Ausstellung in KölnAnnika Eliane Krause zeigt Frauen beim Gebären und Sterben

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Annika Eliane Krause stellt Werke ihrer Reihe „Hallo und auf Wiedersehen“ vom 5. bis 7. April in Köln aus.

Annika Eliane Krause stellt Werke ihrer Reihe „Hallo und auf Wiedersehen“ vom 5. bis 7. April in Köln aus.

Die Kölnerin zeigt, was die Gesellschaft an ihren Rand schiebt: Die Fotografin im Gespräch über Sterben und Gebären vor ihrer Buchvernissage.

Annika Eliane Krause begleitet Frauen beim Sterben. Mit ihrer Kamera war sie zum Beispiel bei Christine dabei. Christine hatte Krebs, schon seit sechs Jahren. Nach der Todesdiagnose der Ärzte lebte sie noch vier Jahre. In einer Novembernacht 2021 schlief sie dann ein und wachte nicht mehr auf. Die Kölner Fotografin stand danach an ihrem Bett, zusammen mit Christines Mann. So wollte es Christine. Sie hatte genau geplant, was passieren soll, wenn sie stirbt. Hatte viele Gespräche mit Krause geführt, ihren Sarg bemalt, eine letzte Reise ans Mittelmeer gemacht. Annika Eliane Krause war dabei und bringt jetzt ein Buch heraus. Am Wochenende, 5. bis 7. April, stellt sie in Köln aus.

„Hallo und auf Wiedersehen“ nennt Krause ihre erste verlegte Publikation. Sie wollte keinen schweren Titel, lieber etwas, das leichten Zugang bietet. Die 31-Jährige beschreibt die Verwandlung eines Frauenkörpers als Kreislauf.

Sie begleitete dafür auch Geburten. Krause und ihre Kamera waren zum Beispiel bei Denise dabei. Denise wollte ihren zweiten Sohn Zuhause gebären. In dem Moment, als der Kopf des kleinen Felipe zum ersten Mal aus dem Bauch der Mutter herausguckte, drückte Krause den Auslöser. Sie schuf das Foto einer Geburt, wie es nur selten aufgenommen, geschweige denn gezeigt wird. Krause konfrontiert ihre Leserinnen und Leser und Betrachterinnen und Betrachter damit unverblümt, aber stets respektvoll.

Annika Eliane Krause konfrontiert Leserinnen und Leser mit Tod und Geburt

„Das Sterben und die Geburt wird an den Rand der Gesellschaft geschoben“, sagt Krause im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Man setzt sich mit beidem nicht auseinander, bis man muss oder es zu spät ist“, sagt sie. Ihr Vater starb kurz nach ihrem 17. Geburtstag. Die freie Autorin und Fotografin studierte Kommunikationsdesign, aber das letzte Geschenk ihres Vaters kurz vor seinem Tod, ihre erste Spiegelreflexkamera, ließ sie nicht los. „Die Kamera wurde zu meinem Instrument, um die Welt zu verstehen.“

Und zwar die echte Welt, mit echtem Schmerz und echter Freude: „In Spielfilmen wird viel geboren und gestorben, aber total verkitscht“, sagt sie. Krause zeigt Mütter, die noch bluten und hässliche Narben, die Krankheiten hinterließen. Sie zeigt unaufgeräumte Tische, schmerzverzerrte Gesichter, aufgerissene Pillenpackungen und eine Krankenhausfassade. „Ich fand es krass, dass ich bis vor kurzem noch nie Bilder von Geburten gesehen habe.“ Beide Vorgänge fänden hinter verschlossenen Türen statt. 

Kölner Fotografin gibt Protagonistinnen Kontrolle in überwältigenden Situationen

Dabei gibt es Frauen, die über diese Themen sprechen möchten. So fand Krause auch ihre Protagonistinnen. Christine sprach auf Instagram schon über das Sterben. „Christine hat entschieden, dass sie sich so zeigen möchte“, sagt Krause. In ihren Bildern wirken die Frauen so, als behielten sie die Kontrolle. Über die Geburt ihres Kindes, über ihren Tod und über die Geschichte, die Krause erzählt.

Sie widmet jeder Protagonistin ein Kapitel, das mit einem Text beginnt. „Hallo und auf Wiedersehen“ ist vielmehr eine Dokumentation oder gar ein Sachbuch als ein Bildband. „Der Tod ist in unserer Gesellschaft so tabuisiert“, zitiert sie Christine. „Wenn niemand anfängt, die Hosen runterzulassen, werden wir den Zugang völlig verlieren.“

Krause sitzt an ihrem Küchentisch aus Massivholz zwischen großen Abdrucken ihrer Bilder für die Ausstellung. Sie überlegt und sagt: „Beides sind super sensible Prozesse, in denen man sich im Grunde ausgeliefert fühlt.“ Deshalb machte sie auch eine Ausbildung zur Doula und zur ehrenamtlichen Sterbebegleiterin. „Es sind gewaltige Prozesse“, betont sie wieder. „Wissen kann Angst nehmen. Wenn man versteht, was passiert, ist sie nicht mehr so überwältigend.“


Die Fotoausstellung und Buchvernissage eröffnet Annika Eliane Krause am Freitag, 5. April, im „&-wieder. Ein Raum für Kunst“, Eichstraße 6 in Köln-Nippes. Am letzten Tag, dem Sonntag, führt sie ein Gespräch unter anderem mit Jule, der einzigen Krebspatientin des Projekts, die ihre Krankheit überlebte. Auch eine Doula und eine Sterbebegleiterin halten Vorträge. Das Programm finden Sie hier.

Annika Eliane Krause: „Hallo und auf Wiedersehen“, 239 Seiten, 34 Euro, Merian Verlag.

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