Vierte Corona-WelleWie Omikron das Kölner Gesundheitsamt überfordert

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Gesundheitsamtschef Johannes Nießen: Sein Amt scheitert gerade an der Kontaktverfolgung. Und an der Kommunikation. Stürzt Omikron die Stadt ins Chaos?

Köln – Abgelaufene Impfdosen, gekündigte Dienstleister, Probleme bei der Kontaktverfolgung und eine teilweise wirre Kommunikation mit den Betroffenen: Das Kölner Gesundheitsamt macht in der vierten Corona-Welle keinen guten Eindruck.

Am 7. Januar kündigte die Stadt nun an, dass nicht mehr jeder positive PCR-Test auf Omikron überprüft wird. Als Grund nennt Gesundheitsdezernent Harald Rau dieser Zeitung, dass die Variante nun ohnehin dominant sei. „Die Bundesmaßnahme zur Sequenzierung hatte ausschließlich einen epidemiologischen Hintergrund, es geht da um Erkenntnis, nicht um individuellen Nutzen“, sagt er über die Vorgabe, das Genom jedes zehnten positiven Tests vollständig zu analysieren.

Das Kölner Gesundheitsamt wollte mehr, hat versprochen, jeden Test zu überprüfen. Dass diese Ankündigung sogar in der Behörde für Verwirrung gesorgt hat, bedauert der Dezernent. Nach Recherchen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ jedenfalls wussten einige Mitarbeiter nicht, dass lediglich die vom Amt veranlassten PCR-Tests bei positivem Befund auch auf Omikron untersucht wurden – nicht aber jede Probe bei den zahlreichen freien Teststationen in der Stadt. 

Anspruch und Realität klaffen bei Omikron auseinander

„Wir wollten ein bisschen genauer sein und hatten schon die Idee, die Omikron-Infizierten genauer im Blick zu haben. Diese Gründe fallen nun, wo Omikron die dominante Variante ist, weg“, resümiert Rau die freiwilligen zusätzlichen Untersuchungen des Gesundheitsamtes. Ist eine Auskunft darüber, auf welche Virusvariante eine Infektion zurückzuführen ist, tatsächlich aber nur kollektiv für die Forschung von Nutzen?

In Fachkreisen wird längst diskutiert, ob Omikron-Infizierte eine vierte Impfung womöglich nicht benötigen werden. Auch Johannes Nießen, Leiter des Gesundheitsamtes, räumt ein: „Es kann natürlich sein, dass im Fall einer Viertimpfung darauf zurückgeschaut wird, ob jemand mit Omikron oder Delta infiziert war. Bislang wissen wir dazu noch nichts.“ Zur Wahrheit gehört auch, dass die Stadt nun weniger Geld in die Hand nimmt: Jede Überprüfung kostet 42 Euro, beim aktuellen Infektionsgeschehen also, am Mittwoch meldete Köln 1107 Corona-Fälle, entstehen zehntausende Euro kosten – pro Tag.

Kölner Labore informieren Betroffene teilweise falsch

Nach Informationen dieser Zeitung kamen die Omikron-Befunde schon vor der Umstellung nicht immer bei den Infizierten an. So wurde die Mutter eines infizierten Kita-Kindes von einem Labor aufgefordert, 90 Euro zu zahlen, wenn sie erfahren wolle, ob die Infektion auf die Omikron-Variante zurückzuführen sei. Das Labor bezog sich dabei auf Angaben aus dem Gesundheitsamt. Rau sagt: „Aus unserer Sicht ist diese Information falsch.“

Das Labor war demnach also falsch gebrieft. In einem zweiten Fall ist es einem Labor nicht gelungen, das Testergebnis an eine Infizierte zu übermitteln. Offenbar lag eine falsche Handynummer vor. Wer die falsche Nummer wählt, wird jedoch darauf hingewiesen, dass hier niemand zu erreichen sei. Die Information über die Corona-Infektion ging dennoch verloren, die Betroffene wusste erst Bescheid, als sich das Gesundheitsamt Tage später meldete.

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„Nahezu ausgeschlossen“ seien solche Fälle, teilte das Labor auf Nachfrage mit. Und das Gesundheitsamt bleibt vage. „Überlegungen, dass wir sicherstellen, dass die Infizierten ihre Laborergebnisse sicher erhalten, gibt es natürlich. Aber auch da lernen wir – und können nachschärfen“, sagt Rau.

Kölner Gesundheitsamt hat Rückstand von 940 Corona-Fällen

„Krise heißt immer im Geschehen weiter lernen“, sagt Rau. „Zeitweise waren wir von der Infektionsdynamik überfordert.“ Der Gesundheitsdezernent lässt sich eher selten aus der Ruhe bringen. Die Stadt habe den Anspruch, verlässliche Informationen zur Verfügung zu stellen, sagt er.

Ein Anspruch, an dem man auch in der Impfkampagne zuletzt scheiterte. 2000 Kölnerinnen und Kölner sollten bei mobilen Impfaktionen eine reguläre Impfung erhalten, wurden aber aufgrund von Kommunikationspannen zwischen Stadt und Dienstleistern mit abgelaufenen Mitteln geimpft – und müssen teilweise erneut gespritzt werden.

Um die Lage unter Kontrolle zu halten, hat das Gesundheitsamt im Lauf der Pandemie insgesamt 2000 Menschen eingestellt, von denen viele längst wieder aufgehört haben. „Das ist ein Kommen und Gehen“, sagt Johannes Nießen. Ein Grund sind die Förderungen des Bundes, die der Stadt in Extremsituationen schnelle Einstellungen ermöglichen. Geschult ist das Personal oft nur rudimentär.

Hat sich Nießen in dieser vierten Welle zu viel vorgenommen? Seine Ambitionen in dieser Pandemie, die Überprüfung aller Corona-Tests auf die Delta-Variante und die Ermittlung von Inzidenzen für die einzelnen Kölner Veedel, wurden in ganz Deutschland wahrgenommen. Inzwischen sitzt Nießen im Krisenstab des Kanzleramtes. Nun aber geht es für sein Amt darum, irgendwie hinterherzukommen. Ob das in einer Omikron-Welle mit tausenden Neuinfektionen pro Tag noch denkbar ist, ist völlig unklar. Derzeit zählt die Stadt einen Rückstand von 940 Fällen bei der Kontaktverfolgung.

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