrikell-Houipp“, also, ähm, Wunderpeitsche. Im Deutschen heißt die fettreduzierte Salatcreme natürlich Mirakelwipp und nicht anders.

Lösung für die Worcester-Sauce: Die optimistische Vernuschelung

Bis heute nicht restlos geklärt ist die korrekte Aussprache der Worcestersauce. Englischexperten beharren auf „Wuuhstersoße“. Das wäre eine eklatante Verschwendung von Buchstaben, sinnlos in ein überlanges Wort geklebt. Der pragmatische Deutsche verweigert sich dieser Vergeudung. Hierzulande hat sich als Aussprachelösung die optimistische Vernuschelung durchgesetzt („Gibst du mir mal bitte die Whms$%&X!stersoße?“). Hier gilt, was der große Philosoph Lothar Matthäus einst sagte: „My English is not so good, my German is much better.“

Pionier der munteren Eindeutschung war Keksfabrikant Hermann Bahlsen, der 1912 den britischen „Cake“ zum „Keks“ germanisierte. Erst seit 1955 jedoch ist Englisch Pflichtsprache in deutschen Schulen (und erst seit 2005 in Grundschulen). Über Jahrzehnte sprach man englische Wörter also genauso aus, wie man sie las. Man rauchte „Pallmall“, „Dunnhill“ oder „Schtoiwesannt“, und aus „fashionable“ wurde „fesch“.

Von da war es nicht mehr weit bis zum sympathischen „Slip“-Abkömmling, dem „Schlüpper“. Und warum auch nicht? Der Satz „Mein Sohn hat einen Ferien-Jopp als Jatzer“ lässt doch keine Fragen offen. Und wer ernsthaft „Tapperwähr“ sagen würde statt „Tupperwahre“, der würde auf der nächsten Tupperparty ruckzuck verbal eingetuppert.

Imre Grimm

Imre Grimm

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Eine mir sehr nahestehende Verwandte erinnert sich auch an das „Grahamm-Brot“. Das ist helles Brot aus Weizenschrot und heißt korrekt natürlich „Gräihämm-Brot“, denn es ist eine Erfindung des amerikanischen Predigers Sylvester Graham (1794–1851), einem Propagandisten der Sittsamkeit. Der Mann war fest davon überzeugt, dass dunkles Brot sexuelle Lust und Liderlichkeit unbotmäßig steigere. Wir alle kennen den Effekt: Eine Scheibe Schwarzbrot und ab geht’s in die Kissen! Pumpernickel – das Viagra des kleinen Mannes. Oder wie Matthäus sagte: „I hope we have a little bit lucky.“

Schönes Wochenende!


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