„Ich stech dich ab”Kölner Mutter bei vorgetäuschtem Ebay-Kauf fast umgebracht

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Der Täter im Gerichtssaal hinter einer Mappe

Der Täter im Gerichtssaal hinter einer Mappe

Köln – Sie kämpfte um ihr Leben „wie eine Löwin“, der Gedanke an ihre Kinder gab ihr die Kraft für ihr todesmutiges Verhalten, denn: „Kein Kind soll seine Mutter blutend am Boden liegen sehen“, schilderte Maria S. (41, alle Namen geändert) im Zeugenstand des Landgerichts die Gedanken, die ihr durch den Kopf gingen im wohl schlimmsten Moment ihres Lebens, als sie in ihrer Wohnung von einem Mann mit einem Messer angegriffen wurde.

Der Troisdorfer Frührentner Theo S. (59) hatte sich auf eine Ebay-Anzeige gemeldet, wollte angeblich das im Netz inserierte Babybett abholen. Es war ein Vorwand, tatsächlich hatte er von Anfang an geplant, die Frau zu überfallen und auszurauben. Der 59-Jährige wird wegen besonders schweren versuchten Raubs und gefährlicher Körperverletzung der Prozess gemacht.

Die Heilpraktikerin war an jenem Mittag im August vergangenen Jahres von der Arbeit gekommen, der Schulschluss ihrer beiden Grundschulkinder stand unmittelbar bevor, als der Rentner pünktlich zum vereinbarten Termin erschien. Er sei ihr gleich „komisch“ vorgekommen, sagt Maria S. Sofort ging der Täter zum Angriff über, wollte sie knebeln und fesseln, schließlich stach er mit einem Messer zu.

Zugestochen und gewürgt

Die schlanke, hochgewachsene Frau mit dem ungeschminkten Gesicht versucht mühsam die Fassung zu wahren, als sie in Saal fünf das Erlebte noch einmal bis ins kleinste Detail Revue passieren lässt. „Mir war klar, es war höchste Alarmstufe“, dachte sie, als der Rentner ihr vergeblich versuchte, den Knebel aus einer Strumpfhose in den Mund zu stecken.

Den Gedanken, aus dem Schlafzimmer das dort vorhandene Reizgas zu holen, verwarf sie in Sekundenschnelle: „Denn der Weg war zu weit“. Sie rannte zum Wohnzimmerfenster, riss es auf: „Ich wollte die Öffentlichkeit“, doch ihre Hilfeschreie gingen unter: „Alles, was ich schrie, schluckte der Verkehrspegel am Gotenring“.

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Der Täter zog sie mit aller Gewalt vom Fenster weg, sagte „ich steche dich ab“ und verfehlte mit dem Messer nur knapp die Milz, ein Lungenflügel kollabierte. Aber die Mutter gab nicht auf, wehrte sich verzweifelt, griff mit beiden Händen in das Messer, entwand ihm die Waffe, warf sie aus dem Fenster und hoffte: „Jetzt wird die Öffentlichkeit wachgerüttelt“.

Mutter kämpfte um ihr Leben

Doch auch der Täter gab nicht auf, legte ihr die Hände um den Hals, drückte zu. Die mutige Mutter kämpfte weiter, schrie wieder und wieder laut um Hilfe, bis schließlich ein Nachbar vor der Wohnungstür stand. Der Kampf habe zwischen zehn und 15 Minuten gedauert, sagt Maria S. „Erniedrigung, Machtspiel, Vernichtung“ – so beschreibt das Überfallopfer die Gefühle, die der Täter sie habe spüren lassen. Im Krankenhaus musste die Mutter notoperiert werden, die Stichverletzung war lebensgefährlich, an den Händen hatte sie mehrere Schnittwunden.

Doch viel schlimmer seien die psychischen Folgen des Überfalls, sagt S. mit tränenerstickter Stimme, und es ist deutlich zu spüren, wie sehr sie mit der Fassung ringt. Früher sei sie fröhlich, genügsam und zufrieden gewesen, „immer aufgeschlossen und gut gelaunt“. Das sei jetzt vorbei: „Ich bin nicht mehr der Mensch, der ich einmal war.“ Lediglich in ihrem engsten Kreis, also in der Familie und mit Freunden, fühle sie sich noch wohl. Noch schlimmer sei: „Mein Zuhause gibt mir keine Sicherheit mehr, denn das war der Tatort.“ Ohne Familie wäre sie längst in eine andere Wohnung umgezogen, auch in eine andere Stadt, um woanders neu anzufangen. „Aber die Kinder brauchen Normalität“, deshalb habe sie beschlossen, zu bleiben.

Der Prozess ist bis kommenden Dienstag, 12. Februar, terminiert. Dann soll das Urteil gesprochen werden.

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