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Alte Liebe rostet nichtFrank Jesse und sein besonders seltenes Exemplar der „Göttin der Straße“

5 min
In den 1960-er Jahren staunte Frank Jesse nicht schlecht, als er in seinem Heimatort Lindlar-Hartegasse einen Citroën DS sah. Seine Begeisterung ist bis heute ungebrochen.

In den 1960-er Jahren staunte Frank Jesse, als er in seinem Heimatort Lindlar-Hartegasse einen Citroën DS sah. Seine Begeisterung ist bis heute ungebrochen.

Frank Jesse pflegt seinen Citroën DS 21 Pallas aus dem Jahr 1966 und organisiert Treffen für Gleichgesinnte.

Mitte der 1960-er Jahre kam der kleine Frank Jesse aus dem Staunen nicht heraus, als er zum ersten Mal einen Citroën DS durch sein Heimatdörfchen fahren sah. Ein Auto wie vom anderen Stern war auf das beschauliche Lindlar-Hartegasse im Oberbergischen Land herabgeschwebt – dank des örtlichen Citroën-Händlers sogar mehrere.

Frank Jesse wohnt längst in Köln und genießt inzwischen seinen Ruhestand. Seine Begeisterung für die „Göttin“, wie das französische Modell bewundernd genannt wird, hat seit seinen Kindertagen keineswegs nachgelassen. Jesse hat sogar dafür gesorgt, dass Hartegasse noch immer ein Wallfahrtsort der Göttinnen-Anbeter ist.

Als Göttin wurde der Citroën DS verehrt, als er vor 70 Jahren vom Himmel schwebte. Design und Technik waren revolutionär.

Als Göttin wurde der Citroën DS verehrt, als er vor 70 Jahren vom Himmel schwebte. Design und Technik waren revolutionär.

Frank Jesse und sein Citroën DS

Typ: Citroën DS 21 Pallas

Baujahr: 1966

PS: 100

Hubraum: 2175 Kubikzentimeter

Zylinder: 4

Km/h max: 175

Verbrauch: 10-12 Liter

Gebaute Exemplare: 1,45 Millionen, davon 1966: 99 561

Neupreis: 14.700 DM

Deshalb habe ich ihn:

Frank Jesse: Als ich jung war, fuhren acht oder zehn DS durch unseren Ort. Das war ungewöhnlich viel für ein 1000-Seelen-Dorf. Der dortige Citroën-Händler hat dafür gesorgt, dass viele seiner Freunde einen DS fuhren. Mein Vater konnte sich leider keinen leisten, aber er ließ seinen Renault 16 immer dort reparieren. Manchmal ging ich mit und sah DS-Modelle, die durch ihre hydropneumatische Federung auf magische Art lebendig wurden. Dieses Auto lag zuerst auf dem Boden und erhob sich um einige Zentimeter, wenn der Motor gestartet wurde. Das fand ich einfach genial. Auch dass sich die Motorhaube komplett senkrecht aufstellen ließ, hat mich fasziniert.

Markantes Design-Element: Die Blinker im oberen Bereich der Heckscheibe.

Markantes Design-Element: Die Blinker im oberen Bereich der Heckscheibe.

Mit 14 Jahren fing ich an, bei dem Händler Autos zu waschen, zu wachsen und zu polieren, um mir etwas Taschengeld dazuzuverdienen. Ich hätte mir damals nie vorstellen können, mal selbst einen DS zu besitzen. Doch 1994 war es endlich so weit. Noch in demselben Jahr habe ich über die Clubzeitschrift des DS-Clubs Deutschland Gleichgesinnte für einen DS-Stammtisch gesucht. Schon ein Jahr später fand die erste Ausfahrt statt. Treffpunkt ist immer der Ort, an dem alles anfing: Hartegasse.

Das kann er:

Frank Jesse: Das Design hat mich von Anfang an begeistert und auch die Vielzahl technischer Innovationen, die 1955 bei der Markteinführung mit diesem Auto verbunden waren. Dazu zählten das Zweikreis-Bremssystem, die hydropneumatische Federung und die Scheibenbremsen vorne. Egal ob eine oder fünf Insassen: Das Auto lag damit immer in der Waagerechten. Servolenkung gab es auch. Damals hieß es: „Dies ist nicht das Auto von morgen. Es ist von heute. Die anderen sind von gestern.“

Auch von hinten ist ein DS unverkennbar.

