Kolumne „Köln kulinarisch”Die unsägliche Bowl muss aus der Gastronomie verschwinden

Lesezeit 3 Minuten
  • Unser Author Sebastian Bordthäuser macht sich kurz vor Weihnachten Gedanken über das, was endlich weg muss.
  • Platz eins der aus seiner Sicht gastronomischen Unsäglichkeiten: Die Bowl, der neudeutsche Begriff für den Napf.
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Das Jahr neigt sich mit Siebenmeilenstiefeln seinem Ende entgegen. Damit einher gehen zahlreichen Rückblicke in Funk und Fernsehen, in Magazinen und Zeitungen. Was war Heiß und was war Scheiß? Wie war das vergangene Jahr, wie wird das Kommende? Das Ganze geht immer einher mit Trend-Voraussagen für das nächste Jahr.

Insbesondere kulinarische Trends sind ein beliebtes Orakel über die Entwicklungen im Neuen Jahr. Man könnte jedoch genauso gut im Kaffeesatz lesen, was versprochene, aber nicht eingetretenen Trends wie Rosa Einhorn-Grillwürstchen oder Cronuts zweifelsfrei belegen. Und bei den meisten Entwicklungen steht Köln leider sowieso hinten an.

Gefangen in Kölscher Selbstgenügsamkeit erodiert die lokale Esskultur und den Anschluss an internationale Hypes hat Berlin garantiert vor uns erreicht. Sucht man gastronomische Trends, ist vielmehr ein Besuch in Paris oder London zu empfehlen, statt beim Friseur um die Ecke die Trendprognosen der Magazine zu studieren. Doch egal was geweissagt und gemunkelt wird, eine Sache ist wichtiger als alles, was wir im kommenden Jahr vielleicht essen oder was in Barcelona grade hip ist: Das, was endlich weg muss.

Platz eins der gastronomischen Unsäglichkeiten: Die Bowl

Platz eins der gastronomischen Unsäglichkeiten ist die Bowl, der neudeutsche Begriff für den Napf. Aus dem Kapitel Essen für Sträflinge hat sich der Napf in den letzten Jahren so weit etabliert, bis er zur reinen Formsache verkommen ist. Was drin ist, ist absolut zweitrangig, solange es bloß im Napf serviert wird. Dafür ist der Napf aber unglaublich gut zu fotografieren. Jedes zweite Restaurant und jedes Café serviert alles nur noch in Näpfen, ob es passt oder nicht. Ich fordere daher den Stopp dieser kulturellen Sackgasse und im selben Atemzug die Verbannung des Löffels zurück in die Geschirrschublade. Der Duktus der geschundenen Seele, die nur mit löffelbarem Comfort Food aus Näpfen zu versöhnen ist, ist ebenso lahm wie unerträglich. Diese Pestilenz hat sich flächendeckend in ganz Deutschland ausgebreitet. Es gibt inzwischen Restaurants, die mit Instagram kompatiblem Plating werben, d.h. die Speisen werden bereits in der Küche extra hübsch für Instagram angerichtet. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass Leute ein Lokal besuchen, weil man dort sein essen besonders gut fotografieren kann und nicht, weil dort die Küche lobenswert wäre. Da lachen wirklich die Heuschrecken.

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Mein Appell für das kommende Jahr richtet sich deshalb gegen kulinarische Verwahrlosung. Stattdessen fordere ich auf zu mehr Lust auf Genuss mit entsprechender Neugier und offenem Geist. Gepaart mit dem gesundem Bewusstsein, das ich als Verbraucher mehr Macht habe, als man glaubt und Essen und Trinken neben bloßer Kalorienaufnahme auch eine Haltung ausdrücken kann. Zum Beispiel einen Meter mehr zu fahren, um einen Bäcker zu unterstützen oder einen der wenigen Metzger, die noch handwerklich produzieren. Nie war Essen so allgegenwärtig und überall zu jeder Zeit so günstig verfügbar. Es wird also immer wichtiger zu überlegen, was man isst und wen man damit unterstützen kann. Kommen Sie gut über die Feiertage.

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