Deutscher Hip-Hop„Köln spielt wieder eine Rolle“

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Oliver von Felbert ist Gründer des Kölner Labels Melting Pot Music.

Oliver von Felbert ist Gründer des Kölner Labels Melting Pot Music.

Köln – Herr von Felbert, wie steht es um den deutschen Hip-Hop?

Bestens. Mir macht deutscher Hip-Hop im Moment sehr viel Spaß. Das hat aber weniger damit zu tun, dass jede Woche ein Deutsch-Rapper auf Platz eins, zwei oder drei in die Charts einsteigt. Die Musik ist gerade einfach sehr gut.

Woran liegt das?

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In Deutschland hat es einfach knapp zwanzig Jahre gedauert, bis die Musik und die Raps auf dieses Niveau kommen konnten. Das heißt nicht, dass jeder Rapper zwanzig Jahre lang üben musste – viele von den aktuellen sind ja gerade mal Anfang 20. Es hat einfach seine Zeit gebraucht, bis diese Musik und Kultur den Leuten in Fleisch und Blut übergegangen ist. Man darf nicht vergessen, dass es sich um eine ausgeliehene Kultur handelt. Heute bekommen junge Leute Hip-Hop schon früh mit, saugen ihn auf und adaptieren Sachen. Das ist der Grund, warum es viele gibt, die aus dem Nichts kommen und richtig gut rappen können. Ob sie interessante Texte haben, wirkliche Künstler sind oder nicht, ist eine andere Sache. Aber was die Technik angeht, ist das Niveau gerade sehr hoch. Hip-Hop von Anfang der 2000er Jahre klang eklatant anders.

Hip-Hop ist in Deutschland also in zwischen richtig angekommen?

Auf jeden Fall. Hip-Hop ist heute eine der stärksten Jugend- und Musikkulturen, die wir in Deutschland haben. Das betrifft die Musik genauso wie Mode und Sprache. Spätestens seit der „Babo“ (heißt so viel wie „Chef“, Anm. der Redaktion) im Duden steht, ist Hip-Hop auch in der Mitte der Gesellschaft angekommen.

Wenn viele Leute Musik machen, heißt das aber nicht, dass es gute Musik sein muss.

Es gibt da generell ein Überangebot: Wir haben alle so viel Musik auf unseren Festplatten, iPods oder Handys – das kann man sich gar nicht mehr alles anhören. Die Möglichkeiten sind heute aber auch ganz anders: Man braucht zum einen nicht mehr viel Geld oder ein Studio, um Musik zu produzieren und zum anderen sind auch die Vertriebswege durch das Internet frei zugänglich. Jeder kann heute ein Musikstück aufnehmen und es der Welt zeigen, indem er es irgendwo hochlädt.

Im nächsten Abschnitt lesen Sie, welchen Einfluss das Internet auf die Musikproduktion hat.

Welche Funktion hat dabei das Internet?

Früher gab es kaum Independent-Strukturen. Es gab eine kleine Zahl großer Labels, vor deren Tür dann 500 Leute standen, aber nur zwei wurden durchgelassen. Die haben dann eine Platte gemacht und wurden gehört. Heute gibt es die Wand mit der Tür nicht mehr. Jeder kann direkt rein.

Was hat sich dadurch im Genre verändert?

Im deutschen Hip-Hop gibt es gerade die schöne Situation, dass viele verschiedene Stile miteinander existieren: Es gibt Straßen-Rap, Gangsta-Rap, Rap auf eher Traplastigen Beats, klassisch Sample-basierten Boom-Bap-Rap. Ich habe das Gefühl, dass sich die verschiedenen Lager im Moment eher gegenseitig inspirieren als ablehnen. Das mag auch daran liegen, dass eine relativ große Gruppe es geschafft hat, mit der Art, wie sie Hip-Hop machen, Erfolg zu haben. Und wenn es allen auf einem bestimmten Level gut geht, dann ist der Neid auch nicht so groß.

Wie sind Köln und das Rheinland aktuell im deutschen Hip-Hop aufgestellt?

Insgesamt spielt die lokale Zugehörigkeit im Hip-Hop in Deutschland nicht mehr eine so große Rolle wie um die 2000er Jahre etwa mit den Hamburgern, Stuttgartern oder Münchnern. Das liegt daran, dass sich gefühlt 70 Prozent aller deutschen Rapper in Berlin befinden, auch wenn davon nicht alle Berliner sind, sondern Zugezogene. Köln ist mit knapp einer Million Einwohner eine überschaubare Stadt, in der man sich untereinander kennt. Einen eigenen Sound gibt es nicht, aber vielleicht eine bestimmte Mentalität, durch die Songs anders klingen. Im Gegensatz zu vor zehn Jahren spielen Köln und das Rheinland in der Hip-Hop-Landschaft wieder eine größere Rolle. Nach der ersten Generation in Köln zu der ich etwa LSD (Legal(ly) Spread Dope, Anm. der Red.) oder auch Die Firma zähle, sind heute Retrogott und Hulk Hodn die stilprägenden Kölner Hip-Hopper. Und man darf nicht vergessen, dass Eko Fresh schon lange Kölner ist und viel für den Hip-Hop getan hat. Veedel Kaztro hingegen sehe ich als Teil einer neuen Generation, da er genauso von Eko Fresh wie von Retrogott beeinflusst ist und mit diesen verschiedenen Lagern nicht viel anfangen kann. Und in Köln gibt es sehr viele starke Produzenten – vielleicht sogar mehr als tatsächlich starke Rapper.

Wie sind Sie auf Veedel Kaztro aufmerksam geworden?

Ganz klassisch: Ich habe eine Kritik über sein Büdchen-Tape im Hip-Hop-Magazin „Juice“ gelesen. In Köln habe ich vorher leider nichts von ihm mitbekommen. Das hat mich zum einen gefuchst, zum anderen las sich die Kritik sehr interessant. Wir haben dann relativ schnell festgestellt, dass wir auf einer ähnlichen Wellenlänge sind.

Was kann man vom neuen Veedel-Kaztro-Album „Fenster zur Straße“ erwarten?

Es ist sein bisher ironiefreiestes und gleichzeitig persönlichstes Album. Der typische Veedel-Kaztro-Humor und Wortwitz sind natürlich präsent, genauso wie der Lokalbezug. Das zentrale Thema ist das Leben in der Stadt, mit all seinen Versprechen und Problemen, die das Leben eines Mittzwanzigers, der nicht in der Mitte der Gesellschaft ankommen will, bestimmen. Produziert wurde das Album von Mels, der dazu den perfekten Sound liefert.

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