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Spender anwesend„Körperwelten“-Ausstellung zeigt den Zyklus des Lebens in Köln

Lesezeit 4 Minuten
Zu sehen ist ein plastinierter Körper mit einem Fußball hinter einer Glasvitrine. Davor steht ein Mann.

Die Ausstellung „Körperwelten“ zeigt plastinierte Körper verstorbener Menschen. 

Die dritte Schau in Köln gastiert mindestens bis Oktober in Ehrenfeld. Bei der Eröffnung waren auch künftige Spender anwesend. 

Ein Fußballspieler trifft im vollen Lauf den Ball mit einer Fußspitze. Ein Turner stemmt seine Hände in hängende Ringe und hält seine Beine in der Waagerechten. Ein Mensch, der als „Admiral“ ausgewiesen ist, blickt durch ein Fernrohr. Gemeinsam ist den Männern, dass sie Leichen sind, genauer: Tote ohne Haut, die mit dem Verfahren der Plastination haltbar gemacht worden und Teil der Ausstellung „Körperwelten & Der Zyklus des Lebens“ sind. Am Freitag wurde sie in Ehrenfeld eröffnet.

Mit einer Vielzahl von Präparaten führt die Schau durch den menschlichen Körper, geht auf seine Veränderungen im Laufe des Lebens ein, erklärt Organfunktionen und häufige Erkrankungen. Info-Tafeln und Videos ergänzen die Exponate, die aus dem Körperspende-Programm des Instituts für Plastination in Heidelberg stammen.

Zu sehen ist ein plastinierter Körper, der an Ringen turnt, hinter einer Glasvitrine.

Die Ausstellung zeigt auch mehrere Ganzkörperplastinate wie diesen Turner, der sich an Ringen hochstemmt.

Die Bandbreite der kleineren Ausstellungsstücke reicht vom Schultergelenk über Verdauungsorgane bis zum Fötus in einer Gebärmutter. Erkrankungen werden beispielsweise mit einer Raucherlunge und einer Schrumpfleber vor Augen geführt. Manche Ganzkörper-Plastinate sind zu zweit arrangiert: Ein „Lebensretter“ führt eine Herzdruckmassage aus, ein Herz-Chirurg beugt sich über einen Patienten auf dem OP-Tisch.

Gunther von Hagens hat die Plastination entwickelt

Die Plastination hat der Mediziner Gunther von Hagens in den 1970er Jahren im Anatomischen Institut der Universität Heidelberg entwickelt. Im Wesentlichen besteht das Verfahren darin, Wasser aus den Körperzellen durch Kunststoff zu ersetzen. Seit von Hagens 1996 begonnen hat, derart präparierte Leichen unter dem Titel „Körperwelten“ in öffentlichen Ausstellungen zu zeigen, hat es Kritik daran gegeben. In Köln, wo die „Körperwelten“ bereits 2000 und 2009 zu sehen waren, meldete sich beim ersten Mal Günter Wallraff zu Wort und kritisierte: „Die Toten werden der Sensationsgier preisgegeben, sie werden bloßgestellt und entwürdigt.“

Bei der Presskonferenz zur Eröffnung der dritten Ausstellung in Köln bemühten sich die Veranstalter, den aufklärerischen Nutzen hervorzuheben. Kuratorin Angelina Whalley, die mit von Hagens verheiratet ist, sagte, mit der Schau wolle sie „verdeutlichen, dass unser Körper der Spiegel unserer eigenen Lebensführung ist. Denn alles, was wir tun oder auch nicht tun – ob wir körperlich aktiv sind, wie wir uns ernähren, ob wir ein gesundes familiäres oder soziales Umfeld haben – wirkt auf ihn zurück“. Alles habe wesentliche Auswirkungen darauf, wie sich der Alterungsprozess gestalte. Dieser sei also „abhängig davon, wie wir mit unserem Körper umgehen. Dafür möchte ich sensibilisieren“, so Whalley.

Eine Frau und ein Mann stehen Arm in Arm vor einer Glasvitrine, hinter der zwei plastinierte Körper zu sehen sind.

Riza Seven und seine Tochter Zara: Der 59-Jährige möchte nach seinem Tod seinen Körper für eine Plastiantion zur Verfügung stellen.

Als ethischer Berater stand ihr Philosophie-Professor Franz Josef Wetz zur Seite. Die Ausstellung mache die „bewunderungswürdige komplexe Struktur des Lebens“ sichtbar, sagte er. Leichenfledderei, Geschäft mit dem Tod, Störung der Totenruhe? Keiner der Vorwürfe treffe zu, sagte er und zählte Argumente auf: Die Spender stellten ihre Körper freiwillig zur Verfügung. Der Respekt vor dem „typisch Menschlichen“ bleibe gewahrt. Die Spender der Körper würden anonymisiert. Das Wichtigste aber: Die Besucher beegegneten den Plastinaten „achtungsvoll und ruhig“.

21.000 Menschen wollen ihre Körper spenden

Einige künftige Spender waren anwesend, darunter Gisela Bichler aus Bonn. Vor etwa 40 Jahren habe sie von Hagens kennengelernt, erzählt die 83-Jährige. Das Angebot, für sein Institut zu arbeiten, habe sie abgelehnt, ihm dann aber vorgeschlagen, ihren Körper zu spenden. Seitdem trage sie einen Spenderausweis bei sich. Ihr inzwischen verstorbener Mann und die Söhne hätten ihr Einverständnis gegeben, ein Grab auf dem Friedhof bräuchten sie nicht. „Du bist in unseren Herzen“, hätten sie gesagt.

Spender ist auch Riza Seven, 59. Als seine Tochter Zara in der Gymnasialzeit überlegt habe, Gerichtsmedizinerin zu werden, habe er zunächst beschlossen, seinen Körper der Uni als Demonstrationsobjekt für Studenten zur Verfügung zu stellen. Mittlerweile ist er mit mehr als 21.000 anderen Personen im Körperspende-Programm des Instituts für Plastination registriert. Zara Seven, die Datenanalystin geworden ist, begleitete ihn am Freitag. Ob für die Forschung oder eine Ausstellung wie diese – die Spende diene einem „guten Zweck“, sagte sie. Wenn ihr Vater glücklich sei mit seiner Entscheidung, dann sei auch sie es. Ihre Mutter halte nichts davon: „Sie vertritt ältere moralische Werte.“


„Körperwelten & Der Zyklus des Lebens“, bis Ende Oktober (Verlängerung möglich) im Gebäude Oskar-Jäger-Straße 99. Öffnungszeiten: Montag bis Freitag 9-18 Uhr, Samstag. Sonntag und Feiertage 10-18 Uhr. Tickets an Vorverkaufsstellen, im Internet, telefonisch unter 01806/570 070 (Mo-Sa 9-18 Uhr, 20 Cent/Anruf) und an der Tageskasse. Hotline für Gruppenbuchungen und Schulklassen: 0421/3767 2000 (Mo-Fr 9-17 Uhr) gruppen@eventim.dewww.koerperwelten.de