DLRG Köln besorgtHälfte aller Grundschulkinder kann nicht sicher schwimmen

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Ein Junge nimmt an einem Schwimmkurs für Kinder teil.

Die Nachfrage nach Schwimmkursen ist in Köln weiter sehr hoch.

Während der Pandemie haben etliche Kinder nicht schwimmen gelernt. Dazu kommt, dass in Köln viele der Lehrschwimmbecken marode sind.

Die Zahl der Grundschulkinder, die nicht schwimmen kann, hat sich seit 2017 verdoppelt. Davor warnt die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG). Laut einer forsa-Umfrage waren damals zehn Prozent der sechs bis zehnjährigen Kinder Nichtschwimmer, eine erneute repräsentative Umfrage unter Eltern von Grundschulkindern im vergangenen Jahr ergab einen Anteil von 20 Prozent. „Der Unterschied bei den Nichtschwimmern ist gravierend, aber angesichts der Entwicklungen in den vergangenen zwei bis drei Jahren auch wenig überraschend“, sagte DLRG-Präsidentin Ute Vogt. Dazu kommt: 23 Prozent der Grundschulkinder sind unsichere Schwimmer. Fast die Hälfte aller Grundschulkinder kann also nicht sicher schwimmen. Als sicherer Schwimmer gilt man laut DLRG ab dem Schwimmabzeichen Bronze.

In manchen Kölner Ortsgruppen gibt es Wartezeiten von zwei Jahren
Alexander Lustig

In Köln sieht es dabei nicht besser aus als im Bundesdurchschnitt: Dirk Külker, Schulleiter von der Grundschule Merianstraße in Chorweiler, hatte im vergangenen Jahr gegenüber dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorgerechnet, dass 70 Prozent von den Kindern seiner Schule am Ende des 4. Schuljahres nicht schwimmen könnten. Schon vor Corona habe man nie die 50 Prozent erreicht, durch die Lockdowns konnten etliche Kinder nicht schwimmen lernen.

Auch Alexander Lustig, stellvertretender Bezirksleiter der DLRG Köln, sorgt sich angesichts der vielen Nichtschwimmer in der Stadt. Viele Eltern würden nicht über das Thema Schwimmen nachdenken – bis der Sommerurlaub im Hotel mit Pool ansteht. Oder gar am Meer. Aber so kurzfristig sind kaum Kurse verfügbar. „Wir haben weiterhin eine sehr hohe Nachfrage nach Schwimmunterricht“, berichtet Lustig. Das könne der ehrenamtliche Verein aber nicht abdecken, dafür fehle das Personal: „In manchen Kölner Ortsgruppen gibt es durchaus Wartezeiten von zwei Jahren.“ Den eigenen Mitgliedern empfehle man deshalb, Kinder schon direkt nach der Geburt für einen Schwimmkurs anzumelden.

Alexander Lustig steht am Rhein, er spricht in ein Funkgerät und trägt Einsatzklamotten der DLRG.

Alexander Lustig ist stellvertretender Bezirksleiter der DLRG Köln. (Archivfoto)

Wenn die Kölnbäder oder auch private Schwimmschulen neue Kurse freischalten, sind die Internetseiten oft wegen hoher Zugriffszahlen überlastet, die wenigen Plätze in kürzester Zeit ausgebucht. Es mangelt an Schwimmlehrern und an Wasserflächen in den Bädern. Und dann gibt es noch die Eltern, die gar nicht über das Thema Schwimmen nachdenken – oder nicht das Geld für privaten Schwimmunterricht übrighaben. Laut der aktuellen DLRG-Statistik sind insbesondere Kinder aus einkommensschwächeren Familien Nichtschwimmer: Die Hälfte der Kinder aus Haushalten mit einem monatlichen Nettoeinkommen unter 2.500 Euro könne gar nicht schwimmen.

Gerade für diese Kinder ist das Schulschwimmen wichtig. Mindestens eine Wochenstunde Schwimmunterricht für die Dauer eines ganzen Schuljahrs – das schreibt das Schulministerium den Grundschulen vor. Nur entspricht die Vorschrift selten der Realität. Durch die Pandemie haben etliche Kinder die Grundschule verlassen, ohne je Schwimmunterricht gehabt zu haben. Und die Lehrkräfte an weiterführenden Schulen sind kaum darauf vorbereitet, Nichtschwimmer zu unterrichten, haben oft keinen Zugang zu Lehrschwimmbecken.

Viele Lehrschwimmbecken sanierungsbedürftig oder stillgelegt

Und von den neun städtischen Lehrschwimmbecken, die an Schulen angeschlossen sind, sind einige stillgelegt oder in schlechtem Zustand. Auf Anfrage der Grünen teilte die Stadt im letzten Schulausschuss den aktuellen Sachstand mit. So sind etwa die Lehrschwimmbecken an der Anna-Freud-Schule am Alten Militärring, der Porzer Grundschule an der Hohe Straße und an der Förderschule in der Rochusstraße 80 schon länger stillgelegt.

Die Technik und der Baukörper des Beckens an der Anna-Freud-Schule sind laut Stadt in einem mangelhaften Zustand. Ob das Lehrschwimmbecken neu errichtet wird, wird derzeit noch in Absprache mit dem Landschaftsverband Rheinland geklärt. Das Bassin in der Rochusstraße ist genau wie das gesamte Schulgebäude durch Hochwasserschäden nicht mehr nutzbar. Eine Sanierung sei unwirtschaftlich, das weitere Vorgehen müsse noch abgestimmt werden.

Die Generalsanierung des Lehrschwimmbeckens an der Mülheimer Hauptschule an der Tiefentalstraße sollte eigentlich Ende vergangenen Jahres abgeschlossen werden, verzögert sich aber wegen Lieferschwierigkeiten bis nach den Sommerferien 2023.

Auch die Lehrschwimmbecken am Kartäuserwall, an der Grundschule Konrad-Adenauer-Straße 20 in Finkenberg, an der Pestalozzischule in Wahnheide und an der Katharina-Henoth-Schule in Höhenberg sind sanierungsbedürftig. Teilweise wurden hier schon erste Maßnahmen ergriffen. Gute Nachrichten gibt es an der Grundschule Erlenweg: Das Lehrschwimmbecken war vergangenes Jahr wegen einer defekten Pumpe zwischenzeitlich geschlossen, aber mittlerweile wieder in Betrieb. Ein Gutachten über den Zustand werde aktuell erstellt.

Unklar wann Pool-Container kommen

Um den Rückstau durch Corona trotz mangelhafter Lehrschwimmbecken bewältigen zu können, will die Stadt auch auf kreative Lösungen setzen. In Köln soll in einem Pilotprojekt in diesem Jahr ein mobiles Schwimmbad vor den Schulen Halt machen. Laut Lustig sei das zwar nur „ein Tropfen auf einem heißen Stein“, weil maximal sechs Kinder gleichzeitig ins Wasser dürfen. Aber für die Wassergewöhnung sei es trotzdem ein guter Gedanke. Gerade weil der Container bevorzugt dort halten soll, wo Eltern eben kein Geld für Schwimmkurse übrig haben.

Laut Frank Rabe, Generalsekretär des Schwimmverbands NRW, sei man dazu „weiter in guten Gesprächen mit der Stadtverwaltung“. Er könne keinen genauen Startpunkt für das Projekt nennen, dafür gebe es noch zu viele Unwägbarkeiten. Vergangenes Jahr noch hatte man auf einen Start nach Ende der Osterferien gehofft. Ob das noch klappt, sei unklar.

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