„In der Gefangenschaft der KVB“Kölner Rollstuhlfahrer ärgern sich über Nahverkehr

Lesezeit 4 Minuten
Neuer Inhalt (13)

Werner Göbels kann die Haltestelle Reichensperger Platz nicht nutzen.

Köln – Wenn man Karl-Heinz Pasch zum Thema Barrierefreiheit in Köln fragt, muss er nicht lange überlegen. „Das ist eine Katastrophe“, sagt der Seniorenvertreter aus der Innenstadt. Und weil das Thema vielen Menschen unter den Nägeln brennt, die auf Rollstühle oder Rollatoren angewiesen sind, sind zu einem Gespräch am Reichensperger Platz gleich ein Dutzend Menschen gekommen, die ihre Geschichte erzählen wollen. Gerade die U-Bahn-Haltestelle am Reichensperger Platz ist für viele ältere Menschen und Personen, die nur eingeschränkt mobil sind, ein Ärgernis.

Der U-Bahn-Stopp, den viele Fahrgäste am Tag nutzen, verfügt über keinen Aufzug. Eine Rolltreppe gibt es zwar, die führt aber nur bis auf die Zwischenebene. Und wer es irgendwie geschafft hat, die Treppen hinabzukommen, gelangt wiederum nicht in die U-Bahn der Linien 16 und 18. Denn der Einstieg ist nur über eine Treppe möglich. Es ist nur ein Beispiel von vielen. Man könnte den Barbarossaplatz nennen, wo man nur über die ausziehbaren Treppen der Bahnen in die Linien 16 und 18 einstiegen kann. Oder die Linie 13, die das gleiche Problem aufweist. Oder den Friesenplatz, der ebenfalls über keinen Aufzug verfügt. Insgesamt haben sechs Haltestellen in Köln keinen Aufzug, teilt die KVB auf Anfrage mit.

„Ich traue mich kaum noch mit meinen Elektro-Rollstuhl raus“, sagt Nikla Borghoff (57). Die Psychologin und Logopädin ist auf einen Rollstuhl angewiesen und wohnt am Reichensperger Platz. Kürzlich habe sie in die Südstadt fahren wollen. Weil sie am Reichensperger Platz nicht in eine Bahn einsteigen kann, sei sie bis zum Ebertplatz gefahren. Dort musste sie feststellen, dass der Aufzug defekt war. „Das war es dann, wir mussten umkehren“, sagt sie. „Auf die KVB und die Stadt kann man sich nicht verlassen.“

Alles zum Thema Kölner Verkehrs-Betriebe

Odyssee mit öffentlichem Nahverkehr

Auch Werner Göbels (78) kann eine kuriose Geschichte erzählen. Neulich wollte der Rollstuhlfahrer in die Innenstadt fahren. Vom Reichensperger Platz fuhr er gleich zum Ebertplatz, wo der Aufzug ebenfalls außer Betrieb war. Also machte er sich im Rollstuhl auf in die City. Auf dem Rückweg stieg er am Appellhofplatz in die U-Bahn ein. „Zwischen Breslauer Platz und Ebertplatz entdecke ich den Aufkleber auf der linksseitigen Tür unmittelbar vor mir ,Tür defekt‘. Ausstieg am Ebertplatz ist für mich gleich aber nach links.“ Der Versuch, mit dem Rollstuhl zur nächsten Tür zu fahren scheiterte, weil der Gang zu schmal ist. „Plötzlich war ich in der Gefangenschaft der KVB.“

Das könnte Sie auch interessieren:

Göbels musste schließlich bis zum Zoo fahren und dort wieder umsteigen, um zurückzufahren. „Ich frage mich, warum der Hinweis auf die defekte linksseitige Tür nicht auch außen auf der rechtsseitigen Tür angebracht wurde“, sagt er. „Ich fühle mich wieder einmal als Rollstuhlfahrer der KVB hilflos ausgeliefert und als Kunde nicht ernst genommen.“ Das sieht auch Seniorenvertreter Wilfried Bröckelmann so: „Man wird als Rollstuhlfahrer von der Teilnahme am öffentlichen Leben ausgeschlossen.“

U-Bahn-Haltestellen ohne Aufzug

Eigentlich sollten alle Bahnsteige der KVB bis in diesem Jahr barrierefrei gestaltet worden sein. Umgesetzt wurde das Programm freilich vielerorts noch nicht. Erst im Januar dieses Jahres hatten CDU und SPD beantragt, dass die Station Reichensperger Platz ausgebaut werden kann. Unter anderem sollte ein barrierefreier Ausgang zum Oberlandesgericht hin geprüft werden. „Beim Bau der Haltestelle vor einigen Jahrzehnten spielte Barrierefreiheit leider noch keine große Rolle“, argumentiert die KVB. „Wir können leider nur darauf hinweisen, dass die benachbarten Haltestellen genutzt werden sollten.“ Immerhin sollen an der Linie 13 die Haltestellen „Nußbaumerstraße“ und „Subbelrather Straße“ in absehbarer Zeit ebenerdig gestaltet werden.

Bürgermeister fordert neues Programm

Der öffentliche Nahverkehr ist freilich nur eines von vielen Ärgernissen für Menschen, die eigeschränkt mobil sind. Kopfsteinpflaster, hohe Bordsteine, Treppen zu Restaurants, Kirchen und Geschäften: Wer als Rollstuhlfahrer in Köln unterwegs ist, erlebt oft auf seinem Weg einen Parcours mit vielen Hindernissen. „Es ist erschreckend. Keine Stadt von Rang hat ein so behindertenfeindliches System im öffentlichen Nahverkehr wie Köln“, sagt der Bezirksbürgermeister der Innenstadt, Andreas Hupke.

Er forderte, dass die Verwaltung ein großes Programm auflegen müsse, um die Stadt barrierefreier zu gestalten. Denn auch, was taktile Elemente, als etwa Noppen auf dem Bürgersteig, an denen sich Sehbehinderte und Blinde orientieren können, sei Köln eine „Wüste“.

KStA abonnieren