Bauexperte über Köln„Dass Großbauprojekte teurer werden, ist kein Naturgesetz“

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Das Bild zeigt die Baustelle des Kölner Opernhauses.

Dauergroßbaustelle: Seit 2012 saniert die Stadt Köln die Oper. Im März 2024 soll das aktuell rund 650 Millionen Euro teure Projekt beendet sein.

Köln ächzt unter seinen Großbauprojekten, viele dauern länger, werden teurer. Muss das so sein? Oder gibt es Auswege? Bauexperte Klaus Grewe sagt Ja und verrät Lösungen.

Herr Grewe, in Köln laufen viele Großbauprojekte nicht gut, sie dauern länger und die Kosten explodieren. Warum ist das so?

Klaus Grewe: Oftmals betrachten Städte nicht ausreichend, welche Auswirkungen Verzögerungen auf der Baustelle haben. Diese Kosten für mögliche Verzögerungen muss man am Anfang seriös berechnen und dann entscheiden: Können wir uns das Projekt leisten oder nicht? Vor allem in den früheren Phasen muss klar sein, dass beispielsweise Umplanungen das gesamte Projekt verzögern. Viele Städte haben zu wenig Bewusstsein, dass die Verzögerungen sehr viel Geld kosten, beispielsweise für gestiegene Baukosten oder für das Personal.

Und der Stadtrat muss immer mehr Geld genehmigen.

Genau. Es wird nicht mehr auf das Ziel des Fertigstellungsdatums hingearbeitet, sondern stattdessen weiter Geld ausgegeben, um die Verzögerungen zu finanzieren. Das könnten sich private Bauherren nicht leisten, denen würde das Geld ausgehen.

Was kann Köln konkret besser machen?

Dass Köln Risikobudgets bei Großbauprojekten einplant, ist schon mal ein guter Anfang. Viele Städte können und müssen Großbauprojekte aber noch detaillierter planen. Dafür braucht es ein ausreichendes Budget, um etwa die Wände in alten Gebäuden gründlich zu untersuchen, möglicherweise auch noch während des laufenden Betriebes. Dann wissen sie schon viel mehr, was sie erwartet. Sie dürfen bloß nicht anfangen zu bauen, ohne den tatsächlichen Bedarf ermittelt zu haben. Und Städte können und müssen ihre Projekte viel klarer auf die Gesamtkosten ausrichten und daraufhin steuern. Das heißt: Das ist die Summe und mehr gibt es nicht.

Stattdessen wirkt es so, als sei es ein Naturgesetz, dass Großbauprojekte mehr kosten und länger dauern.

Ja, das wird dann so hingenommen, weil frisches Geld kommt ja auf jeden Fall, wenn eine Stadt beim Stadtrat mehr Geld beantragt. Dass Großbauprojekte teurer werden, ist aber kein Naturgesetz.

Nun gibt es Krisen wie Corona oder den Krieg oder dass eine Firma wie ein Fassadenbauer mal insolvent geht.

Stimmt, aber das Risiko kann ich als Stadt minimieren, in dem ich zwei Aufträge ausschreibe. Und wenn ich eine Insolvenz anbahnt, fange ich sofort an, Ersatz zu suchen. Dafür brauchen die Verantwortlichen das Risikobudget. Es gibt aber noch ein größeres Problem.

Welches?

Die meiste Zeit verliert man während der Prozesse der beteiligten Behörden. Es ist unglaublich, wer da alles involviert ist. Das ist aber auch okay. Aber oft fehlt ein Zeitplan, welche Behörde wann etwas genehmigen muss. Die Behörden agieren oft nicht, sondern reagieren. Keiner kann die Behörden verpflichten, bis wann sie etwas genehmigt haben. Deshalb braucht es aber zumindest einen klaren Terminplan und die Klarheit, was es kostet, wenn ein bestimmtes Amt seine Arbeit bis zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht gemacht hat. Das hilft erfahrungsgemäß. Es braucht in den Verwaltungen unbedingt feste Ablaufpläne und ein Vordenken.

Köln ist ja nicht alleine mit seinen Problemen, beispielsweise in Bonn ist die Sanierung der Beethovenhalle ebenfalls viel teuer geworden und dauert länger.

Es sind schon viele Projekte in Deutschland besser geworden, von denen man aber relativ wenig hört.

Und was machen die anders?

Sie planen viel, viel gründlicher und verbindlicher und betrachten die Risiken viel gewissenhafter.

Aber Corona und der Krieg bleiben als Probleme.

Ja. Tatsächlich hat Corona für das Bauen selbst Einfluss gehabt, wenn Arbeiter krank waren oder aus ihren Heimatländern nicht mehr wegkamen. Es fehlte schlicht Personal. Und es fehlte auch Material. Beim Planen waren die Auswirkungen weniger stark, viele konnten von zu Hause aus arbeiten.

Zur Person: Klaus Grewe, 60, ist Projektmanager und war mitverantwortlich für Großprojekte wie die Olympischen Spiele 2012 in London oder den Berliner Hauptbahnhof. Grewe war Teil der Reformkommission zum Bau von Großprojekten, die 2015 ihren Bericht mit zehn Verbesserungstipps präsentiert hatte. 

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