„Heute gilt es mehr denn je mutiger zu sein“Schweigemarsch in Ehrenfeld gedenkt Opfern der Novemberpogrome

Lesezeit 3 Minuten
Rund 600 Menschen nahmen an dem Schweigemarsch in Ehrenfeld teil.

Rund 600 Menschen nahmen an dem Schweigemarsch in Ehrenfeld teil. Von der Körnerstraße über die Venloer Straße bis zur Bartholomäus-Schink-Straße marschierten sie mit brennenden Kerzen.

Der Schweigemarsch am 10. November in Ehrenfeld erinnert an Nazi-Gräueltaten. Dieses Mal nahmen so viele Menschen „wie noch nie“ teil. 

Schweigend, mit brennenden Kerzen in der Hand, gesenkten Blicken. Am Freitagabend marschieren rund 600 Menschen in Ehrenfeld über die Venloer Straße in Gedenken an die zahlreichen Opfer von drei nationalsozialistischen Verbrechen. Eine Gedenkveranstaltung findet im Anschluss statt.

Während des Novemberpogroms starben über 1.500 Menschen

Vor 85 Jahren in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 brannten Synagogen, jüdische Einrichtungen und Läden. SA- und SS-Angehörige, aber auch Teile der Zivilbevölkerung, griffen Jüdinnen und Juden in Deutschland an, misshandelten, verhafteten, verschleppten und töteten sie.

Die antisemitischen Gewaltexzesse hielten Tage lang an. Laut der Bundeszentrale für politische Bildung starben während der Novemberpogrome über 1.500 Menschen. Über 30.000 Juden wurden deportiert, 191 Synagogen in Brand gesteckt, über 1.400 Betstuben und Synagogen zerstört, über 7.500 jüdische Geschäfte geplündert.

Zwei Hinrichtungen fanden am Ehrenfelder Mahnmal statt 

Jedes Jahr erinnert das Kuratorium Edelweißpiraten Ehrenfeld mit dem Schweigemarsch an die Novemberpogrome sowie die Hinrichtungen von 24 Menschen im Jahre 1944. In der Körnerstraße startet der Marsch, wo einst die Synagoge unter den Augen applaudierender Menschen in der Reichspogromnacht abbrannte.

Der Marsch endet am Mahnmal der Edelweißpiraten am Ehrenfelder Bahnhof. Vor 79 Jahren am 10. November 1944 wurden an diesem Ort 13 Menschen öffentlich exekutiert, darunter Edelweißpiraten und andere Widerstandskämpfer. Kurz zuvor am 25. Oktober 1944 ermordete die Gestapo an selbiger Stelle 11 Zwangsarbeiter.

Mehrere Rednerinnen und Redner sprachen anschließend.

Mehrere Rednerinnen und Redner sprachen anschließend.

„Unsere Gedanken sind nicht nur bei den Opfern, sondern auch bei denen, die es überstanden haben, die aber leider über die Jahre von uns gegangen sind“, sagt Josef Wirges, ehemaliger Bezirksbürgermeister von Ehrenfeld.

Rednerinnen und Redner appellieren an Solidarität

„Das schlimmste Verbrechen in der Menschheitsgeschichte, nämlich die fabrikmäßige Ermordung von jüdischen Mitbürgern, hat dort ihren Anfang genommen,“ sagt Wirges, „Das ist so etwas Grausames. Umso mehr kann ich persönlich die Wut, das Entsetzen der israelischen Bevölkerung nachempfinden.“

Wirges fordere die klare Distanzierung muslimischer Menschen in Deutschland von den Gräueltaten der Hamas. In seiner Ansprache kritisiert er auch die geplante Namensänderung der „Kindertagesstätte Anne Frank“ aus Sachsen-Anhalt, die in den letzten Wochen für einen heftigen Diskurs sorgte.

Heute gilt es mehr denn je mutiger zu sein und einzutreten gegen jede Form von Antisemitismus, Rassismus und Menschenverachtung.
Bürgermeisterin Brigitta von Bülow

In Deutschland fühlen sich Jüdinnen und Juden seit dem Überfall der Terrororganisation Hamas auf Israel und dem erklärten Kriegszustand der israelischen Armee nicht sicher. „Seit dem wurden allein in NRW 380 anitsemitische Vorfälle registriert“, so Historikerin Ursula Reuter, „Wir alle müssen uns dem entgegensetzen. Niemals wieder ist jetzt.“

Bürgermeisterin Brigitta von Bulöw appelliert: „Jüdinnen und Jüden müssen wissen, dass sie nicht allein sind. Aus der Vergangenheit lernen für die Zukunft“, so von Bülow, „Heute gilt es mehr denn je mutiger zu sein und einzutreten gegen jede Form von Antisemitismus, Rassismus und Menschenverachtung. Gegen Hass, Unrecht und Gewalt. Für Gerechtigkeit und Vielfalt, für Frieden und Menschenwürde.“

KStA abonnieren