Mehr als Süßes am Zuckerberg - im Agnesviertel lohnt ein Besuch in dem italienischen Restaurant, das in seiner kulinarischen Ambition weit über das Erwartete hinausreicht.
Henns GeschmackssacheWarum die große Auswahl im Fioretto überzeugt

Geschmackvolles Ambiente, beeindruckende Speisenauswahl: „Fioretto Weinbar und Ristorante“ im Agnesviertel
Copyright: Alexander Schwaiger
Als das „Fioretto“ Ende 2023 an neuer Stelle wiedereröffnete, war ich extrem gespannt. Schließlich hatte es sich über 15 Jahre im Agnesviertel einen guten Ruf erarbeitet und schloss 2022 nach eigener Aussage nur aufgrund einer Mieterhöhung. Zudem betreibt Michele Di Rosa mit dem „Tullio“ in Marienburg ein weiteres Restaurant, das in die Kategorie Edel-Italiener fällt, und auch noch „Linos Weinbar“ in Rodenkirchen. Doch der Blick auf die Speisekarte im Internet war ernüchternd: Die üblichen Klassiker, dazu als modische Variante zur Pizza Pinsas, die aufgrund eines Anteils Reismehl etwas krosser und fluffiger geraten.
Vor Kurzem aber erzählte mir eine genussaffine Kollegin aus der Redaktion, dass sie dort einen kulinarisch schönen Abend verbrachte, was mich aufhorchen ließ. Also: Tisch reserviert, ab zum Zuckerberg. Dort dann die – im wahrsten Sinne des Wortes – große Überraschung. Die Auswahl an Tagesgerichten auf der traditionellen Schiefertafel ist riesig. Hier fanden sich Speisen, die man von einem ambitionierten italienischen Restaurant erwartet: Oktopus Carpaccio, Ente in Marsala-Sauce, Pappardelle mit Hirschragout, Rindertatar mit Wachtelei. Falls ich mich nicht verzählt habe, stolze 38 verschiedene, und dazu sogar noch mündlich vorgetragene Tagesgerichte.

Im „Fioretto Weinbar und Ristorante“ findet sich der Namenszug auch in der Öl-Präsentation.
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Ebenfalls eine erfreuliche Überraschung ist das ausgesprochen schöne Ambiente, das es schafft, modern, aber nicht kühl zu sein. Am auffälligsten sind die sizilianischen Moro-Köpfe an den Wänden, sowie das dort dekorierte Florett – schließlich steht „Fioretto“ im Italienischen für Fechtkampf. Auch auf den Tellern und dem Muster bei Öl und Balsamico findet sich die Form.
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Bei vollem Haus ist es aufgrund der Akustik allerdings nicht leicht, ein Gespräch zu führen. Aber dieser Rummel kann bei einem „Italiener“ unter landestypischer Atmosphäre verbucht werden.
Pappardelle überzeugen als Klassiker
Hätten Sie auf Anhieb gewusst, was Sie bei einem „Kartoffel Carpaccio mit Trüffeln“ erwartet? Ich ehrlich gesagt nicht, insofern bin ich überrascht, als ein glühend heißer Teller mit dünn gehobelten, gratinierten Kartoffeln auf den Tisch kommt, obenauf dünne Trüffelscheiben, die ebenfalls Hitze abbekommen hatten. Letzteres führt dazu, dass der edle Pilz wenig seiner feinen Aromatik entfalten kann. Die Kartoffelscheiben sind zudem innen noch ganz leicht roh, was zwar für etwas Biss aber geschmackliche Irritation sorgt.

Kartoffel Carpaccio mit Trüffeln kommt direkt aus dem Ofen.
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Die zweite Vorspeise … ist gar keine. Denn Pasta ist hier keine klassische Primi Piatti, also ein kleinerer erster Hauptgang, sondern eine ausgewachsene Portion (Primi Piatti sind in der Regel kohlenhydratreich, Secondi Piatti setzen dagegen auf Eiweiß). Die Pappardelle sind angenehm al dente gegart, an scharf angebratenen Kalbsleber-Stücken wurde nicht gespart und die tomatig Sauce ist herzhaft abgeschmeckt. Obenauf ein paar große Stücke Parmesan, fertig ist ein überzeugender Klassiker.

Pappardelle, angenehm al dente gegart, mit Kalbsleber-Stücken
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Dann dauert es leider sehr lange, bis die nächsten Gerichte auf den Tisch kommen. Bei den Tagliolini al Tartufo, laut Infotafel mit Trüffeln aus Alba, zeigt sich dann wieder ein befremdlicher Umgang mit diesem Edelprodukt: Es ist komplett fein geraspelt. Die Pasta allerdings gelingt abermals sehr gekonnt, ebenso die cremige Sauce. Auch bei den mit einer Steinpilz-Farce gefüllten, großen Gnocchi zeigt sich die Küche souverän, in Butter und schön viel Salbei geschwenkt. Auch das im Pfännchen servierte Risotto ehrt die Tradition, weist den gewünschten Biss und große Zwiebelstücke auf – allerdings war es mit Spargel und Scampi bestellt. Statt Spargel findet sich – unkommentiert vom Service – Lauch, und die Scampi (an deren Menge nicht gespart wurde) sind übergart und dadurch zu fest.

Klug bestückte Weinkarte mit Einstiegstropfen und einigen Kult-Kreszenzen
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An Desserts gibt es allerlei italienische Klassiker. Das Tiramisu weist auf, woran es vielerorts mangelt: eine prägnante Kaffeenote und viel Mascarpone-Cremigkeit. Die Zabaione wird luftig aufgeschlagen im hohen Glas, darin ein Bällchen Vanilleeis. Was mich nur irritiert: Als ich als Digestif nach einem Glas Marsala frage wird mir mitgeteilt, sie hätten welchen zum Kochen, zum Trinken wäre dieser allerdings nicht gut genug. Mit besserer Qualität würde allerdings auch die Zabaione beeindruckender ausfallen.
Die nahezu rein italienische Weinkarte mit gut gewählten Einstiegstropfen aber auch ein paar Kult-Kreszenzen wie Tignanello, Sassicaia oder gar Masseto bietet für jeden Geldbeutel etwas, es fehlen einzig die Jahrgänge.
Fazit: Schöne Atmosphäre, sehr große Auswahl an italienischen Klassikern, zumeist verlässlich in der Zubereitung. Und dazu ein paar klug ausgewählte italienische Weine.
Bewertung: 4 von 6
Fioretto, Am Zuckerberg 9, 50668 Köln, Tel. 0221 – 560 39 640, Mo-Sa 12 – 22.30 Uhr, fioretto-koeln.de

Der eingedeckte Gastraum zur Mittagszeit
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Henns Auswahl
Kartoffel Carpaccio mit Trüffeln // 22,50 Euro
Risotto Spargel und Scampi // 24,90 Euro
Pappardelle mit Kalbsleber // 20,50 Euro
Tagliolini al Tartufo // 26,50 Euro
Gnocchi gefüllt mit Steinpilzen in Butter-Salbei // 18,50 Euro
Tiramisu // 9,50 Euro
Zabaione // 12,50 Euro


