Kölner Investigativ-LegendeGünter Wallraff verleiht Preis an palästinensische und israelische Aktivistinnen

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Yael Deckelbaum & The Prayer Of The Mothers Ensemble (ISR) auf der Großen Bühne Heinepark beim 28. Rudolstadt Festival 2018

Die israelische Sängerin Yael Deckelbaum

Im Funkhaus des Deutschlandfunks wurde der Günter-Wallraff-Preis für Pressefreiheit und Menschenrechte vergeben. Wir dokumentieren Auszüge aus der Laudatio.

Eine palästinensische und eine israelische Frauenfriedensinitiative erhielten am Freitagabend den Günter-Wallraff-Preis für Pressefreiheit und Menschenrechte. Die Ehrung im Rahmen des Kölner Forums für Journalismuskritik geht zu gleichen Teilen an die Organisationen „Women of the Sun“ und „Women Wage Peace“. Stellvertretend für die beiden Organisationen nahmen die Sängerinnen Meera Eilabouni und Yael Deckelbaum die Auszeichnung im Funkhaus des Deutschlandfunks entgegen.

In seiner Laudatio verwies Günter Wallraff auf das „unbeirrbare Engagement“ beider Fraueninitiativen für einen Frieden zwischen Israelis und Palästinensern. „Ein gemeinsames Ziel“, so der berühmte Kölner Investigativjournalist und Schriftsteller, „das viele nicht mal mehr als ferne Utopie zu denken wagen.“ Nach wie vor bestünden beide Organisationen auf einem Dialog als Mittel zur Überwindung der immer auswegloser erscheinenden Situation.

Wie „Women of the Sun“ und „Women Wage Peace“ das Blutvergießen stoppen wollen

Weiter heißt es in der Rede: „Noch drei Tage vor dem Vernichtungs-Massaker der Hamas am 7. Oktober kamen Tausende Frauen von 'Women Wage Peace' und 'Women of the Sun' am Toleranzdenkmal in Jerusalem zusammen. Mitglieder beider Gruppen reisten zum Toten Meer und deckten einen Tisch, die Frauen stellten Stühle auf, als Symbol für die Wiederaufnahme der Verhandlungen über eine politische Lösung: 'Wir, palästinensische und israelische Mütter, sind entschlossen, den Teufelskreis des Blutvergießens zu stoppen', heißt es in der Präambel ihrer Kampagne.“

Dem Hamas-Massaker war auch die 74-jährige Vivian Silver, Mitgründerin von „Women Wage Peace“, zum Opfer gefallen. Sie hatte, so Wallraff, regelmäßig palästinensische Patienten und deren Familien aus dem Gazastreifen zur Behandlung in israelische Krankenhäuser vermittelt und persönlich begleitet. Dem anschließenden israelischen Angriffen im Gazastreifen sind laut UN bisher mehr als 34.000 Menschen zum Opfer gefallen, unter ihnen mindestens 13.800 Kinder.

Unsere heutigen Visionen und Forderungen nach Frieden und Versöhnung müssen die Realität von morgen werden.
Günter Wallraff

„Man könnte nun annehmen“, so Wallraff, „dass auch die Frauenfriedensbewegungen vor diesen Grausamkeiten und der Eskalation der Zerstörung kapitulieren, doch das Gegenteil ist der Fall. Trotz der Verzweiflung, trotz der Unerbittlichkeit beider Seiten stehen sie weiter für ihre Ziele ein: 'Wir setzen unsere Pläne fort – wir arbeiten zusammen und machen keinen Hehl daraus', erklärte die derzeitige Verantwortliche von 'Women Wage Peace' Yael Braudo-Bahat.“

Dafür, dass sie sich bewusst zwischen erstarrte ideologische Fronten stellen, würden die Aktivistinnen beiderseitig als Verräter diffamiert, führte Wallraff weiter aus: „Ganz so, als brauchen und missbrauchten die Kriegsherren das jeweilige Feindbild, um das eigene politische Überleben abzusichern und ihre Macht zu behaupten. Laut einer Befragung, die das Israel Democracy Institute zu Beginn dieses Jahres durchgeführt hat, sprechen sich nur 15 Prozent der Israelis dafür aus, dass Netanjahu nach dem Ende des Krieges gegen die Hamas im Gazastreifen im Amt bleibt. Ohne den Krieg wäre Netanjahu in dieser einzigen Demokratie im Nahen Osten wahrscheinlich längst abgewählt und müsste sich wegen der Korruptionsvorwürfe vor einem Gericht verantworten. Eine Demokratie, die von innen, wie außen mit dem Rücken zur Wand steht.“

Dass es Friedensstifterinnen wie Yael Deckelbaum und Meera Eilabouni seit Jahren gelinge, tausende von palästinensischen und israelischen Frauen zu vereinen, zeige, so Wallraff, dass Frieden mehr ist als eine Utopie: „Die positiven Realitäten von heute, etwa die Gleichstellung der Frau oder Kinder- und Minderheitenrechte waren die oft bekämpften und verspotteten Visionen und Utopien von einst. Unsere heutigen Visionen und Forderungen nach Frieden und Versöhnung müssen die Realität von morgen werden, auf dass es noch eine lebenswerte Zukunft geben kann.“

Der Günter-Wallraff-Preis ist mit 5.000 Euro dotiert. Zu den Preisträgern der vergangenen Jahre gehörten der russische Putin-Gegner und Korruptionskritiker Alexei Nawalny, der Wikileaks-Gründer Julian Assange und der saudische Blogger und Menschenrechtsaktivist Raif Badawi.

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