Auch von hinten ist ein DS unverkennbar.

Ich weiß noch, als 1967 meine Cousine im Ostharz Konfirmation feierte. Verwandtschaft von meinem Vater kam aus der französischen Champagne mit einem weißen DS 19. Ein DS 19 im Ostharz, wo nur Trabis fuhren! Eine Sensation. Es ist eine langjährige Beziehung, die mich mit diesem Auto verbindet.

Das kann er nicht:

Frank Jesse: In der Stadt fahre ich damit nicht so gerne. Das ist ein Auto für die Landstraße, für Fernreisen. Aber sonst? Ich könnte natürlich sagen, dass es kein sportliches Auto ist und später viele Kunden einen Sechszylinder-Motor vermissten. Aber ein Auto, das 1965 bis zu 175 Sachen lief, war damals nicht gerade langsam.

Unter der großen Motorhaube findet sogar das Ersatzrad Platz.

Unter der großen Motorhaube findet sogar das Ersatzrad Platz.

Immerhin hat ein DS 1959 und 1966 bei der Rallye Monte Carlo gewonnen. Zum Schluss waren bei den Spitzenmodellen sogar 195 Stundenkilometer drin. Dass Mercedes zu dieser Zeit eine bessere Verarbeitungsqualität hatte, ist auch kein Geheimnis. Aber ein DS hat eben andere Vorzüge. Als Fan siehst du dem Auto alles nach.

Das habe ich für ihn getan:

Frank Jesse: Ich habe nicht lange gezögert, als ich den Wagen vor einigen Jahren angeboten bekam. Es ist mittlerweile mein zweiter DS. Dabei handelt es sich um ein sogenanntes Übergangsmodell von 1966. Die Kombination aus dieser Frontpartie-Gestaltung und der grünen Hydraulikflüssigkeit gab es nur für kurze Zeit. Das macht dieses Auto so selten. Zum Glück hat schon der Vor-Vorbesitzer den Wagen restaurieren und auch das Leder der Sitze sehr originalgetreu erneuern lassen. Nur den Lack habe ich neu auftragen lassen.

Im Armaturenbrett des DS von Frank Jesse tut ein sogenanntes Jager-Tableau mit viel Chrom seinen Dienst.

Im Armaturenbrett des DS von Frank Jesse tut ein sogenanntes Jager-Tableau mit viel Chrom seinen Dienst.

Das Armaturenbrett ist ein sogenanntes Jaeger-Tableau, eine zeitgenössische Sonderausstattung mit viel Chrom und runden Anzeigen. Den ursprünglichen Bandtacho bewahre ich gut verpackt auf. Insgesamt ist es ein pflegeleichtes Auto – wenn man die richtigen Leute kennt, die sich drum kümmern. Es kann daher nicht schaden, Kontakte zu knüpfen zu anderen DS-Fahrern. Auch deshalb habe ich den Stammtisch gegründet.

Das haben wir erlebt:

Frank Jesse: Die Formgebung ist einfach ungewöhnlich. Wenn kleine Kinder auf das Auto zeigen und den Papa fragen, was das ist, denke ich immer 60 Jahre zurück, wie ich damals selbst fasziniert war von diesem Auto.

Das haben wir vor:

Frank Jesse: Der 70. Geburtstag des DS wird in diesem Jahr groß gefeiert. Mitte Oktober findet in Paris ein großes Treffen statt, bei dem 200 DS-Fahrer in den Parc André Citroën mitten in der Stadt fahren dürfen. Ich habe das Glück, dabei sein zu dürfen. Der Wagen wurde unglaubliche 20 Jahre lang gebaut ist noch heute für die Franzosen ein Nationalsymbol. Nicht zuletzt, weil 1962 Präsident Charles de Gaulle in einem DS ein Attentat überlebte. Wegen der Hydropneumatik konnte der Wagen auch mit einem zerschossenen Hinterreifen weiterfahren.

Aufgezeichnet von Tobias Christ