EM im LentparkAls Köln das Mekka des Eiskunstlaufs war

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Karl Wingenfeld hält das Programmheft der Eiskunstlauf-EM 1973 in die Kamera.

Karl Wingenfeld mit dem Programmheft

Die Europameisterschaften im Eiskunstlauf fanden 1973 im Stadion an der Lentstraße statt – Karl Wingenfeld war als Zuschauer dabei.

Das Singen hat Karl Wingenfeld nicht verlernt. Spontan stimmt er eine Melodie aus der Verdi-Oper „Die Macht des Schicksals“ an. Eine Melodie, zu der früher die Eiskunstläufer gern ihre Pirouetten gedreht hätten, sagt er. Stars wie Marika Kilius und Hans-Jürgen Bäumler zum Beispiel, das deutsche Traumpaar der 1950er und 1960er Jahre.

Das Programmheft der Eiskunstlauf-EM in Köln. Darauf ein Foto einer Eiskunstläuferin.

Das Programmheft der Eiskunstlauf-EM in Köln

Die Musik ist schon lange Karl Wingenfelds Welt. Nach dem Krieg besuchte er die Opernaufführungen in der Aula der Kölner Universität, von 1965 bis 2000 arbeitete er als Kantor von St. Joseph in Ehrenfeld. Aber seine Leidenschaft gehörte auch dem Eiskunstlaufen. Er selbst sei zwar nicht unbedingt gut auf Schlittschuhen gewesen, erzählt der 86-Jährige: „Meistens bin ich an der Bande entlanggelaufen.“ Seiner Begeisterung für die Ästhetik des Sports tat das aber keinen Abbruch. Deshalb war er selbstverständlich dabei, als vom 6. bis 11. Februar 1973 zum ersten und bisher einzigen Mal in Köln die Europameisterschaften im Eiskunstlauf stattfanden. Austragungsort war das Eisstadion an der Lentstraße, das längst durch den Lentpark ersetzt wurde.

Deutsches Paar gewann Bronze

Das Programmheft von damals hat Karl Wingenfeld aufgehoben, hineingeklebt hat er seine Eintrittskarte vom 7. Februar 1973. Für die an diesem Tag anstehende Kür der Paare kostete der Platz auf dem „Balkon Nord“ 10 D-Mark. „Die Stimmung war euphorisch, alle Leistungen wurden honoriert“, sagt der Ehrenfelder. Die Leistungen der Jury-Mitglieder nicht immer. „Die Preisrichter aus dem Ostblock haben die Läufer aus dem Westen etwas niedriger bewertet. Dann gab es Buhrufe.“ Der Kalte Krieg machte auch vor dem Eis nicht Halt.

Wir waren stolz, dass die EM nach Köln gekommen war.
Karl Wingelfeld

Wingenfeld drückte zwar den deutschen Paaren die Daumen: „Aber an den Russen ging kein Weg vorbei.“ Vor allem an Irina Rodnina nicht, die mit Alexander Zaitsev antrat. Für den „Kölner Stadt-Anzeiger“ war Rodnina die „Eiskönigin aus Moskau“ , „ehrgeiziges Energiebündel“ und „erstaunliches Persönchen mit den großen runden Augen“: „Selbst nüchterne Betrachter gerieten in Begeisterung, als die beiden Moskauer die Sprünge, Axel, Rittberger, Euler und Doppel-Salchow in einer noch nie zuvor gezeigten Kombination vorführten“, hieß es am 8. Februar 1973 in der Zeitung:   „Zwölfmal zogen die Preisrichter die begehrte Sechs aus ihren Kästen; ein neuer Weltrekord für die Sparte Eiskunstlauf.“

5600 Zuschauer im Februar 1973 im Kölner Lentpark

Viel Applaus gab es aber auch für das bundesdeutsche Paar Almut Lehmann und Herbert Wiesinger, das die Bronzemedaille gewann. Der Ostblock dominierte jedoch den Wettbewerb. Bei den Damen kam Christine Errath (DDR) auf den ersten Platz, bei den Herren Ondrej Nepela (CSSR) und im Eistanz das sowjetische Paar Ljudmila Pachomowa und Alexander Gorschkow, gefolgt immerhin von Angelika und Erich Buck aus der Bundesrepublik. Innenminister Hans-Dietrich Genscher verließ am vorletzten EM-Tag verstimmt die Arena: Er war zwar Schirmherr der Veranstaltung, durfte aber bei der Eistanz-Siegerehrung nicht offiziell gratulieren.

5600 Zuschauer füllten die Eishalle am 7. Februar. „Wir waren stolz, dass die EM nach Köln gekommen war“, sagt Karl Wingenfeld. Die Europameisterschaften hätten die ohnehin große Begeisterung für den Eiskunstlauf weiter befeuert. Mittlerweile ziehe sein Lieblingssport nicht mehr die Massen in den Bann. Dafür sei das Niveau gestiegen: „Die damaligen Doppelfiguren werden heute drei- bis vierfach gelaufen.“ Was 1973 gezeigt wurde, sei im Vergleich dazu ziemlich „brav“ gewesen.

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